# taz.de -- Was macht eigentlich …? (Teil 9): Viethaus: eine seltsame Geschic… | |
> Mit Kultur machte das Viethaus nicht von sich reden, eher mit | |
> Veranstaltungen der Neuen Rechten, mit Mauscheleien und diplomatischen | |
> Tricks der Verantwortlichen. | |
Bild: Traurige Ende: Das Viethaus am Spittelmarkt, 2008 eröffnet und 2018 gesc… | |
Ende 2018 schloss das Viethaus am Spittelmarkt in Berlin. Das Gebäude, das | |
in den letzten Jahren ein trostloses Dasein gefristet und hauptsächlich als | |
Ort von Veranstaltungen der extremen Rechten Schlagzeilen gemacht hatte, | |
war 2008 als das größte Geschäfts- und Kulturhaus Vietnams außerhalb seiner | |
Landesgrenzen feierlich durch den damaligen Wirtschaftssenator Harald Wolf | |
(Linke) eröffnet worden. | |
Der Betreiber Sasco, eine Tochterfirma der vietnamesischen Fluggesellschaft | |
Vietnam Airlines, hat das elf Jahre lang betriebene Haus in einem solchen | |
Zustand hinterlassen, dass die Wohnungsbaugesellschaft Mitte nach Angaben | |
ihres Sprechers Christoph Lang Strafanzeige wegen Sachbeschädigung gestellt | |
hat. Anwohner berichten von mitsamt den Fliesen aus der Wand | |
herausgerissenen Toiletten- und Spülbecken, die an vietnamesische | |
Restaurants verkauft wurden, sowie von einem riesigen Schuttplatz vor dem | |
Haus. | |
Bei der Eröffnung 2008 wurde eigens das vietnamesische Nationalensemble | |
eingeflogen. Der stellvertretende Direktor Thomas Grätsch schwärmte damals | |
gegenüber der taz von Filmvorführungen vietnamesischer Filme mit deutschen | |
und englischen Untertiteln, von Kunstausstellungen und einem Spa-Bereich | |
mit fernöstlichen Massage- und Entspannungstechniken und feinstem | |
vietnamesischem Kunsthandwerk, der sich von billigem Massenkitsch Made in | |
Asia unterscheiden sollte. Eine Art vietnamesisches Goethe-Institut sollte | |
das Viethaus werden. Doch die Finanzierung war von Anfang an unklar. | |
Eingefädelt hatte das Projekt der erste Direktor des Viethauses, Xuan Hung, | |
ein Künstler, der als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen, mit einem | |
Projekt dieser Größe aber überfordert war. Seine Vision: Eine ordentliche | |
Finanzspritze aus Vietnam sollte das Viethaus zum Laufen bringen. Zwei | |
Restaurants, Hotel und Konferenzräume sollten die Gelder einspielen, die | |
die Kultur kostet. | |
## Der Spa-Bereich wurde nie eröffnet | |
Was Xuan Hung nicht bedacht hatte: Die Restaurants mussten mit der | |
Gastronomie in der Nachbarschaft in Mitte konkurrieren, die keine Kultur zu | |
subventionieren brauchten. Eines der Restaurants hatte zudem nicht einmal | |
eine Heizung, sodass es im Winterhalbjahr immer geschlossen war. Der | |
großspurig angekündigte Spa-Bereich wurde nie eröffnet, weil das Geld für | |
den Bau nicht mehr floss. | |
Aber Hung hatte beste Kontakte: Sein Bruder war Chef der staatlichen | |
Fluggesellschaft Vietnam Airlines. So war es sicher kein Zufall, das mit | |
Sasco eine Tochterfirma von Vietnam Airlines Hauptinvestor der Viethaus AG | |
wurde und der Bruder des Airline-Chefs damit seine Spielwiese in Berlin | |
bekam. Die bekamen auch ein paar angebliche vietnamesische Spitzenköche, | |
die nun mit einem Visum nach Berlin reisen durften. Spitzenmäßig kochten | |
sie allerdings ganz und gar nicht. | |
