# taz.de -- Wahl in Brandenburg: Auseinandergelebt | |
> Am 14. September wird in Brandenburg ein neues Parlament gewählt. Von | |
> einer Fusion mit Berlin spricht niemand mehr. | |
Bild: BesucherInnen im Potsdamer Landtag | |
Es ist nicht so, dass sie es nicht versucht hätten. Zum Beispiel bei der | |
Bildung: Im Jahr 2007 fusionierten Berlin und Brandenburg ihre | |
Landesinstitute für Schule und Medien zu einer gemeinsamen Einrichtung. | |
Seitdem werden in Ludwigsfelde-Struweshof Lehrerinnen und Lehrer aus beiden | |
Bundesländern weitergebildet. Und auch das Zentralabitur wurde dort | |
vorbereitet: Von 2010 an mussten AbiturientInnen von Kreuzberg bis Kyritz | |
und von Pankow bis Perleberg dieselben Aufgaben lösen. | |
Aber damit ist nun schon wieder Schluss. Brandenburg hat das gemeinsame | |
Abitur 2014 gestoppt, ist wieder ein bisschen abgerückt vom ungeliebten | |
Moloch Berlin. Eine Trennung auf Raten. | |
Als mit dem Volksentscheid im Mai 1996 klar war, dass es keine Länderehe | |
zwischen Berlin (53,4 Prozent dafür) und Brandenburg (62,7 Prozent dagegen) | |
geben würde, intensivierten das Rote Rathaus und die Staatskanzlei in | |
Potsdam dennoch die Zusammenarbeit. Wilde Ehe statt Länderehe lautete die | |
Devise, und so landeten bald der ORB und der SFB im Bett oder die | |
Planungsabteilungen beider Länder, die zur Gemeinsamen Landesplanung (GL) | |
fusionierten. Nichtregierungsorganisationen und Verbände trugen ohnehin | |
schon längst das „Berlin-Brandenburg“ am Namensende – vom BUND bis zum R… | |
Deutscher Makler. | |
## Eine Erfolgsgeschichte? | |
Peter Strieder, der 1996 im schwarz-roten Senat von Eberhard Diepgen für | |
die SPD Stadtentwicklungssenator war, erinnert sich gerne an diese Zeit: | |
„Für Berlin war diese Kooperation enorm wichtig, weil wir so verhindern | |
konnten, dass noch weitere große Einkaufszentren vor die Stadtgrenzen | |
gebaut wurden.“ Strieder hält die Zusammenarbeit unterhalb einer | |
Länderfusion deshalb für eine „Erfolgsgeschichte“. | |
Höhepunkt der institutionellen Verflechtung war schließlich der | |
Staatsvertrag von 2004, mit dem die Zusammenlegung zahlreicher Gerichte | |
beider Länder vorbereitet wurde. Die Bilanz kann sich sehen lassen. | |
Inzwischen gibt es 27 Staatsverträge und viele Verwaltungsvereinbarungen, | |
die die Zusammenarbeit in der nunmehr „Metropolregion Berlin Brandenburg“ | |
genannten Region regeln. | |
Dass das Zentralabitur nun nicht mehr dazugehört, ist ein Hinweis darauf, | |
dass vor allem Brandenburg auf Distanz geht zu Berlin. Nicht ohne Grund: | |
„Fast sprachlos“ war etwa der SPD-Fraktionschef im Brandenburger Landtag, | |
Klaus Ness, als der Berliner Senat mit seinem Veto eine Ausweitung des | |
Nachtflugverbots am künftigen BER um zwei Stunden abschmetterte. Sollte | |
Berlin bei diesem Nein bleiben, so Ness, sei dies ein Umstand, „der im | |
Gedächtnis haften bleibt“. | |
Berlin bleibt beim Nein. Dabei ist der Flughafen im Südosten der Stadt das | |
wichtigste Infrastrukturprojekt für beide Länder. Je höher das | |
Passagieraufkommen, desto mehr Touristen und Steuereinnahmen. Der BER ist | |
ein gutes Beispiel dafür, wie Berlin und Brandenburg auf Gedeih und Verderb | |
aufeinander angewiesen sind – und doch scheint gerade er der Grund für die | |
Zerrüttung der wilden Ehe zu sein. | |
Angefangen hatten die öffentlich Scharmützel um den Zankapfel Flughafen mit | |
dem Volksbegehren für ein BER-Nachtflugverbot zwischen 22 Uhr und 6 Uhr | |
morgens. Nachdem die Brandenburger im Dezember 2012 über 100.000 Stimmen | |
