| # taz.de -- Vor Präsidentschaftswahl in Sambia: Wahlkampf zerreißt das Land | |
| > Präsident Lungu und sein Herausforderer Hichilema ringen schon zum | |
| > dritten Mal um das Spitzenamt. Eine Niederlage kann sich keiner | |
| > vorstellen. | |
| Bild: Unterstützerinnen von Präsident Edgar Lungu bei der Eröffnung eines Fl… | |
| Lusaka taz | Das südliche Afrika gilt als relativ stabil im Vergleich zum | |
| Rest des Kontinents, und Sambia, das Land mit dem Motto „Ein Sambia, ein | |
| Nation“ und lange Zeit „Frontstaat“ gegen Apartheid und Kolonialismus | |
| ringsum, steht in der Region für Frieden und Harmonie. Doch während | |
| [1][Mosambik in einem neuen Bürgerkrieg versinkt], [2][eSwatini (Swaziland) | |
| von Unruhen] erschüttert wird und [3][Südafrika] sich gerade von den | |
| schwersten Gewaltakten seit Ende der Apartheid mit über 300 Toten erholt, | |
| könnte auch Sambias Wahl nunmehr in eine blutige Krise münden. | |
| Kein Wahlkampf seit der Unabhängigkeit 1964 hat Sambia so tief gespalten | |
| wie dieser, der bereits Dutzende Tote gefordert hat. Die regierende PF | |
| (Patriotic Front) von [4][Präsident Edgar Chagwa Lungu] und die | |
| oppositionelle UPND (United Party for National Development) des | |
| Geschäftsmanns Haikande Hichilema scheinen sich mehr auf Krieg als auf eine | |
| friedliche Wahl vorzubereiten, und sie betreiben beide den hässlichsten | |
| Wahlkampf seit Menschengedenken, mit Propaganda und gegenseitigen | |
| Schmähungen. | |
| Erst am vergangenen Donnerstag entging UPND-Vizepräsidentschaftskandidatin | |
| Mutale Nalumango nach eigenen Angaben einem Mordanschlag in der nördlichen | |
| Provinz Luapula. Nalumango berichtete, schwerbewaffnete Polizei habe ihren | |
| Autokonvoi gejagt und mit Tränengas und scharfer Munition auf sie | |
| geschossen, als sie den Palast eines traditionellen Führers verließ, dem | |
| sie einen Höflichkeitsbesuch abgestattet hatte. Sie sei „guter Dinge und | |
| bereit dazu, ihr Engagement mit der Wählerschaft fortzusetzen“, erklärte | |
| ihre Partei danach. | |
| Es war eine Woche, in der erstmals Sambias Armee ausgerückt war, um die | |
| Polizei gegen Gewalt im Wahlkampf zu unterstützen, nachdem die Regierung | |
| der Opposition vorgeworfen hatte, massive Störungen des Wahltags | |
| vorzubereiten. Was dann folgte, zeugte davon, wie spiegelbildlich dieser | |
| Wahlkampf verläuft: ein mutmaßlicher Gewalttäter wurde verhaftet – und die | |
| beiden großen Parteien behaupteten beide, der Mann gehöre zur jeweiligen | |
| Gegenseite. | |
| ## Dubiose Lieferung von Wahlzetteln | |
| Der Mann mit einer Halloween-Zombie-Gesichtsmaske und einer Ansammlung von | |
| Waffen wurde im Stadtteil Kanyama der Hauptstadt Lusaka festgenommen. Die | |
| regierende PF sprach von einem UPND-„Schläger“, der bereits für die | |
| Ermordung der PF-Aktivisten Danny Kasongo und Davies Kabunda in Kanyama | |
| verantwortlich gewesen sei – der Vorfall, der unmittelbar zum Einsatz der | |
| Armee führte. | |
| Die oppositionelle UPND sprach von einem „berüchtigten PF-Kader“, den die | |
| Armee festgesetzt habe, nachdem er die Menschen in seinem Wohlviertel | |
| terrorisierte. Die Behörden scheinen derweil nicht in der Lage zu sein, die | |
| Identität des Festgenommenen zu klären. | |
| Nicht weniger mysteriös gestaltete sich die Anlieferung der Wahlzettel, die | |
| in Dubai gedruckt worden sind und deren letzte Lieferung am 30. Juli am | |
| internationalen Flughafen „Kenneth Kaunda“ von Lusaka eintraf. Es war ein | |
| eigens von der Wahlkommission gechartertes Flugzeug – aber nach der Landung | |
| kam die wenige bekannte Firma Lee Bridge Limited und erhob Anspruch auf | |