Nachdem Vietnam Airlines sich von seinem Chef getrennt hatte, verlor auch | |
Hung 2010 den attraktiven Job in Berlin. Der neue Viethaus-Direktor und | |
sein Gefolge kamen direkt aus Vietnam und hatte kein Interesse mehr, in | |
Berlin vietnamesische Kultur zu vermitteln. Fortan sollte das Viethaus vor | |
allem Verwandten hoher Funktionäre in Vietnam die Chance auf ein paar | |
schöne Jahre in Berlin geben, als angebliche Spitzenköche oder | |
Büromitarbeiter ohne Fremdsprachkenntnisse und ohne Kenntnisse über die | |
deutsche Hauptstadt. | |
Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte das Viethaus bereits Berliner Gerichte. | |
Denn es zahlte mehreren Mitarbeitern weder Gehälter noch | |
Sozialversicherungsbeiträge und schuldete auch Auftraggebern Geld. Doch | |
nicht jeder konnte wie der entlassene Kulturmanager Hung Manh Le | |
ausstehende Gehälter vor dem Arbeitsgericht einklagen. Wer keinen | |
schriftlichen Arbeitsvertrag hatte oder eigens aus Vietnam zum Arbeiten | |
eingeflogen war, traute sich das nicht. Die neu eingereisten Köche und | |
Kellner, die viel Geld für die Möglichkeit gezahlt hatten, hier arbeiten zu | |
dürfen, mussten andernorts schwarz etwas verdienen. In der Folge blieb die | |
Küche öfter mal kalt. Selbst Gäste, die für Feiern ein Buffet bestellt | |
hatten, blieben vor verschlossener Tür. | |
## Veranstaltungen des neurechten Compact-Magazins | |
Qualifizierte Mitarbeiter mit deutschen Sprachkenntnissen und Zugang zur | |
Berliner Kulturszene verließen das Haus. Als es 2014 im Viethaus brannte, | |
mussten Besucher des nahen Spielplatzes die Feuerwehr rufen, weil niemand | |
vom Personal dazu in der Lage war. Das neue Personal war der | |
Aufnahmegesellschaft gegenüber gleichgültig. Doch was tun mit wunderschön | |
eingerichteten Konferenzsälen, in denen ursprünglich Filme gezeigt, Kultur | |
präsentiert und Verträge geschlossen werden sollten? Wenn sie nicht gerade | |
für vietnamesische Hochzeitsfeiern vermietet wurden oder Vietnams Politiker | |
sich am Rande von Staatsbesuchen hier mit Landsleuten trafen, standen die | |
leer. | |
Das Viethaus sah nicht so genau hin, an wen es die Säle dann doch | |
gelegentlich vermietete: Von 2011 bis 2016 war es Ort regelmäßiger | |
Veranstaltungen des neurechten Compact-Magazins, das andernorts nicht so | |
leicht Räume fand. Eingeladen waren beispielsweise Karl-Heinz Hoffmann von | |
der Wehrsportgruppe Hoffmann, Pegida-Mann Lutz Bachmann, der damalige | |
AfD-Rechtsausleger André Poggenburg und Martin Sellner von der Identitären | |
Bewegung aus Österreich. Veranstalter Jürgen Elsässer, ein neurechter | |
Journalist, dankte an seinem Stehpult zwischen Säulen mit asiatischen | |
Drachen „dem sozialistischen Vietnam und der Regierung des sozialistischen | |
Vietnam“, dass es ihm und seinen Anhängern trotz Protesten der | |
Zivilgesellschaft vor dem Haus gegen die Veranstaltung „hier ein Refugium | |
für Meinungsfreiheit und für Standpunkte“ bot, „die anderswo in dieser | |
Republik verfolgt werden“. | |
Die vietnamesische Botschaft in Deutschland ließ alle Fragen der taz zu | |
diesem Thema unbeantwortet. Nach Recherchen der Mobilen Beratung gegen | |
Rechtsextremismus Berlin fanden ab 2017 keine Vermietungen mehr an | |
Rechtsextreme statt. Hier waren wohl regelmäßige Kundgebungen der | |
