# taz.de -- Waldbrände in Brandenburg: „Das ist eine Mammutaufgabe“ | |
> Es brennt immer weiter in Brandenburg. Was dagegen getan werden muss und | |
> kann, weiß der Waldbrandschutzbeauftragte des Landes, Raimund Engel. | |
Bild: Trotz Löscharbeiten: 65 Hektar Wald sind in der Lieberoser Heide bereits… | |
taz: Herr Engel, an wie viele Stellen [1][brennt es heute], Mittwochmorgen | |
in Brandenburg? | |
Raimund Engel: Im Moment haben den Großbrand in der Lieberoser Heide, der | |
sich bis heute leider noch mal auf jetzt 65 Hektar ausgeweitet hat. Daneben | |
gab es nur einige kleinere Brände. | |
Also ist die Situation insgesamt gar nicht so dramatisch? | |
Naja, heute Vormittag ist es nicht so sonnig, aber das heißt noch gar | |
nichts. Wir haben aktuell frischen, böigen Wind, und da kann es schnell | |
gehen, dass ein Feldbrand, der vielleicht durch einen Maschinenschaden | |
entstanden ist, oder ein Feuer durch eine aus dem Autofenster geworfene | |
Zigarettenkippe in den Wald hineinläuft. Morgen erwarten wir ja auch ein | |
Regengebiet, aber die paar Schauer werden schnell verdunsten, eine | |
Durchfeuchtung des Bodens findet da nicht statt. | |
Sie machen auch die Sonne verantwortlich für die Brandgefahr? | |
Nur insofern, als sie die Temperaturen dann doch sehr schnell auf 30 Grad | |
und mehr steigen lässt. Die Wahrscheinlichkeit für einen Brand steigt dann, | |
auch wenn es natürlich nicht der eine bestimmende Faktor ist. Man muss das | |
Zusammenspiel betrachten zwischen Trockenheit, Luftfeuchtigkeit, Temperatur | |
und Wind. | |
Ist 2022 ein Waldbrand-Rekordjahr? | |
Also bis zum 6. Juli haben wir schon über 300 Brände gehabt, das ist schon | |
eine Nummer. Im gesamten Jahr 2021 hatten wir dagegen 168 Brände, 302 im | |
Jahr 2020, im Jahr 2019 waren es 429 und im Dürrejahr 2018 ganze 512. Der | |
bisherige Rekordhalter, wenn man diesen Begriff überhaupt verwenden sollte, | |
war das Jahr 2003, da haben wir in Brandenburg sage und schreibe 679 | |
Waldbrände verzeichnet. | |
Wobei die jeweils vernichtete Fläche ja ganz unterschiedlich sein kann. | |
Natürlich sind die Brandflächen unterschiedlich groß. Das Wort “vernichtet… | |
sollte man nicht pauschal verwenden, denn nicht jeder Brand hat dieselben | |
Folgen. Nach einem reinen Bodenfeuer etwa kann die Fläche schon nach zwei | |
Wochen wieder grün sein, bei einem Vollfeuer ist das natürlich anders. | |
Bei Lieberose haben wir so ein Vollfeuer, oder? | |
Dort ist die Situation eine besondere: Es handelt sich um eine Senke: das | |
Moorgebiet “Große Zehme“, ein besonders geschütztes Totalreservat. Dass | |
solche wertvollen Biotope beschädigt werden, wollen wir auf keinen Fall, | |
aber diese Moore sind zumindest im oberen Teil trocken gefallen – wenn das | |
anfängt zu brennen, ist es nur schwer unter Kontrolle zu bringen. | |
Altmunition ist auch hier ein Problem? | |
Ja, wir sind da unmittelbar am Rand eines alten Schießplatzes, den die | |
russische Armee bis zu ihrem Abzug Anfang der Neunziger genutzt wurde. Dort | |
liegt zum Teil sogar panzerbrechende Munition herum, das ist höchst | |
gefährlich. | |
Warum werden denn diese Munitionsbelastungen nicht so schnell wie möglich | |
geräumt? | |
Also Brandenburg ist groß, und hier gibt es nicht nur Übungsplätze aus | |
DDR-Zeiten, sondern auch Altlasten von den Kampfhandlungen des Zweiten | |
Weltkriegs. Das alles zu entfernen, ist eine Mammutaufgabe, die das Land | |
gar nicht alleine stemmen kann. Wir müssen da Prioritäten setzen und fangen | |
eben erst einmal damit an, die Wege freizuräumen, damit die Feuerwehren | |
grundsätzlich Zugang haben. In der Fläche ist das noch lange nicht möglich, | |
