| # taz.de -- Wasserkrise in Venezuela: Erst der Strom, jetzt das Wasser | |
| > Nach wochenlangen Stromausfällen fehlt in Venezuela nun Trinkwasser. Der | |
| > Zusammenbruch der Versorgung liegt im System begründet. | |
| Bild: An Wasserausgabestellen wie dieser hier in Caracas kommt es manchmal soga… | |
| Caracas taz | Erst war es der elektrische Strom, in der Folge fehlt nun | |
| auch das Trinkwasser. [1][Venezuelas Krise verschärft sich immer mehr.] | |
| Das Trinkwasser für die über zweieinhalb Millionen Einwohner*innen von | |
| Caracas muss von verschiedenen Stauseen in die Stadt gepumpt werden. Einige | |
| von ihnen liegen 800 Meter tiefer als Caracas. Der Ingenieur Abraham | |
| Salcedo von der Universidad Central de Venezuela führt aus, dass die | |
| Wasserversorgung der Hauptstadt aufgrund der geografischen Verhältnisse | |
| eine ausgesprochen kostspielige Aufgabe ist. | |
| Dazu kommt, dass einige der vielen Hügel in der Stadt sehr stark bebaut und | |
| bewohnt sind – ein großer Teil der Bevölkerung lebt auf einer Höhe von | |
| 1.000 Metern über dem Meeresspiegel. Sie mit Trinkwasser zu versorgen ist | |
| noch schwieriger angesichts dessen, dass die Versorgung praktisch kostenlos | |
| ist, wie auch Gas, Strom und Benzin. Der Zusammenbruch liegt schon im | |
| System begründet. Irgendjemand wird irgendwann die politischen Kosten dafür | |
| auf sich nehmen müssen, das zu ändern. | |
| [2][Die Krise der Stromversorgung, die derzeit das Land erschüttert], kommt | |
| dazu. Denn in allen Mehrfamilienhäusern braucht man Strom, um das Wasser | |
| von den Tanks in die Wohnungen zu pumpen. Das gleiche gilt für | |
| Erziehungseinrichtungen und Bürogebäude und verschärft sich noch in | |
| Krankenhäusern und privaten Gesundheitszentren. | |
| ## Es kommt zu Konfrontationen mit der Polizei | |
| In Folge der häufigen Stromausfälle der letzten Wochen ist die Lage immer | |
| schlimmer geworden. Die Folge waren Proteste der Unzufriedenheit, die zu | |
| Konfrontationen mit der Polizei führten. Es gab bereits zahlreiche | |
| Verletzte und einige Todesopfer. | |
| Die Regierung Maduro hat einen ihrer Minister verkünden lassen, die | |
| Stromversorgung für die Dauer von 30 Tagen zu rationieren. Und eine Flotte | |
| von Tanklastwagen bemüht sich, die am stärksten betroffenen Viertel mit | |
| Trinkwasser zu versorgen. Aber alle Anstrengungen können das Wasser aus dem | |
| Hahn in der eigenen Wohnung nicht ausgleichen – Unzufriedenheit und | |
| Aggressivität steigen von Tag zu Tag. | |
| Der 48-jährige Gabriel Hermoso lebt in einer geräumigen Dreizimmerwohnung | |
| in einem Mittelklasseviertel von Caracas. Vor ein paar Monaten hat seine | |
| Mutter das Land verlassen – wie sehr viele Venezolaner*innen lebt sie jetzt | |
| in Panama, auf der Suche nach der verlorengegangenen Normalität. Gabriel | |
| ist privilegiert: Er hat ein gutes Auto, und das erleichtert ihm die | |
| Wasserbeschaffung, die zu Fuß oder mit dem öffentlichen Nahverkehr eine | |
| Herkulesaufgabe wäre. Viele Autos stehen still, weil es kaum Benzin gibt, | |
| keine Ersatzteile, und weil die Straßen in immer schlechterem Zustand sind. | |
| ## Zehn Kilometer zur nächsten Wasserquelle | |
| Gabriels Wasserquelle liegt etwa zehn Kilometer von seiner Wohnung | |
| entfernt. Dort war früher eine von Nonnen geleitete Erziehungsanstalt, | |
| jetzt steht das Gelände leer. Aber in den Tanks gibt es noch beträchtliche | |
| Mengen Wasser. Am Eingang des Geländes steht ein Militärposten, hinter | |
| Sandsäcken verschanzt, wohl um Plünderungen zu verhindern. Sie machen eine | |
| Ausnahme und lassen Gabriel durch. Drinnen muss er warten, vor ihm sind | |
| noch andere. Nach einer halben Stunde ist Gabriel an der Reihe und füllt | |
| rasch Behälter um Behälter. Er muss sich beeilen, denn er will auf jeden | |
| Fall im Hellen zurückkehren – in der Dunkelheit ist es draußen zu | |
| gefährlich. | |
| Irgendwann sind seine zwanzig Kanister gefüllt. Fünf Liter fasst jeder, so | |
| dass er mit 100 Litern Wasser zurückkehrt. Den Ort hat er über einen | |
| ehemaligen Angestellten der Erziehungsanstalt kennengelernt – es ist keiner | |
| jener öffentlichen Plätze, die die Regierung für die Bevölkerung zum | |
| Wasserholen eingerichtet hat. Da stehen immer sehr lange Schlangen, die | |
