# taz.de -- Verhandlungen mit dem IWF: Argentinisches Trauma in Neuauflage | |
> Die Macri-Regierung will sich wieder beim IWF verschulden. Das soll einen | |
> Run auf den Dollar verhindern und Zinsen senken. Geht das gut? | |
Bild: Demo am 9. Mai vor dem Kongress in Buenos Aires | |
Buenos Aires taz | Droht Argentinien schon wieder die Staatspleite? „Wir | |
beginnen Gespräche über Finanzhilfen mit dem Internationalen | |
Währungsfonds“, kündigte Präsident Mauricio Macri am Dienstag an. „Wir | |
gehen damit den einzigen Weg, um eine große Wirtschaftskrise zu | |
verhindern“, so der Präsident. Seit Mittwoch verhandelt seine Regierung mit | |
dem IWF über ein neues Stand-by-Abkommen. Es geht dabei um eine Kreditlinie | |
von bis zu 20 Milliarden Dollar. | |
Die Regierung reagierte damit auf den anhaltenden Wertverlust des | |
heimischen Peso gegenüber dem Dollar. Der war allein in den letzten zehn | |
Tagen um 10 Prozent abgesackt. Am Mittwoch markierte er ein neues | |
Rekordtief: Ein Dollar kostete 23,30 Peso. Als Ursache verweist die | |
Regierung auf den steigenden Zinssatz in den USA, der internationale | |
Anleger dazu veranlasst, ihr Kapital aus Schwellenländern abzuziehen. | |
Im Fall Argentinien kommt jedoch auch Hausgemachtes hinzu. Um das | |
Haushaltsdefizit von 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu reduzieren, | |
versucht die Regierung, die Ausgaben des öffentlichen Sektors zu senken, | |
der mehr als 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschlingt. Aus Furcht | |
vor sozialen Protesten scheut der Präsident jedoch eine rigorose | |
Sparpolitik und finanziert das Haushaltsdefizit über die | |
Auslandsverschuldung. In den zwei Jahren Macri-Regierung haben die | |
öffentlichen Haushalte bereits 50 Milliarden Dollar an Krediten | |
aufgenommen. | |
Um zudem die Inflation zu senken, fährt die Zentralbank eine | |
Hochzinspolitik. Mit kurzfristigen Staatsanleihen in Peso zu Zinssätzen von | |
25 bis 35 Prozent versucht sie, Anleger zu ködern, um so die umlaufende | |
Geldmenge zu verringern. Dennoch hat die Regierung ihre Inflationsziele | |
wiederholt verfehlt. 2016 veranschlagte sie eine Teuerungsrate von 23 | |
Prozent, am Ende waren es 40 Prozent. | |
## Immer mehr Anleger stoßen Aktien ab | |
Auch für das laufende Jahr setzte die Regierung ihre Vorgabe von 12 auf 15 | |
Prozent herauf. Und seit die Zinsen in den USA steigen, stoßen immer mehr | |
Anleger ihre Anleihen ab und tauschen die Peso in Dollar. Um den Run auf | |
den Dollar aufzuhalten, erhöhte die Zentralbank in der vergangenen Woche | |
den Zinssatz auf schwindelerregende 40 Prozent. | |
Doch die Nagelprobe steht noch bevor. In der kommenden Woche werden | |
Anleihen im Wert von 680 Milliarden Peso fällig. Wie viele davon erneuert | |
werden, ist offen. Die Furcht vor dem Absturz des Peso ließ die Regierung | |
jetzt die Reißleine ziehen. Dass sich die Verhandlungen mit dem IWF bis zu | |
sechs Wochen hinziehen können, ist zweitrangig, wichtig ist das Signal. | |
„Ein Kredit des IWF macht uns weniger verwundbar“, so Kabinettschef Marcos | |
Peña. | |
Aus finanzwirtschaftlicher Sicht ergibt der Gang zum IWF Sinn. Die Zinsen | |
liegen dort zwischen 4 und 5 Prozent. Auf dem internationalen Kapitalmarkt | |
müsste Argentinien rund das Doppelte bezahlen. Allerdings ist der | |
politische Preis weniger günstig: „Der Gang zum IWF ist wie der Abstieg in | |
die zweite Liga“, kommentierte ein Wirtschaftsexperte. Diesen Makel könnten | |
die fußballverrückten ArgentinierInnen gerade noch akzeptieren. Völlig | |
offen ist, welche Bedingungen der IWF abgesehen vom Zinssatz stellen wird. | |
Die Regierung könnte mit dem Verweis auf die Vorgaben eine schärfere | |
Anpassungspolitik betreiben. | |
Bei vielen weckt der IWF schlimmste Erinnerungen. Mit seinen | |
Strukturanpassungsprogrammen bestimmte der Fonds in den 1980er und 1990er | |
Jahren die Finanz- und Wirtschaftspolitik des hochverschuldeten Landes. | |
Haushaltskürzungen, der Verkauf von Staatsbetrieben und die Privatisierung | |
des Rentensystems trieben das Land in eine soziale Schieflage. Und als der | |
IWF 2001 die Auszahlung eines Milliarden-Dollar-Kredits verweigerte, brach | |
die Krise los. Gut die Hälfte der Bevölkerung rutschte damals unter die | |
Armutsgrenze. | |
Argentiniens letztes Stand-by-Abkommen datiert aus dem Jahr 2003 noch unter | |
dem damaligen Präsidenten Néstor Kirchner. Der hatte Ende 2005 die | |
Rückzahlung der Verbindlichkeiten beim IWF in Höhe von 9,8 Milliarden | |
US-Dollar angeordnet und sich geweigert, Vorgaben des Fonds zu akzeptieren. | |
Seither hat das Land keine IWF-Gelder mehr angenommen. | |
10 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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