und ich verstehe jeden Einsatzleiter, der sagt: Ich schicke keine Kameradin | |
und keinen Kameraden in diese Flächen, da geht die Sicherheit vor. | |
Wie oft ist Brandstiftung die Ursache für einen Brand? | |
Das ist leider oft schwer nachweisbar, am ehesten dann, wenn man | |
Brandbeschleuniger findet oder Brandherde, die nur wenige Meter voneinander | |
entfernt sind. In der diesjährigen Statistik haben wir bei 120 Bränden | |
“unbekannte Ursache“ eingetragen, bei weiteren hundert gibt es Hinweise auf | |
fahrlässige Brandstiftung – etwa weil der Brand von einer Straße ausging. | |
12 Brände waren auf Blitzschlag zurückzuführen, aber bei mehr als 70 | |
Bränden gibt es tatsächlich den begründeten Verdacht auf Vorsatz. Ein | |
großer Teil davon übrigens im Raum Oranienburg, wo Polizei und | |
Staatsanwaltschaft bereits ermitteln. | |
Es ist viel die Rede vom Waldumbau, der künftig Brände unwahrscheinlicher | |
machen soll. Wie geht es damit voran? | |
Die große Herausforderung besteht hier darin, die privaten Waldbesitzer | |
dafür zu gewinnen. In Brandenburg gehören zwei Drittel des Waldes privaten | |
Eigentümern. Viele davon verfügen nur über kleine Flächen. Oft sind es auch | |
Erbengemeinschaften, die man erst einmal ausfindig machen und dann mühevoll | |
von dieser Generationenaufgabe überzeugen muss. Ein großes Problem ist auch | |
das Wild, das sich im Kiefernbestand jedes grüne Laubblatt sucht. Wir | |
können nicht jede Neupflanzung durch Zäune schützen, deshalb müssen unsere | |
Wildbestände dringend angepasst werden, was ja auch durch die Änderung des | |
Jagdgesetzes geplant ist. | |
Was bringt denn so ein langsamer Umbau zum Mischwald? | |
Wir können dadurch tatsächlich die Temperaturen um 2 bis 4 Grad senken und | |
die Luftfeuchte anheben. Das hilft sehr viel bei der Brandbekämpfung. Klar, | |
bei langer Trockenheit kann auch Laubholz brennen, aber es geht ja auch | |
noch um mehr: Ein Mischwald ist ein guter Luftfilter und ein | |
Wasserspeicher, aus dem Niederschläge langsamer ins Grundwasser versickern. | |
Er ist ein wertvoller Lebensraum und nicht zuletzt auch ein Erholungsraum | |
für den Menschen. | |
Blöde Frage: Macht es nicht Sinn, Kiefern-Monokulturen einfach abbrennen zu | |
lassen, wenn sie schon mal Feuer gefangen haben? Dann kann man doch den | |
Mischwald gleich richtig anlegen. | |
Das ist eine Milchmädchenrechnung – wir haben dann 50 bis 70 Jahre | |
verloren. Jeder Waldbrand setzt CO2 frei und vernichtet Biomasse, die dem | |
Wald als Nährstoff zur Verfügung steht. Die Asche wird dagegen schnell vom | |
Wind fortgetragen und ausgewaschen. Wir haben durch jeden Brand deutlich | |
mehr Verluste als Gewinne. | |
6 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://forst.brandenburg.de/lfb/de/themen/wald-schuetzen/waldbrandgefahr-i… | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
## TAGS | |
Naturschutz | |
Waldbrände | |
Brandenburg | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Wasser | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Folgen der Klimakrise in Deutschland: „Jetzt ein Waldbrandland“ | |
2022 wird wohl ein Rekordjahr für Waldbrände in Deutschland. Besonders | |
betroffen sind dabei Brandenburg und die dortigen Kiefernforste. | |
taz-Sommerserie „Nah am Wasser“ (1): Es müsste mal wieder richtig regnen | |
Kaum Niederschläge, Dürre, sinkende Pegel von Seen und Grundwasser – Anlass | |
zur Sorge um die Wasserversorgung? Viele Fragen und viele Antworten. | |
Botaniker über Brände in Brandenburg: „Brandflächen bewalden sich rasch“ | |
In Brandenburg sind Versuchsflächen eines Forschungsprojekts zu Waldfeuern | |
abgebrannt. Botaniker Thilo Heinken erklärt die Folgen. |