Zivilgesellschaft und der Antifa vor dem Haus ausschlaggebend für ein | |
Umdenken gewesen. | |
2011, es war das Jahr, wo die Compact-Veranstaltungen im Viethaus begannen, | |
musste sich die Bundesregierung auf großer Bühne mit dem Haus befassen. | |
Angela Merkel besiegelte in Hanoi die sogenannte strategische Partnerschaft | |
mit Vietnam. Im Protokoll verpflichtete sich Deutschland auch zur | |
„Unterstützung des Viethaus-Projektes in Berlin“ – eines Hauses, das lä… | |
dabei war, sich vom Kulturstandort zum rechtsextremen Treff zu entwickeln. | |
Eine finanzielle Unterstützung hat es nach Angaben des Auswärtigen Amtes | |
allerdings nie gegeben. | |
## Neue Schulden, neue Ermittlungsverfahren | |
Das großzügig und durchaus geschmackvoll gestaltete Restaurant mit | |
allerfeinsten vietnamesischen Markenmöbeln stand meist leer. Es sei denn, | |
Reichsbürger hielten hier ihre Treffen ab: Auch sie fanden anderswo in | |
Berlin keine Räume. | |
Die Viethaus AG hatte immer mehr Schulden und wurde 2013 von einem | |
Insolvenzverwalter aufgelöst. Im Mietvertrag stand nun Sasco, die | |
Tochterfirma von Vietnam Airlines. Sie betrieb weiterhin Restaurant, Hotel | |
und Konferenzräume und bot den Vertretern der extremen Rechten in | |
Deutschland Räume. | |
Bald gab es neue Schulden bei Lieferanten und Handwerkern, neue | |
Ermittlungsverfahren, beispielsweise wegen nicht gezahlter Sozialabgaben. | |
Und eine Gläubigergemeinschaft wandte sich 2017 sogar an das Auswärtige | |
Amt, was dieses der taz bestätigt. „Das Viethaus ist zwar eine | |
Aktiengesellschaft nach hiesigem Recht“, sagt eine Beteiligte der | |
Gläubigergemeinschaft der taz. „Doch es hat sich immer auf eine Art | |
exterritorialen Status berufen, als sei es eine diplomatische Vertretung. | |
Und es wurde von einem Vietnamesen anwaltlich vertreten, der keine | |
Zulassung in Deutschland hat“, so die Beteiligte weiter. | |
Eine Anwohnerin bestätigt, „dass Diplomatenfahrzeuge öfter mal auf dem | |
Gehweg oder im Halteverbot parkten, die Polizei war da machtlos“. | |
## Von Misswirtschaft keine Rede | |
2018 hatte sich die Regierung in Hanoi zweimal mit dem Viethaus | |
beschäftigt. In einem öffentlichen Bericht vom Januar wird das Haus unter | |
rein fiskalischen Gesichtspunkten beschrieben. Von Kultur ist keine Rede | |
mehr. Dort steht, in zehn Jahren hätte das Haus 7 Millionen Euro Umsatz | |
gemacht – nicht einmal die Hälfte der für Bau und Miete angefallenen | |
Kosten. Als Grund der Verluste nennt der Bericht die hohen Mieten in Berlin | |
und unerwartete Reparaturen. Von Misswirtschaft ist keine Rede. | |
Von der Insolvenz des Betreibers hat dem Bericht zufolge die Regierung in | |
Hanoi nicht etwa auf dem Dienstweg, sondern lediglich gerüchteweise durch | |
Dritte erfahren. In einem zweiten Bericht vom Juni wird die staatseigene | |
Firma aufgefordert, mit der Bundesregierung über günstige Mieten und | |
langfristige Visa für Mitarbeiter zu verhandeln oder andernfalls das | |
verlustreiche Unternehmen aufzugeben. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes | |
gab es allerdings weder Gespräche noch finanzielle Zuwendungen. | |
14 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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