dafür abgegeben hatten, übernahm der Landtag die Forderungen. Seitdem setzt | |
sich Potsdam für ein schärferes Nachtflugverbot ein. Die | |
BER-Mitgesellschafter Berlin und der Bund halten dagegen die bislang | |
vereinbarte Pause von 0 bis 5 Uhr für ausreichend. Selbst ein | |
Kompromissangebot aus Potsdam – 0 bis 6 Uhr – lehnte Berlin ab. | |
Doch das war noch nicht alles. Schließlich gab es noch das Comeback von | |
Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als | |
Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft. Die Linke, die in Brandenburg | |
mit der SPD regiert, bezeichnete das als „Husarenstreich“. Etwas | |
zurückhaltender sprach Linken-Finanzminister und Spitzenkandidat Christian | |
Görke von einem „unfreundlichen Akt“. Berlins SPD-CDU-Senat konterte mit | |
dem Hinweis, dass Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) den | |
Chefkontrolleursposten abgelehnt habe. Woidke war im August 2013 nach dem | |
Rücktritt von Matthias Platzeck zum Brandenburger Ministerpräsidenten | |
gewählt worden. Platzeck war zuvor auch Aufsichtsratschef der | |
Flughafengesellschaft gewesen. | |
## Metropole, Provinz | |
Dass es zwischen Großstädten und ihrem Umland immer wieder zu Kabbeleien | |
kommt, ist nichts Ungewöhnliches. Schon Berlins ehemaliger Finanzminister | |
Thilo Sarrazin sprach einmal von der Metropolregion Berlin-Brandenburg als | |
„Hauptstadt mit angeschlossener Landschaftspflege“. Damit reaktivierte er | |
das Stereotyp des überheblichen Großstädters, der mit leiser Verachtung auf | |
die Provinz hinunterblickt. „Auf der anderen Seite“, sagt Berlins Exsenator | |
Strieder, „hat es in Brandenburg immer wieder Politiker gegeben, denen man | |
das Provinzielle, den Minderwertigkeitskomplex anmerkte“. | |
Was aber bedeuten Metropole und Provinz heute? Welche Antworten geben sie | |
auf die Fragen der Gegenwart – die wachsende Mobilität, die zunehmende | |
Ungleichheit, den Glanz der neuen Zentren und das Schattendasein der | |
abgehängten Peripherie? Welchen Beitrag können sie leisten bei der | |
Herausbildung einer regionalen Identität? | |
Spannende Fragen – die die beiden Koalitionen in Berlin und Potsdam jedoch | |
nur noch am Rande interessieren. Als unlängst der gemeinsame | |
Landesentwicklungsplan vor Gericht scheiterte, nahmen das beide Seiten mit | |
einem Schulterzucken zur Kenntnis. Das Leitbild der Metropolregion | |
existiert ohnehin nur noch auf dem Papier. | |
Statt dem Willen zur Zusammenarbeit regiert nun wieder das Misstrauen. So | |
werden Potsdamer Studierende mit Wohnsitz Berlin vom verbilligten | |
Mensa-Essen ausgeschlossen. Auf der anderen Seite baut der Berliner Senat | |
in Brandenburg – also auf fremden Territorium – lieber eigene Gefängnisse, | |
als die unterbelegten Knäste Brandenburgs zu nutzen. Eine unschöne Form des | |
Länderkolonialismus und eine seltsame Interpretation des historisch | |
überkommenen Schutzes der eigenen „Landeskinder“. | |
An eine neue Eiszeit glaubt Peter Strieder dennoch nicht: „Das alles ist | |
Wahlkampfgetöse, das wird sich mit dem erfolgreichen Start des BER wieder | |
legen.“ Und dann sind da noch die Berliner und Brandenburger selbst, die | |
längst beides in ihren Alltag integriert haben, Stadt und Land. Selbst | |
größte Berlinhasser in der Brandenburger Ministerialbürokratie setzen sich | |
nach Dienstschluss in ihren Pkw und fahren über die Glienicker Brücke nach | |
Hause – nach Berlin. | |
7 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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