| # taz.de -- Wählen mit Behinderung: Zu viele Hürden | |
| > Nur 24 Prozent der Hamburger Wahllokale sind barrierefrei. Betroffene | |
| > fordern leichter zugängliche Informationen und mehr Unterstützung. | |
| Bild: Keine Selbstverständlichkeit: Barrierefreies Wahllokal | |
| Hamburg taz | Den Wahl-O-Mat machen, ins Wahllokal gehen, zehn Kreuze | |
| setzen. Für die meisten Hamburger*innen ist die Bürgerschaftswahl eine | |
| simple Sache. Doch nicht für alle Menschen in dieser Stadt ist das so | |
| unkompliziert. Nur 24 Prozent der Wahllokale sind für Gehbehinderte | |
| problemlos zugänglich. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linken | |
| hervor. Menschen mit Sehbehinderung und Gehörlose weisen ebenfalls auf | |
| Schwierigkeiten hin. | |
| „Auch Menschen mit Behinderungen müssen ihr Wahlrecht wahrnehmen können“, | |
| sagt Cansu Özdemir, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion. So | |
| erfordere es die [1][UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit | |
| Behinderungen]. Neben den Problemen beim Zugang zu den Wahllokalen gebe es | |
| auch bei den Wahlunterlagen [2][viele Barrieren]. | |
| „Der demokratische Akt des Wählens müsste mit den Wahlunterlagen leicht und | |
| schnell erfassbar dargestellt sein“, fordert auch Kerrin Stumpf, | |
| Geschäftsführerin des Elternvereins „Leben mit Behinderung“. Dafür brauc… | |
| es Briefwahlunterlagen, die „besser verstehbare, sichtbare, | |
| nachvollziehbarere Hinweise zum Wahlverfahren“ enthalten. „Deutsch ist eine | |
| abstrakte Sprache. Wählen ist noch abstrakter“, sagt Stumpf. Für Menschen | |
| mit Lerneinschränkungen oder Körperbehinderungen sei das anspruchsvoll. | |
| Viele seien davon abgeschreckt. | |
| Für gehörlose Menschen ist „die Sprache die größte Hürde“, sagt Ralph | |
| Raule, Vorsitzender des Hamburger Gehörlosenverbands. Gerade im jungen | |
| Alter werde oft versäumt, neben der Gebärdensprache auch die Schriftsprache | |
| zu erlernen. Viele Gehörlose hätten deshalb Probleme mit den | |
| Wahlunterlagen. Zwar gebe es Wahlinfos als Videos und in leichter Sprache | |
| im Netz, finden müssten die Gehörlosen diese aber selbst. | |
| „Das mindeste wäre ein leicht verständlicher Hinweis auf den | |
| Wahlunterlagen, wie man zu den barrierefreien Informationen gelangt“, sagt | |
| Raule. Wählen sei ein elementares Grundrecht. Parteien müssten ihre | |
| Informationen stärker als bisher in Gebärdensprache und leichter Sprache | |
| zur Verfügung stellen. | |
| Melanie Wölwer vom Blinden- und Sehbehindertenverband Hamburg sieht | |
| ebenfalls noch Handlungsbedarf auf Seiten der Parteien. Der Zugang zu | |
| Informationen über die Wahlprogramme sei häufig schwierig, die | |
| Parteiwebseiten meist nicht barrierefrei. Um wählen zu können, benötigen | |
| Blinde und Menschen mit Sehbehinderung zudem spezielle Schablonen in | |
| Blindenschrift, die über den Wahlzettel gelegt werden. Diese Schablonen, | |
| sowie Audio-CDs mit Infos zur Wahl können beim Verband kostenfrei bestellt | |
| werden. Nur Verbandsmitglieder bekommen alles automatisch zugeschickt. | |
| „Unsere Hilfsmittel ermöglichen eine eigenständige und uneingeschränkte | |
| Wahl“, sagt Wölwer. Man müsse allerdings sicherstellen, dass die Menschen | |
| auch Zugang dazu bekommen. Um das zu erreichen, arbeite der Verband eng mit | |
| dem Landeswahlamt zusammen. | |
| Die Linksfraktion nimmt die Regierungsparteien in die Pflicht. „Wir | |
| fordern, kurzfristig mobile Urnen und oder Rampen an den Wahllokalen | |
| einzusetzen, in drei oder vier Wahlstellen Gebärdensprachverdolmetschung | |
| anzubieten und dies im Internet bekannt zu geben“, sagt Özdemir. | |
| Mittelfristig müssten Maßnahmen, wie etwa den Wahl-O-Mat in leichter | |
| Sprache oder Gebärdensprache zu ergänzen, geprüft werden. Für alle diese | |
| Maßnahmen müssten finanzielle Mittel bereitgestellt werden. | |
| „Langfristig müssen weitere Barrieren bei allen zukünftigen Wahlen abgebaut | |
| werden“, fordert Özdemir. Ein entsprechender Antrag ihrer Fraktion wurde | |
| jedoch kürzlich in der Bürgerschaft abgelehnt. Einzig die Linke stimmte | |
| dafür. | |
| Das Landeswahlamt äußerte sich trotz mehrfacher Anfrage nicht gegenüber der | |
| taz zur Barrierefreiheit in Wahllokalen. Die Senatspartei SPD zeigt sich | |
| hingegen vage bemüht. „Die barrierefreien Wahlen sind ein Thema, an dem wir | |
| seit Jahren im Verfassungsausschuss arbeiten“, sagt Regina Jäck, | |
| SPD-Fachsprecherin für Menschen mit Behinderung. Dort habe man auch schon | |
| Fortschritte gemacht. Aber: „Das Ziel muss sein, sowohl bei der Wahl als | |
| auch im Alltag, durch möglichst vollständige Barrierefreiheit Teilhabe und | |
| Inklusion zu erreichen.“ | |
| 22 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.behindertenrechtskonvention.info/ | |
| [2] /Welttag-der-Menschen-mit-Behinderung/!5641493 | |
| ## AUTOREN | |
| Lukas Ziegler | |
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