| # taz.de -- Demo zu 20 Jahre Lichtenhagen: Rostock-Nachspiel in Berlin | |
| > Auf der Rückfahrt von Rostock-Lichtenhagen wurden am Wochenende in Berlin | |
| > viele Demonstranten aufgehalten und durchsucht. Das war rechtlich | |
| > fragwürdig. | |
| Bild: Da hielt sich die Polizei noch zurück: Gedenkkundgebung am Samstagvormit… | |
| BERLIN taz | Ein Verbrechen in einem Zug, das Opfer ist verschwunden, alle | |
| Mitreisenden sind verdächtig, der Kommissar drängt die Fahrgäste so lange | |
| in die Ecke, bis er den Täter hat. Was sich wie ein Szenario aus der Feder | |
| Agatha Christies liest, wurde Samstagnacht unangenehme Realität für mehrere | |
| hundert Rückreisende aus Rostock-Lichtenhagen. | |
| Am Nachmittag noch hatten mehrere Tausend Demonstranten auf einer | |
| Demonstration durch den Rostocker Nordwesten zum Lichtenhäger | |
| Sonnenblumenhaus an das Pogrom vom August 1992 erinnert. Nach | |
| übereinstimmenden Angaben von Polizei, Teilnehmern und Veranstaltern | |
| verliefen Kundgebung und Demonstration ohne bemerkenswerte Zwischenfälle. | |
| Für eine größere Gruppe Rückreisender jedoch wurde die Nacht noch | |
| unangenehm lang. Im letzten Zug aus Rostock in Richtung Berlin wurde kurz | |
| vor Ankunft im mecklenburgischen Neustrelitz von Unbekannten eine Glastür | |
| zertrümmert. Das Zugpersonal meldete diesen Vorfall an die in Neustrelitz | |
| stationierte Landespolizei, die den entsprechenden Wagon gegen 22.15 Uhr | |
| für etwa 20 Minuten durchsuchte und die Personalien von drei Mitreisenden | |
| aufnahm. | |
| Was für die Fahrgäste wie eine unangenehme, aber kurze Episode in einem | |
| vollen Zug wirken musste, wuchs sich einige Zeit später im Berliner Bahnhof | |
| Gesundbrunnen zu einer mehrstündigen polizeilichen Maßnahme aus, in deren | |
| Verlauf über mehr als drei Stunden die Personalien einer unbekannten Zahl | |
| von Personen aufgenommen und knapp 100 Fahrgäste zusätzlich komplett | |
| durchsucht und von den Beamten fotografiert wurden. | |
| ## Körperverletzung ohne Opfer | |
| Anlass war nun nicht mehr allein die Sachbeschädigung im Zug. Nach Auskunft | |
| der Bundespolizei hatte auf dem Bahnhof in Neustrelitz eine Person eine | |
| nicht näher beschriebene Körperverletzung im Zug beobachtet und habe diese | |
| in Berlin-Gesundbrunnen zur Anzeige gebracht. Weder Täter noch Opfer der | |
| mutmaßlichen Körperverletzung konnten bislang ausfindig gemacht werden. | |
| Katharina König, Thüringer Landtagsabgeordnete der Linkspartei und | |
| Unterstützerin des Bündnisses, das die Demonstration in Lichtenhagen | |
| organisiert hatte, meint konsterniert: „Ich finde überhaupt keine Erklärung | |
| für dieses Vorgehen der Polizei. Wenn es sich letztlich nur um eine | |
| eingeworfene Scheibe handelt, wäre das Vorgehen doch absolut | |
| unverhältnismäßig“. | |
| Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung ergänzt: „Wie viele | |
| rassistisch motivierte Gewalttaten sind nie aufgeklärt worden, weil die | |
| Polizei sich sogar weigerte, die Anzeigen aufzunehmen – und dann so etwas.“ | |
| ## Eingriff in die Versammlungsfreiheit | |
| Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein schlägt den Bogen noch | |
| weiter. Die Maßnahme sei nach allen vorliegenden Informationen nicht | |
| geeignet, zu einem erfolgreichen Strafverfahren zu führen und deshalb ein | |
| ungerechtfertigter Eingriff in die Versammlungsfreiheit. | |
| Da der Polizei bekannt war, dass die Reisenden Teilnehmer der Demonstration | |
| in Lichtenhagen waren und die An- und Rückreise zu Demonstrationen unter | |
| den Schutz des Versammlungsrechts fallen, könnten nicht wegen einer vagen | |
| Aussage über eine mutmaßliche Körperverletzung die Daten von 95 Personen | |
| jeden Alters und Geschlechts erhoben werden. „Wäre dieser Schutz nicht | |
| gegeben, könnte man ja nur genau dort sicher demonstrieren gehen, wo man | |
| wohnt. Das wäre ja völlig absurd“, erklärte der Verein gegenüber der taz. | |
| Wenn der Zeuge mutmaßliche Täter so unzureichend beschreibe, dass einfach | |
| jede Person im Zug verdächtig sei, könne außerdem davon ausgegangen werden, | |
| dass eine Aufklärung einer Straftat, mit unbekanntem Opfer, praktisch | |
| ausgeschlossen sei. Es bleibt die Frage, warum die Durchsuchungen also in | |
| diesem Umfang erfolgt sind. | |
| Anetta Kahane meint dazu: „Ob beabsichtigt oder nicht, hier bleibt der | |
| bittere Beigeschmack, dass es sich um einen gezielten Einsatz gegen | |
| Menschen handeln könnte, die ihre Solidarität mit den Opfern des Rostocker | |
| Pogroms zeigen und dabei auch gegen die sträfliche Untätigkeit der Polizei | |
| im Angesicht der Gefährdung von Menschenleben demonstriert haben.“. | |
| 28 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniél Kretschmar | |
| ## TAGS | |
| Ultras | |
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