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# taz.de -- Kommentar Urteil Homoehe: Ätsch bätsch
> Kein Naturrecht mehr, keine Hinweise auf das Religiöse. Das
> Gleichstellungsurteil ist für Konservative wie Erika Steinbach oder
> Norbert Geis ein herber Schlag.
Bild: Grund zum Feiern!
Für Menschen wie Erika Steinbach oder Norbert Geis ist das ein sehr
schlechter Tag. Hoffnungen, dass das höchste Verfassungsgericht des Landes
ihnen gegen alle (rechtslogisch begründeten) Erwartungen entgegenkommt,
sind mit dem Spruch der Verfassungsrichtenden ausgelöscht worden:
Eingetragene LebenspartnerInnen müssen das Ehegattensplitting in Anspruch
nehmen können. Mehr noch: Sie können dies sogar rückwirkend tun – bis zum
1. August 2001, als das von den Rotgrünen konstruierte Gesetz in Kraft
trat.
Bitter ist dieser Tag für alle Traditions- und Fundamentalkonservativen
deshalb, weil sie die Welt, die sie kannten, die sie bestimmten, die sie
definierten, nicht wieder zurückerhalten werden: Mit der Zusprache des
Rechts auf die Nutzung des Ehegattensplittings für homosexuelle Paare ist
die einseitige, nur moralisch begründete Privilegierung heterosexueller
Ehen vorbei.
Sollte eines Tages versucht werden, diese Gleichberechtigung zu
erschüttern, würde das Verfassungsgericht immer den Bestandsschutz real
gelebter Homoehen mitbedenken. Das aber wäre erst recht nicht durchsetzbar,
weder juristisch noch gesellschaftlich.
Der Karlsruher Spruch widmet sich nur scheinbar einer finanziellen
Ungleichbehandlung. Denn tatsächlich stand Eingetragenen Lebenspartnern
nicht zu, die Fürsorgelast, die sie sich mit dem Ja vor dem Standesamt
eintrugen, steuerlich auszugleichen. Warum sollten nur heterosexuelle Paare
gemeinsam gerechnet werden, nicht jedoch homosexuelle? Einer trage des
anderen Last – in Form von Ausbildungszeiten oder der Arbeitslosigkeit:
Lesbische oder schwule Paare mussten füreinander aufkommen, konnten dies
aber nicht gegenrechnen mit dem Einkommen des oder der jeweils Anderen.
Karlsruhe sah das – wenn das Wort nicht so seltsam klänge, müsste man
sagen: natürlich – ebenso. Das Argument, das Ehegattensplitting sei eine
Erfindung, um heterosexuelle Familien mit Kindern zu fördern, stach schon
lange nicht mehr. Das Ehegattensplitting kam auch jenen Ehen zugute, die
keine oder nicht mehr versorgungspflichtige Kinder haben. Man könnte sagen:
Wenn die eheliche Beziehung, in der die kinderlose Kanzlerin lebt, in den
Genuss dieses Steuerprivilegs kommt – weshalb dann nicht auch schwule oder
lesbische Paare ohne eigenen Nachwuchs?
Für all die Steinbachs und Geis' dieser Republik ist das alles ein Tag, der
sie verzweifeln lassen muss. Hinweise auf Natur oder Naturrecht, auf das
Christliche oder Religiöse schlechthin, interessieren nicht mehr. Sie
empfinden wohl wie Männer vor 100 Jahren bei der Einführung des
Frauenwahlrechts: Wie kann sein, dass das schwache Geschlecht nun auch noch
mitbestimmen darf, was und wer gewählt wird? Ihnen ließe sich sagen: Die
Art, wie sie sich eine gute Gesellschaft vorstellen, leuchtet allenfalls
noch Minderheiten ein. Denn wem hat die Eingetragene Lebenspartnerschaft
schon etwas weggenommen?
Aber den Traditionskonservativen war und ist dieses Argument ein
ungeheuerliches: Ehe ist ihnen auch deshalb ein heilig anmutendes Gut, weil
sie als Auftrag galt, die heterosexuelle Ordnung zu schützen. Das
Ehegattensplitting als Belohnung für wenigstens nach außen gelebte
Heterosexualität: Das ist der Kern dieser Steuerbestimmung gewesen – und
den Steinbachs und Geis' muss man mitteilen: Sie können ihre sexuellen
Orientierungen schützen wie sie wollen – aber der Maßstab für das Große
Ganze ist nicht mehr in ihrer Macht.
Aber bleibt da noch was? Ja, einiges. Der Ausdruck „Eingetragene
Lebenspartnerschaft“ gehört abgeschafft. „Ehe“ als Wort reicht völlig.
Alles eine Frage der Gewöhnung, ja, entspannten Umcodierung. Möge es einen
solchen Dialog geben: „Ach, Sie heiraten? - Eine Frau oder einen Mann?“
Schließlich: Die Angst von queertheoretisch oder links gesinnten (meist
sehr jungen) Menschen, ob nun das heterosexuelle Konzept über die
Subversion der Homosexualität schlechthin gesiegt, ist eine verschobene
Furcht. Subversion als Konzept des Queeren ist schon immer ein
bürgerliches, ein zur klassischen Heterosexualität antipodisches Konzept
gewesen. Die Ehe von zwei Menschen ist eine Idee der Liebe (geworden).
Nicht mehr, nicht weniger. Glückwunsch allen, die über zwei Jahrzehnte an
diesen queeren Erfolgen, die Karlsruhe nun nobilitiert hat, mitgekämpft
haben. Das hat sich doch echt gelohnt!
6 Jun 2013
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Homo-Ehe
Ehegattensplitting
Karlsruhe
Familie
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