# taz.de -- Zensur bei Winterspielen in Peking: Olympische Blase | |
> 100 Tage vor der Eröffnung der Winterspiele in Peking zeigen sich die | |
> Organisatoren zugeknöpft. Pressefragen werden nicht zugelassen. | |
Bild: Eisschnelläuferinnen im Test für die Winterspiele im Stadion in Peking | |
Am Mittwochmorgen gaben die Pekinger Organisatoren einen ersten | |
Vorgeschmack auf die kommenden Winterspiele, doch dieser ließ die | |
anwesenden Journalisten vor allem sprachlos zurück: Gegen Ende der | |
Pressekonferenz beim chinesischen Staatsrat nahmen die Experten schließlich | |
keine einzige Frage der ausländischen Presse an. Stattdessen lasen sie die | |
bereits vorgefertigten Antworten für die heimischen Staatsmedien vor. Die | |
Reaktionen im Raum reichten von „Farce“ bis hin zu „Trauerspiel“. | |
100 Tage vor den olympischen Winterspielen in der chinesischen Hauptstadt | |
steht nun zumindest [1][das grobe Pandemiekonzept fest.] Die | |
„Corona-Bubble“ wird wenig überraschend lückenlos sein: Alle Teilnehmer v… | |
Athleten bis hin zu freiwilligen Helfern müssen geimpft sein oder eine | |
21-tägige, zentralisierte Quarantäne absolvieren. | |
Innerhalb des Olympiakosmos wird zudem täglich getestet. Zudem wird jeder | |
von ihnen „streng von der äußeren Gesellschaft separiert“, wie Pekings | |
Vize-Bürgermeister Zhang Jiandong am Mittwoch schildert. Auf diesem Wege | |
werde erstmals bei Olympischen Spielen seit Ausbruch der Pandemie | |
heimisches Publikum zugelassen, internationalen Zuschauern sowie Sponsoren | |
bleibt der Zutritt nach China verboten. | |
Dass die Chinesen keine einzige Infektion dulden werden, wird dieser Tage | |
mehr als deutlich: Gestern riegelten die Behörden wegen einer Hand voll | |
Fälle eine Dreieinhalb-Millionen-Metropole ab. Doch auch wenn | |
Regierungsvertreter Zhang Covid-19 als „größte Herausforderung“ für die | |
Organisation nennt, dürfte der chinesischen Staatsführung doch die | |
aufkeimende Boykottdebatte wegen der Menschenrechtsverbrechen im Land | |
mindestens ebensolche Kopfschmerzen bereiten. | |
## Aus der Öffentlichkeit ausradiert | |
Anstatt sich allerdings inhaltlich [2][mit den Anschuldigungen] – | |
Internierungslager in Xinjiang, Unterdrückung der Zivilgesellschaft in | |
Hongkong – auseinanderzusetzen, blockt die Volksrepublik stattdessen | |
vollkommen ab. Diese Woche zeigte sich dies geradezu beispielhaft, als der | |
staatenlose NBA-Basketballer Enes Kanter auf seinem Twitter-Account Chinas | |
Regierung für seine Unterdrückung in Tibet und Xinjiang kritisierte. Er | |
wurde daraufhin innerhalb einer Stunde vollständig aus der Öffentlichkeit | |
ausradiert: Sein Name lässt sich auf chinesischen Onlineplattformen nicht | |
einmal mehr suchen. | |
Doch auch der politisch harmlosen Vorberichterstattung über die | |
Vorbereitung der Spiele verweigert sich die Staatsführung. Fast alle | |
westlichen Medien sind trotz monatelanger Anfragen daran gescheitert, | |
offizielle Interviews zu ergattern oder bloß die Sportstätten zu besuchen. | |
Dabei können die sich mehr als sehen lassen: Die „Big Air“-Snowboarder | |
werden inmitten einer spektakulären Industriekulisse ihre Sprünge | |
vollbringen. Denn die überdimensionale Sprungschanze wurde neben einer | |
ehemaligen Stahlfabrik errichtet, die mittlerweile zu einem Kulturpark | |
umfunktioniert wurde. Die olympischen Souvenirläden stehen den Besuchern | |
dort schon offen, inklusive Stoffmaskottchen von Panda „Bing Dwen Dwen“. | |
Zudem lässt sich bereits erahnen, welch technologische Errungenschaften die | |
Chinesen während der Sportveranstaltung präsentieren: Die Busse sind alle | |
elektrobetrieben und fahren automatisch, genau wie einige Lieferkuriere. | |
Doch auch im „Shougang Park“ will niemand mit Reportern reden. „Ich bin | |
nicht autorisiert, Fragen zu beantworten“, sagt eine junge Frau, die um | |
ihren Hals ihren Mitarbeiterausweis des Olympischen Komitees trägt, ehe sie | |
hektisch verschwindet. | |
Eine halbe Stunde vom Pekinger „Shougang Park“ steht das | |
„Vogelnest“-Stadion, das man bereits von den Sommerspielen von 2008 kennt. | |
Dort werden die Athletinnen und Athleten während der Eröffnungszeremonie | |
einlaufen. Nur einen Steinwurf daneben ragt schließlich das Olympische Dorf | |
in die Luft: hochwertige 15-stöckige Apartmenttürme, die sich angenehm vom | |
brutalistischen Stadtbild abheben. | |
All dies lässt wenig Zweifel daran, dass Peking 2022 als die perfekt | |
organisierten Winterspiele einer wirtschaftlich, technologisch und | |
politisch aufstrebenden Weltmacht in die Geschichtsbücher eingehen werden. | |
Doch ebenso klar ist bereits jetzt, dass sie auch als Spiele in Erinnerung | |
bleiben werden, in denen bloßes Nachfragen nicht erlaubt ist. | |
27 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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