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# taz.de -- Grüner Oberbürgermeister im Osten: Freifunknetz und Miethöhe
> Ganz so grün ist er dann doch nicht. Eine Allianz aus Linken, SPD, Grünen
> und Piraten hat Stefan Fassbinder ins Greifswalder Rathaus gebracht.
Bild: Stefan Fassbinder, der einzige grüne Oberbürgermeister in Ost-Deutschla…
GREIFSWALD taz | Für das Foto steht Stefan Fassbinder, 48 Jahre alt, vor
seinem neuen Arbeitsplatz, dem Greifswalder Rathaus. Er hat sich an den
Treppenrand, auf die unterste Stufe gestellt. Als wolle er nicht auffallen.
Aber das klappt nicht mehr. „Sie sind doch der neue OB, oder?“, fragt ein
junger Mann im Vorbeigehen, „der, der überall Radwege bauen will?“
Bislang war Stefan Fassbinder Historiker am Pommerschen Landesmuseum in
Greifswald. Er ist verheiratet, hat vier Kinder, gilt als Fahrradfreund,
war Klassen-, später Fachschaftssprecher. Auch im Wahlspot radelte er durch
die Stadt. Er kommt aus Südwestdeutschland, was hier eigentlich als
Nachteil gilt. Er ist jemand, der nie zu spät kommt und gern die Tür
aufhält. Seit sieben Jahren sitzt er für die Grünen in der Bürgerschaft, wo
er, wenn überhaupt, am ehesten durch sachorientierte Arbeit auffiel und
gern von „pfiffigen“ Ideen spricht.
Im Amt wolle er als Erstes Zebrastreifen auf die Straßen malen, kündigte er
an und erhielt dafür viel Spott. „Aber es geht eben oft um Kleinkram“, sagt
er, der einzige grüne Oberbürgermeister im Osten Deutschlands.
Eine Rampensau ist Fassbinder nicht gerade. Wahrscheinlich eine der
Eigenschaften, denen die Stadt zu verdanken hat, dass mitten im
kleinbürgerlich geprägten, konservativem Vorpommern nun ein Grüner in das
Rathaus einziehen wird.
60.000 Einwohner hat Greifswald und gilt mit Universität und niedriger
Arbeitslosigkeit als „Leuchtturm im Nordosten“. Seit der Wende, 25 Jahre
lang, hat hier die CDU regiert. So lange, dass dies am Ende allen wie eine
Art Naturgesetz erschien – vor allem den Christdemokraten selbst.
## Einer für alle
Dabei hatten sie die Mehrheit in der Bürgerschaft schon bei den
Kommunalwahlen im vergangenen Jahr verloren. Linke, SPD, Piraten und Grüne
sind durch jahrzehntelange gemeinsame Opposition geeinter als üblich. Und
haben beschlossen, bei der Oberbürgermeisterwahl diesmal nur einen
Kandidaten aufzustellen. Einen gemeinsamen. Stefan Fassbinder.
Mit gerade mal 15 Stimmen Vorsprung wurde er zum Bürgermeister gewählt,
eben weil er so wenig rampensäuisch ist, wenig eitel, wenig dogmatisch, am
Ende vielleicht auch: wenig grün.
Mignon Schwenke ist Landtagsabgeordnete der Linken. Sie sagt, „mit jedem
hätten wir das nicht gemacht“. „Integrierend“ sei Fassbinder. Er selbst
nennt sich „Teamspieler“. Seine Kritiker werfen ihm das vor. Sie finden ihn
mainstreamig, opportunistisch. Denn natürlich verschwimmen in der großen
Symbiose die Unterschiede.
Erik von Malottki, 28 Jahre alt, stört das nicht. Er ist von den
Greifswalder Jusos, hat Plakate geklebt und war für Fassbinders
Facebook-Auftritt verantwortlich. Auch Tage nach der Wahl ist er noch
euphorisch. „Die parteiübergreifende Zusammenarbeit war eine super
Erfahrung“, sagt er, spricht von einer gemeinsamen „rot-rot-grünen
Zielvorstellung“ und hofft, dass das Parteienbündnis beispielgebend sein
könnte. Vielleicht sogar bundesweit. „Bei der Wahlparty haben wir uns mit
den Linken, den Grünen und den Piraten in den Armen gelegen“, sagt er, „wo
gibt es das schon?“
## Baden im Fluss Ryck
Auch am Wahlprogramm haben alle mitgeschrieben, das Mietenthema kam von der
SPD, ein Freifunknetz von den Piraten, die vernachlässigten
Plattenbauviertel von den Linken. Die Grünen wollen, dass man im Ryck, der
von Greifswald zur Ostsee fließt, wieder baden kann, und sie wollen
regionale Wirtschaftskreisläufe stärken.
Ein Konzept gibt es dafür schon, von Fassbinder ist es nicht. „Ich behaupte
ja nicht, dass alle Ideen von mir kommen“, sagt er. „Wir gucken, wo die
Dinge gut laufen, und scheuen uns nicht, sie zu kopieren.“ Im schwedischen
Lund gebe es ein Fahrradparadies, mit dem auch Autofahrer leben könnten, in
Tübingen ticketfreien Busverkehr. „Wir wollen prüfen, was wir davon
übernehmen können.“
In Tübingen regiert seit 2007 der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer; er
wurde 2014 mit über 60 Prozent wiedergewählt. „Klar ist das ein Vorbild für
uns,“ meint Fassbinder. „Wir“ sagt er gern. Selten „ich“. Noch.
14 May 2015
## AUTOREN
Anke Lübbert
## TAGS
Freifunk
Mieten
Oberbürgermeister
Grüne
Schwerpunkt Artenschutz
Universität
Schattenwirtschaft
Grüne
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