Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Besser: Wenn Nazis tanzen
> Neuer deutscher Widerstand, zweitausendvürzehn: Über einen Großmeister
> des Naziraps.
Bild: „Als Letzte in die Mannschaft gewählt werden“: Nazirapper und Naziba…
Nazis sind dumm. So dumm, dass sie seit 1945 keine neue Idee mehr hatten.
Stattdessen klauen sie wie die Raben und bedienen sich in Ermangelung
eigener Einfälle bei anderen Leuten. Das gilt für ideologische
Versatzstücke und den Kleidungsstil, das gilt aber auch für die Musik, seit
die Nazis Ende der siebziger Jahre den Punk für sich entdeckten. Und seit
einiger Zeit gibt es sogar das: Nazirap. Das sagt einerseits viel über die
Tauglichkeit des HipHop als universeller Musiksprache (sehr tauglich) und
ebenso viel über das Rhythmusgefühl der Nazis (sehr untauglich).
Einer der Großmeister des Naziraps heißt Patrick Killat, ein Berliner Nazi,
der sich „Villain051“ nennt, ein Prachtexemplar von Herrenmensch. Ein
Fettwanst mit schlechten Zähnen, der in seinen [1][selbstgedrehten Videos
im Campingplatzstil] hüftsteif von einem Bein aufs andere tritt und dazu
ungelenk mit den Armen wedelt. Wären diese Clips ohne Ton, man würde
vermuten, es mit einem ostdeutschen Stützeempfänger zu tun zu haben, der
ganz dringend auf die Toilette muss. Mit dem Ton aber stellt sich eine
andere Frage. Mit [2][Rainald Grebe] formuliert: Wenn Nazis tanzen, wie
soll man das nennen?
Den Clip „Für unsere Kinder“ hat Killat Anfang dieses Jahres vor der
Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hellersdorf gedreht, vor dem im Sommer
vergangenen Jahres ein Mob aus rassistischen Anwohnern und organisierten
Rechtsextremisten [3][herumlungerte] und auf das seither immer wieder
[4][Anschläge] verübt wurden.
In holprigen Reimen stammelt Killat Verse wie diesen: „Befreit euch von der
Lüge, schnell / Brüder dieser Welt vereinigt euch / und Zion fällt. /Ihm
geht es nicht mehr um Religion oder Volk. / Nein, er kommt über Nacht / und
will nur euer Gold.“ Natürlich ist das antisemitischer Dreck. Aber vor
allem ist es brüllend komisch, wenn MC Nazi singt: „Neuer deutscher
Widerstand, zweitausendvürzöhn / Wir gehen auf die Straße / um das System
zu stürzen.“ Dahinter posieren fahnenschwenkende Nazis vor der Eingangstür
des Flüchtlingsheims.
## Arme kleine Kinder
Und das ist nicht alles. Denn der Refrain ist nicht gerappt, den spielt auf
seiner Klampfe ein Nazibarde, der sich R.A.W. nennt und mit bürgerlichem
Namen vermutlich Ronny oder Rico heißt. „Das ist für unsere Kinder / sie
sollen nicht leben in Ketten / ohne Angst vor dem was kommt / ohne Trään“,
jault der Mann mit fleischigem Gesicht und umgedrehter Basecap in eine
simple 3-Akkorde-Schunkelmelodie, die seit Hannes Wader und Reinhard Mey
auch bei Linken beliebt ist.
Wie an dieser [5][Stelle] schon vor einiger Zeit stand: Die Kinder, die
Kinder, die armen kleinen Kinder. Wer irgendeine Schikane im Sinn hat, ist
gut beraten, sie mit dem Wohl von Kindern zu rechtfertigen. Warum sollten
nicht auch Nazis auf diesen Trick kommen? Zumal ihre Kinder, wie jüngst ein
Redner bei einer verhinderten NPD-Demonstration im Beisein von MC Vollhorst
[6][verkündete], „beim Schulsport als Letzte in die Mannschaft gewählt
werden“.
Besser: Keine Flüchtlinge nach Hellersdorf schicken. Diese trostlose Gegend
ist gut genug für Nazirapper, aber sonst keiner Menschenseele zuzumuten.
6 May 2014
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=6BT4vA8_xbI
[2] http://www.youtube.com/watch?v=u4KqaHRt0tA&noredirect=1
[3] /NPD-agitiert-gegen-Asylsuchende/!125957/
[4] /Fluechtlinge-in-Berlin-Hellersdorf/!134886/
[5] /!133700/
[6] /Kommentar-NPD-Aufmarsch/!137433/
## AUTOREN
Deniz Yücel
## TAGS
Besser
Rechtsextremismus
Hellersdorf
Flüchtlinge
Besser
Ukraine
Sänger
NPD
NPD
Kreuzberg
Online-Shopping
Besser
Sprachkritik
Libanon
## ARTIKEL ZUM THEMA
Protest gegen Flüchtlingsunterkunft: „Judenverfolgung, dit muss nich sein“
In Berlin-Marzahn demonstrieren 500 Menschen gegen eine geplante
Flüchtlingsunterkunft. Neonazis? Ach was, nur „Anwohner“.
Kolumne Besser: Der Holocaust, Israel und du
Vor lauter nachträglicher Empathie für die ermordeten Juden hast du keine
für die lebenden – jedenfalls keine, die ohne ein großes „Aber“ auskäm…
Kolumne Besser: Die Wahrheit über Flug MH17
Glauben Sie nicht den westlichen Propagandalügen! Hören Sie auf unabhängige
Experten. Fragen Sie: Cui bono? Und Sie werden sieben Antworten finden.
„Volks-Rock-'n'-Roller“ Andreas Gabalier: Hits mit Blut und Boden
Der Österreicher Andreas Gabalier singt über Heimattümelei und sexuelle
Anzüglichkeiten – und tourt damit durch Deutschland.
NPD-Fackelaufzug in Demmin: Gegendemo mit Folgen
Die NPD ist in Demmin mit Fackeln aufmarschiert. Hunderte
Gegendemonstranten waren vor Ort, um zu stören. Offenbar griff die Polizei
hart ein.
Berliner NPD-Chef vor Gericht: Rechter Sondermüll
Die NPD hat 2011 tausende CDs auf Schulhöfen verteilt. Deswegen steht ihr
Chef Sebastian Schmidtke jetzt vor Gericht.
Kommentar NPD-Aufmarsch: Blockaden gut, Böller nützlich
Was zusammenkommen muss, um einen Naziaufmarsch erfolgreich zu verhindern –
und warum der Kreuzberger Blockadeerfolg dennoch nicht ungetrübt ist.
Kolumne Besser: Skandal-Porno in Gummistiefeln
Journalismus heute: Wer bietet was? Wer hat das originellste Angebot, wer
das aufregendste Sortiment? Und zu welchem Preis? Eine Shoppingtour.
Kolumne Besser: „Ich trage einen großen Penis“
Politik ist ihm egal, er will nur eine Frau abbekommen, sagt der Autor Akif
Pirinçci. Er könne sie stundenlang mit auswendig gelernten Witzen
unterhalten.
Kolumne Besser: Ratatataschlitzschredderpengpeng
Heute in der Mitmach-Kolumne „Besser“: Leser töten Wörter. Aber sie tun es
nicht ohne Grund. Sie haben ihre Gründe. Gute Gründe.
Kolumne Besser: Sabra, Schatila, Lieblingsmassaker
Die Nachrufe auf Ariel Scharon zeigen nicht zuletzt eines: Die Erinnerung
an die Gräuel des libanesischen Bürgerkriegs ist ausgesprochen selektiv.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.