| Menschen werden ungeduldig, nicht selten kommt es zu Prügeleien. | |
| Gabriel ist froh, dass es keine Schwierigkeiten gab und fährt zufrieden | |
| nach Hause. Aber in ein paar Tagen muss er wieder los, wenn das Wasser | |
| verbraucht ist. Zu Hause wird er das Wasser aufkochen, um Keimen | |
| vorzubeugen. Zudem hat er noch eine Waschschüssel aus den alten Zeiten, als | |
| fließendes Wasser im Haus noch nicht üblich war. Er macht vor, wie man | |
| damit duscht: Ein kleines Schälchen Wasser schüttet er langsam über den | |
| Kopf, von dort aus benässt es den ganzen Körper. | |
| Im Fernsehen gab es neulich eine Reportage über Orte, an denen sich | |
| Venezolaner während der Wasserkrise waschen: eigentlich überall, wo ein | |
| bisschen Wasser irgendwo fließt. Die Behörden weisen zwar auf die | |
| Gesundheitsgefahren hin, aber die Notlage wiegt schwerer als die Vorsorge. | |
| In den Nachrichten wird von Orten berichtet, die fast drei Wochen ohne | |
| Trinkwasser waren. | |
| ## Die Wasserkrise schadete der Opposition | |
| Für Gabriel ist all das eine großes Manöver der Regierung. [3][Dank der | |
| Krise bei Strom und Wasser] ist die Opppositionswelle von Januar und | |
| Februar zum Erliegen gekommen, die damals für die Regierung bedrohlich | |
| angeschwollen war. | |
| Shirley Chinea ist eine sympathische junge Frau, die sich eine Wohnung mit | |
| ihrer Mutter und ihrer gerade erst achtjährigen Nichte teilt. Sie wohnt in | |
| einer der am heftigsten von der Krise betroffenen Gegenden der Stadt, | |
| nämlich in Santa Fé, einem der höchstgelegenen Viertel von Caracas. | |
| Wann es Wasser gibt und wann nicht, ist immer eine Überraschung, also muss | |
| man rund um die Uhr wachsam sein, um den Augenblick nicht zu verpassen, an | |
| dem alle möglichen Behältnisse aufgefüllt werden können. Sie ist sauer auf | |
| die Regierung, denn ihrer Meinung nach liegt das alles nur an deren | |
| Unfähigkeit, die öffentlichen Güter zu verwalten. | |
| Es waren auch schon manchmal drei oder vier Tage am Stück, an denen es kein | |
| Wasser gab. Sie mussten dann 20-Liter-Kanister kaufen, aber deren Preise | |
| sind dank der Hyperinflation, unter der das ganze Land leidet, durch die | |
| Decke geschossen. Wie so viele andere sieht auch Shirley keine kurzfristige | |
| Lösung in Sicht. Sie und ihre Familie bereiten sich mental auf harte Zeiten | |
| vor. | |
| ## Sie gibt der Regierung die Schuld | |
| Die Regierung findet sie unerträglich. Sie glaubt nicht daran, dass alle | |
| Probleme nur durch die Aktionen der Opposition entstanden sind, erst recht | |
| nicht durch die Sanktionen von Donald Trump. Die, erinnert sie, gibt es ja | |
| erst seit Kurzem, aber Mangel, Arbeitslosigkeit, Rezession und ihre Folgen | |
| sind schon seit 2015 zu spüren. | |
| Wie in anderen Wohngebieten sind die Menschen auch in Shirleys Viertel dazu | |
| übergegangen, Tankwagen anzumieten, um die Wassertanks der Häuser | |
| aufzufüllen. Aber das wird jeden Tag schwieriger, weil die Fuhrleute dazu | |
| übergegangen sind, die Preise in US-Dollar zu berechnen und jedes Mal ein | |
| bisschen mehr zu verlangen: 100, 150, 200 Dollar alle zwei oder drei Tage | |
| für eine Tankfüllung – das wird zur teuflischen Spirale und führt immer | |
| wieder auch zu heftigen Konflikten zwischen den Bewohnern. Denn irgendeinen | |
| gibt es immer, der das Wasser zum Autowaschen verschwendet oder irgendetwas | |
| anderes damit macht, was nicht so dringend ist. | |
| Die Ärztin María Graciela López, Vorsitzende der Venezolanischen | |
| Gesellschaft für Infektionskrankheiten, hat die Bevölkerung der Hauptstadt | |
| schon mehrmals aufgerufen, das Wasser vor dem Verzehr stets zu kochen, | |
| egal, wo es herkommt, um Durchfallerkrankungen zu vermeiden, an denen schon | |
| jetzt viele Neugeborene und Kleinkinder sterben. Wurm- und | |
| Salmonellenbefall und Hepatitis A, alle verursacht durch schlechte | |
| Trinkwasserqualität, treten immer häufiger auf, hat sie beobachtet. Die | |
| Behörden veröffentlichen schon seit 2016 keine epidemologischen Daten mehr. | |
| Übersetzung Bernd Pickert | |
| 5 Apr 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Oscar Torres | |
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