| eine Fracht von Mobiltelefonen und Elektronikgeräten, die sich regelwidrig | |
| im selben Flugzeug befand. | |
| Es kursieren Behauptungen, dass zu wenig Wahlzettel angeliefert wurden. Die | |
| Wahlkommission hat nun die Elektronikfracht beschlagnahmt und am Flughafen | |
| eingelagert. Die Firma hat dem zugestimmt, „um zur Integrität der Wahlen | |
| beizutragen“. | |
| Derweil kübeln die beiden großen Parteien übereinander her. Die UPND | |
| behauptet, über Informationen zu verfügen, dass die Polizei und die PF dem | |
| UPND-Jugendsekretariat Waffen und Marihuana unterschieben wolle, um | |
| UPND-Jugendführer Gilbert Liswaniso zu inkriminieren. „Es ist kein | |
| Geheimnis, dass die PF eine Menschenjagd begonnen hat, um Jugendführer zu | |
| verhaften und den starken Wind des Wandels zu stoppen, der durch das Land | |
| bläst“, behauptete die Partei. „Es ist unter der PF zum Trend geworden, | |
| dass Parteikader unter fiktiven Vorwürfen festgenommen werden, um sie | |
| auszuschalten.“ | |
| Zuvor hatte die PF der UPND vorgeworfen, angesichts ihrer bevorstehenden | |
| Niederlage Jugendliche zu trainieren, um Gewalt und Chaos zu schüren und | |
| damit die Wahlen zu stoppen. | |
| ## Proteste möglich | |
| Knappe Wahlumfragen erhöhen die Spannung. Eine von einem in Afrika | |
| respektierten Meinungsforschungsinstitut gibt Amtsinhaber Lungu einen | |
| klaren Sieg mit 500.000 Stimmen Vorsprung vor Hichilema – Sambia hat rund | |
| 19 Millionen Einwohner, von denen gut 8 Millionen im Wahlregister stehen. | |
| Bei der letzten Wahl 2016 hatte Lungu mit nur 100.000 Stimmen Vorsprung | |
| gewonnen, ein Vorsprung von unter 3 Prozentpunkten. Das hatte zu | |
| Fälschungsvorwürfen und Protesten geführt. | |
| Mit Protesten ist auch jetzt zu rechnen, sollte Hichilema – der schon zum | |
| dritten Mal gegen Lungu antritt – erneut zum Verlierer gekürt werden. „Die | |
| UPND und alle Sambier werden ihre Stimme mit allen gesetzlichen Mitteln | |
| verteidigen und werden sicherstellen, dass die Wahlmanager, in diesem Fall | |
| die Wahlkommission, eine korrekte Wiedergabe des Volkswillens liefert“, | |
| sagte UPND-Generalsekretär Batuke Imenda. Aber aus PF-Sicht kommt eine | |
| Niederlage überhaupt nicht in Frage. | |
| Als PF-Sprecher Amos Chanda gefragt wurde, ob die Regierungspartei im Fall | |
| einer Niederlage die Macht abgeben werde, antwortete er im | |
| Regierungsgebäude von Lusaka: „Man kann nicht die Macht abgeben, wenn man | |
| gewinnt. Wir können nicht über eine Machtübergabe sprechen, denn wir sehen | |
| Kontinuität“. | |
| Es mehren sich nun die internationalen Aufrufe zu einer friedlichen Wahl. | |
| „Seit der Unabhängigkeit ist Sambia ein Leuchtturm des Friedens in der | |
| Region und auf dem Kontinent gewesen“, sagte die UN-Koordinatorin für | |
| Sambia, Coumba Mar Gadio. „Frieden in Sambia ist kostbar und sollte bewahrt | |
| werden. Gewalt, Hassreden, Polarisierung und spalterische Rhetorik haben in | |
| einer Demokratie keinen Platz.“ | |
| David Young, der US-Botschafter in Sambia, erinnerte an die laufenden | |
| US-Finanzhilfen für Wahlen und demokratische Institutionen in Sambia und | |
| warnte: „Wenn Menschenrechte und demokratische Freiheiten verletzt werden, | |
| können und werden die USA Visarestriktionen, Reiseverbote und | |
| Finanzsanktionen verhängen. Wir werden jeden, der [5][Gewalt fördert, den | |
| Wahlprozess untergräbt], fälscht oder korrumpiert oder sonst wie | |
| demokratische Rechte bricht, zur Rechenschaft ziehen.“ | |
| 11 Aug 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Arnold Mulenga | |
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