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# taz.de -- Zettelwirtschaft statt QR-Code und App: Renitentes Dagegenhalten
> Wenn man das Handy nur zum telefonieren nutzt und sonst gar nichts …
> Unser Autor setzt auf seine Zettelwirtschaft statt auf digitale
> Impfnachweise.
Bild: Das ganze Leben ist ein QR-Code! (Besucher eines Kunstmuseums in Stuttgar…
Seit gut einem halben Jahr trage ich zwei inzwischen völlig zerknitterte
und mit Fettflecken versehene Zettel mit mir herum. Vor Kurzem ist noch ein
dritter zu der Sammlung hinzugekommen. Ich rede von meinen
Impfzertifikaten. Jeder normale Mensch mit einem funktionierenden
Smartphone hat sich die QR-Codes, die auf diesen Wischen abgedruckt sind,
längst auf sein Handy geladen, schon klar. Nur ich nicht.
Ich benutze seit jeher mein Handy zum Telefonieren und sonst zu gar nichts.
Und das hat sich auch mit Corona nicht geändert. Ich mache damit keine
nutzlosen Selfies, verzichte aus nachvollziehbaren Gründen auf Google Maps
und brauche auch keine Wetter-App und sonstige unsinnigen Features für das
Mobiltelefon, mit denen andere sich ihr Leben zu vereinfachen meinen. Und
es mag viele überraschen, aber bislang kam ich mit dieser Form von
Technikverweigerung eigentlich ganz gut zurecht.
Es soll ja sogar Menschen geben, die haben nicht einmal ein Smartphone. Ich
kenne sogar ein paar Zeitgenossen dieser Sorte. Darunter auch einen sehr
geschätzten taz-Redakteur. Wenn der mit mir Kontakt aufnehmen will,
schreibt er mir zuerst eine E-Mail, in der steht dann zum Beispiel: „Ruf
mich mal bitte an.“ Und zwar auf seiner Festnetznummer zu Hause oder halt
in der Redaktion. Klingt umständlich, funktioniert aber ganz hervorragend.
## Smartphone-Verweigerer
Harte Smartphone-Verweigerer wie besagter taz-Redakteur machen es sich aber
inzwischen genauso schwer wie ich mit meiner zugegebenermaßen leicht
irrationalen Technikphobie, das ist mir schon klar. Andauernd muss ich
darauf achten, nicht bloß meine Maske eingesteckt zu haben, wenn ich das
Haus verlasse, sondern auch meine Impfzettel, die irgendwo in der Wohnung
herumflattern.
Möchte ich auch nur einen schnellen Döner im Stehimbiss zu mir nehmen, muss
ich diese umständlich aus der Jackentasche kramen und dem jedes Mal etwas
überfordert dreinblickenden Imbissmitarbeiter entgegenhalten. Bei
Institutionen wie etwa der Stadtbibliothek, die den QR-Code nicht bloß
sehen wollen, sondern auch noch scannen, meine ich zudem bei den
Mitarbeitern auch eine gehörige Portion Unwillen wahrzunehmen.
Alle anderen zücken beim Einlass einfach locker ihre Handys und ich krame
diese Papierknäuel heraus, die erst noch glattgestrichen werden müssen. Das
erleichtert deren Arbeit wahrscheinlich nicht unbedingt.
Und überhaupt: Beim Testcenter wird man ohne Smartphone in der Hand erst
einmal ungläubig angeschaut, dann wird einem seufzend ein Wisch mit seinen
persönlichen Daten ausgestellt. Anschließend darf man dann zur Strafe für
seine Renitenz in der Kälte auf das Ergebnis seines Coronatests warten,
während alle anderen im Vorbeigehen abgefertigt werden.
## Keine Teilhabe ohne Smartphone?
Mir wurde auch schon gesagt, lange gehe das sowieso nicht mehr so weiter
mit der Zettelwirtschaft. Ohne die entsprechende App auf dem Handy werde es
also bald so ähnlich sein, als sei man gar nicht geimpft. Teilhabe am
öffentlichen Leben, an Kultur und Freizeitspaß, werde es ohne ein
Smartphone demnach also bald kaum noch geben.
Ich bin gerade gar nicht informiert, wie besagter taz-Redakteur mit diesem
Umstand umgeht, von dem ich weiß, dass er gelegentlich ganz gerne
Live-Konzerte besucht. Vielleicht hält er es ja wie ich und sagt sich:
Solange Omikron durchrauscht, muss ich mich auch gar nicht unbedingt in
stickige Konzerthallen begeben, in denen sich das Virus bekanntlich
ziemlich wohl fühlt. Vielleicht spielt auch er auf Zeit, hofft, dass die
Welle bald wieder abflacht und dann: mal schauen.
Ich jedenfalls besorge mir die Tage erst einmal neue Impfnachweiszettel.
Weil die, die ich gerade besitze, kann man im aktuellen Zustand wirklich
niemandem mehr zumuten.
17 Jan 2022
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
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