# taz.de -- US-Schulen als ideologisches Kampfgebiet: Kulturkrieg in der Aula | |
> Vielfalt? Bloß nicht! In Smithtown bei New York wollen weiße Eltern ihre | |
> Kinder vor all den vorgeblich neumodischen Erziehungsmethoden beschützen. | |
Bild: Konfrontation von Black-Lives-Matter-Demonstranten mit Anhängern von Don… | |
SMITHTOWN taz | „Beim letzten Mal war hier mehr los“, sagt der Mann mit dem | |
kahlgeschorenen Hinterkopf, „wir waren 75 im Saal.“ Unter seinem Kinn | |
baumelt ein orangefarbenes Stück Stoff mit der Aufschrift: „Diese Maske | |
nutzt nichts“. Andrew Manello, Vater von zwei Siebenjährigen, Mitarbeiter | |
eines Softwareunternehmens und, wie er sagt, ein „Patriot“, ist Stammgast | |
bei den öffentlichen Sitzungen des Schulrates von Smithtown. | |
Manello geht bei fast jeder Sitzung ans Mikrofon. Mal kritisiert der | |
38-Jährige die „Indoktrinierung der Kinder mit antirassistischen | |
Ideologien“. Mal lobt er, dass eine Schulklasse eine Grußbotschaft an die | |
Polizisten der örtlichen Wache geschickt hat. Regelmäßig unterstellt er der | |
Mehrheit im Schulrat, dass sie die Eltern des Einflusses auf ihre Kinder | |
berauben wolle. | |
An diesem Dienstagabend kurz vor den Feiertagen sind nur einige Dutzend | |
Erwachsene in die Aula des Gymnasiums im Ortszentrum gekommen. Rechts vom | |
Gang sitzen Andrew Manello und andere der neuen Aktivisten. Manche tragen | |
Schals und Blusen in den Farben der US-Flagge. Kaum jemand trägt eine Maske | |
über Nase und Mund. „Bringen Sie uns in ein gutes Licht“, verlangt eine | |
Frau von der Reporterin. Ihren Namen will sie nicht nennen. Sie misstraut | |
Journalisten und Linken und den Vertretern des Staates: „Sie verdrehen | |
alles.“ | |
Links vom Gang sitzen jene, die sich Sorgen um die zaghaften Fortschritte | |
an den Schulen machen: Toleranz gegenüber Minderheiten, sexuelle Aufklärung | |
und ein Geschichtsunterricht, der sich auch an die dunklen Kapitel | |
herantraut. Sie befinden sich in der Defensive. „Ich habe Angst vor dem, | |
was hier passiert“, sagt Sara Tully. Ihre Kinder sind noch zu jung für die | |
Schule. Die Frau auf dem grünen Sitz neben ihr trägt Hoffnung auf ihrer | |
Maske. „Seid nett zueinander“, steht darauf. | |
Auf beiden Seiten des Gangs sind Frauen in der Mehrheit. Fast alle haben | |
sich erst im Laufe des zurückliegenden Jahres politisiert. Fast alle sind | |
sie weiß. Alle gemeinsam stehen auf und legen die rechte Hand zum | |
Fahnenschwur auf ihre Brust. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten. | |
## Trumps Freunde im Schulrat | |
Die Schulratssitzungen in [1][Smithtown] sind binnen weniger Monate von | |
schnarchigen zu tumultartigen Ereignissen geworden. Jahrelang tagte der | |
siebenköpfige Schulrat fast ohne Öffentlichkeit. Eltern kamen vor allem, | |
wenn Jungen und Mädchen aus den Sportteams der Schulen mit ihren Trainern | |
kamen, um über ihre Erfolge zu sprechen und Auszeichnungen abzuholen. Es | |
war schwer, Ehrenamtliche zu finden, die sich dazu bereit erklärten, für | |
das Gremium zu kandidieren, das bei den Finanzen, den Unterrichtsplänen und | |
den Personalfragen in dem Bezirk mit mehr als 8.000 Schülern | |
mitentscheidet. | |
Seit dem Beginn der Pandemie mit ihren Schulschließungen und ihrer | |
erzwungenen Heimarbeit drängt eine neue Generation von Aktivisten in die | |
Schulräte. Sie tragen die Anliegen, die vier Jahre lang im Weißen Haus | |
vertreten waren, an die Basis heran. Sie wollen keine Gleichheitsregeln, um | |
Diskriminierungen zu verhindern. Sie wollen nicht, dass ein Projekt in den | |
Schulunterricht kommt, in dem die Geschichte der Sklaverei aus Sicht der | |
Unterdrückten erzählt werden soll. Und sie sind dagegen, dass ihre Kinder | |
mit der „Kritischen Rassentheorie“ konfrontiert werden. Die ist seit den | |
1970er-Jahren als akademische Antwort auf die schleppenden Fortschritte bei | |
