# taz.de -- Frühlingswetter bei Olympia: Fehlentscheidung Sotschi? | |
> 19 Grad am Meer, die Sonne scheint. 12 Grad in den Bergen, der Schnee | |
> schmilzt. Durfte man die Winterspiele überhaupt nach Sotschi vergeben? | |
Bild: Romantisches Sotschi. | |
NEIN: | |
Boris Nemzow hatte es bereits vor den Spielen auf den Punkt gebracht: „Man | |
muss die Landkarte dieses riesigen Landes lange absuchen, um einen Ort zu | |
finden, wo nie Schnee liegt“, sagte der Oppositionelle. „Putin hat genau | |
diesen Ort gefunden“: Sotschi. | |
Wladimir Putin hat die Spiele nach Russland geholt, obwohl er sich mit | |
einem Ort in den Subtropen darum beworben hat. Er hat offenbart, wie wenig | |
nachvollziehbar die Entscheidungen des Internationalen Olympischen Komitees | |
(IOC) sind. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hatte. | |
Dass Russland schlicht mal an der Reihe war mit der Austragung der | |
Winterspiele steht außer Frage. Das Problem: Das Land hatte kein Skigebiet | |
in entsprechender Größe. Das wussten alle, auch das IOC. Es musste also ein | |
Neues errichtet werden. Aber gerade hier? | |
Putin hat es gemacht. Und nun ist es zu warm. 19 Grad im Tal. 12 Grad in | |
den Bergen. Die Slopestylerin Yuki Tsubota ist schwer gestürzt – weil die | |
Hindernisse zu anspruchsvoll und der Schnee dafür zu weich waren. Ihre | |
Geschwindigkeit reichte nicht aus, um in den Landebereich zu fliegen. Sie | |
schlug davor auf und rammte sich ihre Knie ins Gesicht. Kieferbruch. Auch | |
mit der Halfpipe gab es Probleme. Die Langläuferinnen und Langläufer | |
beschwerten sich ebenso. | |
Doch was viel schwerer wiegt: Es werden Ruinen hinterlassen in einer | |
Region, „in der die Leute noch nie Wintersport gesehen haben“, wie es die | |
russische Eisschnellläuferin Jevgenija Dmitrijeva schon vor den Spielen am | |
Rande ihres Trainings sagte. Die Eisschnelllaufhalle wird deshalb nach den | |
Spielen zu einer Messehalle. Wie in dieses entlegene Stück Russlands große | |
Kongresse gelockt werden sollen? Wer weiß das schon. So sieht es auch mit | |
den 40.000 Hotelbetten aus. Oder dem Freiluftstadion, das nur noch einmal | |
bei der Fußball-WM 2018 wirklich gebraucht wird. Oder den vielen kleinen | |
Arenen. Oder dem Skigebiet in Krasnaja Poljana. Mehr als eine Million | |
Russinnen und Russen sollen dort pro Saison Skiurlaub machen, damit sich | |
das rentiert. | |
Der Staat wird nicht helfen. Putin hat deutlich gemacht, dass Sotschi nach | |
den Spielen sich selbst überlassen ist. | |
So werden bald die Kur-Besucher in den warmen Monaten wieder entspannt im | |
Schwarzen Meer baden. Das geht sogar im November noch ganz gut. Und | |
irgendwo da hinten werden sie dann ein Stadion und riesige Hotels an der | |
Küste sehen. Und die Achterbahnbögen des Freizeitparks daneben. Und sie | |
werden sich fragen: Wann waren diese Spiele nochmal? 2014? Waren | |
Winterspiele, oder? Und dann werden sie lachen und den Kopf schütteln – und | |
weiterplanschen. (JÜK) | |
JA: | |
Nicht das Wetter ist das Problem dieser Olympischen Winterspiele. | |
Klimatologische Umstände, frühlingshafte Temperaturen am Strand von | |
Sotschi, Bilder von Menschen, die ins Wasser des Schwarzen Meers | |
eintauchen, tauender, weicher Schnee in den kaukasischen Höhen von Krasnaja | |
Poljana - all diese Umstände spielen für die Bewertung dieser Spiele keine | |
Rolle. | |
Bei Winterspielen zählt nicht, dass der namensgebende Hauptort - nun eben: | |
Sotschi - in irgendwie äquatornahen Landschaften liegt, sondern dass er | |
auch ein nahes Gebirge zu bieten hat. Bei München wären das die Alpen, bei | |
Oslo die Regionen um Lillehammer und bei, nur hypothetisch, bei Valparaiso, | |
Chile, wären es die Anden. Auch Vancouver war vor vier Jahren keine | |
Metropole des Wintersports, aber nah bei, in Whistler Mountain, befinden | |
sich hochgelegene Gebiete, die winters schneebedeckt sind. | |
Relevant ist nur, dass eine Stadt genügend Hotelkapazitäten anbieten kann - | |
und ein Areal für Hallen, in denen Eishockey, Eisschnelllaufen und Curling | |
ausgetragen werden können. Wo diese stehen, ob in bergigen Höhen oder auf | |
Meeresspiegelhöhe, ist für das Sportliche an sich nicht interessant. | |
Tatsache ist, dass oberhalb von Sotschi der Kaukasus liegt, der bis Ende | |
März so beschneit ist, dass es auch auf den TV-Bildern, die uns seit einer | |
Woche erreichen, extrem schön aussieht: mit blauem Himmel und | |
Bergsilhouetten, denen gegenüber alles Alpine eher fade wirkt. Am | |
Donnerstag konnte man AthletInnen bei Wettkämpfen mit aufgekrempelten | |
Trikots und Sportreporter vom ZDF sehen, die in ihren Polohemden sommerlich | |
ausschauten. Dies als Beweis zur fundamentalen Kritik an Sotschi zu nehmen, | |
geht fehl. Das könnte nämlich auch in den Alpen der Fall sein, in den Rocky | |
Mountains oder selbst im russischen Chanty-Mansisk, hoch oben in Sibirien. | |
Für solche Fälle - wässrig werdender Schnee - gibt es gelegentlich | |
ökologisch fragwürdige, salzige oder chemische Hilfe: Und die ist im | |
Wintersport gut erprobt. Wer Winterspiele wie Winterromantik will, muss im | |
Märchenbuch verweilen - ist aber nicht finanzierbar. | |
Das Problem der Spiele von Sotschi ist also eines der Organisation: Haben | |
die russischen Veranstalter den Kunstschnee je pünktlich parat und zudem | |
das Vermögen, diesen dann zeitlich sinnvoll einzusetzen? Im Hinblick auf | |
Sotschi lief und läuft zu vieles schief. Ökologische Verschandelung von | |
Tallandschaften, Vertreibung von Menschen aus ihren Wohngebieten, in | |
Russland überhaupt ein Verständnis von Menschenrechten, das diese | |
lächerlich macht. Die Frage also lautet: Sollte das IOC die Lizenz für sein | |
Produkt, die Winterspiele, nur noch an demokratische Länder vergeben? (JAF) | |
13 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
Jan Feddersen | |
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