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# taz.de -- Kommentar Gedenken in Rostock: Geschichtsklitterung, 20 Jahre danach
> In seiner Gedenkrede an das Pogrom von 1992 vermeidet es Bundespräsident
> Gauck, konkrete Verbindungen zur Gegenwart zu ziehen. Und in der FAZ
> werden Täter zu Opfer.
Bild: Im Hintergrund: die Demo „Das Problem heißt Rassismus“.
Das Pogrom von Lichtenhagen liegt zwanzig Jahre zurück. Zum Gedenken singen
Kinderchöre Lieder aus aller Welt, ein Priester, ein Pfarrer und ein Imam
sind zugegen, und auch Joachim Gauck reiste nach Rostock. Der
Bundespräsident erklärt die fremdenfeindlichen Ausschreitungen von damals
zum „Brandmal“. Markig fordert der gebürtige Rostocker das für eine
Demokratie Selbstverständliche.
Nämlich: einen „wehrhaften Staat“, der sich das Gewaltmonopol niemals aus
der Hand nehmen lassen dürfe. Auch Solidarität, die über Erinnerungsfeiern
hinausreiche, sei vonnöten. Dabei ließ er sich nicht von „Linksautonomen“
stören, die „Heuchelei“ in sein Mahnen hineinriefen, rief, an die Adresse
der Rechtsradikalen gerichtet, man habe keine Angst vor diesen.
Das hört sich ganz ordentlich an. Aber es bleibt ein fader Beigeschmack.
Denn von Gauck fällt kein Wort über das Versagen der staatlichen
Sicherheitsbehörden auch bei anderen rechtsradikalen Vorfällen. Stichwort
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), zehn bis heute unaufgeklärte
Morde, einer davon in Rostock.
Gauck vermeidet es, konkrete Verbindungen zur Gegenwart zu ziehen. Daran
ändert sein Hinweis, „nicht irgendwie Gras“ über die Ereignisse wachsen zu
lassen, wenig. So wird das Gedenken in Lichtenhagen zum
Geschichtsunterricht, fern vom Rassismus im Jahre 2012. In den letzten
Tagen konnte man von vielen Lichtenhagener Zeitzeugen lesen, die gar nicht
daran denken, ihren Rassismus bedauerlich zu finden. Man solle aufhören,
sie mit dem Thema zu belästigen.
Mindestens genauso schlimm: Die beliebte Übung, Täter in Opfer umzudeuten,
erhielt jetzt Schützenhilfe von anderer Seite. So erläuterte der Chef der
Innenpolitik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die Verantwortung für das
schließliche Staatsversagen von damals trügen die „Sozialalchimisten und
Romantiker“. Mit ihrer Idee vom „neuen Deutschen“ hätten sie die „Spie…
unter Druck gesetzt, und dann passieren eben schlimme Dinge.
Siegesgewiss bricht der weltgewandte Meinungsmacher ein Tabu in unserer
angeblich so unerträglich linksalternativen Gesellschaft: Die stets zum
Scheitern verurteilte Idee vom deutschen Multikulturalismus ist die Ursache
des Rassismus hierzulande. Jawoll! So weit die Geschichtsklitterung in der
Mitte der Gesellschaft – ganz ohne Aktenschredder und Springerstiefel.
26 Aug 2012
## AUTOREN
Ines Kappert
## TAGS
Schwerpunkt Rostock-Lichtenhagen
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