der Verwirklichung der Bürgerrechte entstanden. Sie ist an vielen | |
Jura-Fakultäten der Vereinigten Staaten selbstverständlich, aber steht in | |
keinem Bundesstaat auf dem Lehrplan der Schulen. Als Reaktion auf die neuen | |
Schulaktivisten haben republikanische Politiker dennoch landesweit Verbote | |
gegen die Verbreitung dieser Theorie an den Schulen erlassen. | |
Andrew Manello klagt darüber, wie seine beiden Siebenjährigen in Mathematik | |
unterrichtet werden: „Ich verstehe es nicht und ich bin nicht damit | |
einverstanden.“ Eine Mutter findet, dass „zu viele Emotionen und zu wenige | |
Fakten“ unterrichtet werden und dass es „zu wenige Tests“ gebe. | |
Aber selbst wenn manche Kritiken von der rechten Seite des Gangs konkret | |
klingen, ist das Vorgehen dieser Erwachsenen weder spontan noch lokal | |
bestimmt. Sie folgen dem Ton und den Themen, die nationale Netzwerke | |
anstimmen. Einschließlich der Slogans, dem Verlangen, dass bestimmte Bücher | |
aus Schulbibliotheken verbannt gehören, und der Behauptung, dass weißen | |
Kindern in den Schulen der USA Schuldgefühle eingetrichtert würden. Die | |
Dinge, die bei Schulratssitzungen in Smithtown und Tausende Kilometer | |
entfernt in texanischen Vorstädten gesagt werden, klingen zum Verwechseln | |
ähnlich. | |
Rund um Smithtown verstärken lokale Gruppen – darunter „[2][Save our | |
Schools]“ und „[3][Long Island Loud Majority]“ – diese Botschaften. In … | |
vierseitigen Jahresendausgabe für Long Island warnt „Save our Schools“ vor | |
der „staatlichen Tyrannei“ an den Schulen beim Maskentragen. | |
## Smithtown – Versuchslabor der neuen Rechten | |
Das zwei Zugstunden von Manhattan entfernte Smithtown ist eines der | |
Versuchslabore der neuen Aktivisten. „Trumptown“ nennen New Yorker die | |
100.000 Einwohner zählende Schlafstadt. Die sind überwiegend weiß und | |
überwiegend Mittelschicht. Smithtown beherbergt viele Polizisten und | |
Feuerwehrleute. Der ehemalige Präsident hat sie zwei Mal gewonnen. „Wir | |
haben eine gute Wirtschaft, wie sind nahe an der City und unsere Sommer | |
sind fantastisch“, schwärmt Andrew Manello über seinen Ort, der jeweils | |
eine halbe Autostunde vom offenen Atlantik und von dem ruhigen Meeresarm | |
des Long Island Sound entfernt liegt. | |
Aber mit dem, was an den öffentlichen Schulen passiert, ist Manello nicht | |
einverstanden: „Wir werden schlecht behandelt“, beklagt er. Mit seiner | |
Frau, einer Krankenschwester, überlegt er wegzuziehen. Aber vorerst | |
opponiert er bei den Schulratssitzungen gegen Lehrer, die sich seines | |
Erachtens zu viel mit Rassismus befassen. Die Sklaverei sei „schrecklich“ | |
gewesen, sagt er. Aber sie sei längst abgeschafft: „Wir haben das vor | |
eineinhalb Jahrhunderten korrigiert.“ | |
Zusammen mit anderen treibt Andrew Manello den Superintendenten des | |
Schulbezirks Smithtown in die Enge. Als im letzten Januar die | |
Broadwayschauspielerin [4][Diamond Essence White] zu einer Lesung in eine | |
Schule in Smithtown eingeladen war, begann dort eine Kontroverse. Grund war | |
nicht der Auftritt in Smithtown, bei dem die Schauspielerin aus einem | |
Kinderbuch vorlas, sondern die Sympathie, die die Schwarze Schauspielerin | |
für die [5][Black-Lives-Matter-Bewegung] ausgedrückt hatte. Als bei der | |
nächsten Schulratssitzung ein anonymer Brief verlesen wurde, entschuldigte | |
sich Superintendent Mark Secaur für die Einladung: „Der Bezirk hätte diese | |
Person besser überprüfen sollen.“ | |
Wenige Monate später verlieren bei den Teilwahlen für drei Sitze im | |
Schulrat von Smithtown die vorherigen Amtsinhaber. Ihre Sitze gehen an | |
Vertreter der neuen Aktivisten. | |
Die stellvertretende Superintendentin Jennifer Bradshaw, die das Programm | |
für „Vielfalt und Gleichheitsprogramme“ geleitet hat, hat schon das | |
Handtuch geworfen. Die Kritik an ihr bezieht sich nicht nur auf ihren | |
Antirassismus. Polizist Mike Simonelli argumentiert, Bradshaw habe | |
„Falschheiten über Polizeibrutalität“ verbreitet. Die örtliche | |
Polizeigewerkschaft „Police Benevolent Association“ gehört zu den | |
Unterstützern der drei neuen Schulratsmitglieder. Auch die Trump-Gruppe | |
„Long Island Loud Majority“ steht hinter ihnen. Aus der Personalabteilung | |
des Schulbezirks verlautet dennoch, Bradshaws Weggang habe „nichts mit | |
externem Druck zu tun“. | |
Schon im Juli landen die Aktivisten von Smithtown ihren nächsten Erfolg: 34 | |
Unterrichtsvideos, die sich mit Sexualität und mit Rassismus befassen, | |
landen auf dem Index. Die Filme von „BrainPop“ werden an zwei Drittel aller | |
Schulen in den USA als Unterrichtsmaterial eingesetzt. „Es ist keine | |
Zensur“, versichert Superintendent Mark Secaur, „wenn Lehrer die Videos für | |
geeignet und sachdienlich halten, dürfen sie sie benutzen.“ | |
## Auf dem Weg zur Mehrheit | |
„Ich kann es kaum abwarten, bis Mai ist und ihr Eure Mehrheit im Schulrat | |
verliert“, sagt Mary Ellen Alptekin an diesem Dienstagabend in der Aula. Im | |
Frühjahr finden in Smithtown die nächsten Teilwahlen zum Schulrat statt. | |
Auch Alptekin ist Stammgast bei den Sitzungen des Rats wie bei den | |
Elterndemonstrationen gegen Masken und Impfpflicht. Sie verlangt vor | |
Gericht die Herausgabe von internen E-Mails. Von ihrem Handy liest sie ab, | |
dass sie ihre Rechte kennt. | |
„Wir Eltern sind aufgewacht“, sagt Alptekin. Sie verlangt eine öffentliche | |
Entschuldigung von einem der Schulratsmitglieder. Er hat bei der | |
vorausgegangenen Sitzung einen Vorstoß von der rechten Seite der Aula als | |
„verdammt lächerlich“ bezeichnet. Das war auf einem Livestream zu hören, | |
bis der Schulbezirk die Stelle gelöscht hat. | |
Die Aktivisten haben die Schulratssitzungen in Smithtown zu einer Arena für | |
den politischen Nahkampf gemacht. „Ich habe sie getrollt“, prahlt einer von | |
ihnen auf Twitter. Er hat seine drei Minuten am Mikrofon genutzt, um sich | |
darüber zu empören, dass seine Nichte an der Jura-Fakultät gelernt habe, | |
dass [6][George Washington Sklaven] hatte, was zweifellos der Wahrheit | |
entspricht. Für den Mann am Mikrofon ist das ein „Versuch der Linken, | |
unsere Verfassung zu stehlen“. | |
Offensiven von der linken Seite des Gangs sind selten. Wenige Tage vor dem | |
[7][Columbus-Tag], in den USA ein nationaler Feiertag, tritt der 13-jährige | |
Schüler Maddox Albert an das Mikrofon in der Aula. Er bekommt die ersten | |
abschätzigen Lacher, als er sich als Mitglied einer LGBT-Gruppe an seiner | |
Schule vorstellt. Die zweiten, als er die Erwachsenen bittet, auf Mobbing | |
zu verzichten. Die dritten, als er sagt: „Ihr wollt nur über die guten | |
Dinge hören, die weiße Leute in der Vergangenheit getan haben.“ Es kommen | |
Buhrufe und aggressive Gesten. Als er das Wort „Völkermord“ im Zusammenhang | |
mit Columbus benutzt, haben rechts vom Gang viele bereits die Aula | |
verlassen. „Man kann über Columbus denken, was man will“, sagt Andrew | |
Manello zwei Monate später, „aber ohne ihn wären wir alle nicht hier.“ | |
„Freundlich bleiben!“, mahnt der Präsident des Schulrats, Matthew Gribbin, | |
wenn es laut in der Aula wird. Bevor er Jugendliche in die Aula kommen | |
lässt, fordert er manche Erwachsene auf der rechten Seite der Versammlung | |
mehrfach dazu auf, eine Maske aufsetzen. In den zurückliegenden Monaten hat | |
Gribbin alle möglichen Tricks angewandt, um den Ton zu mäßigen. Er hat | |
Sitzungen unterbrochen. Er hat Sitzungen ganz abgebrochen. Und er hat sie | |
virtuell abgehalten. Neuerdings finden sich vier von ihm bestellte Ordner | |
in gelben Westen in der Aula. Sie beobachten argwöhnisch jede Bewegung von | |
Rednern und Publikum. | |
Aber gegen die Mehrheitsverhältnisse im Schulrat ist Präsident Gribbin | |
machtlos. An diesem Dienstag setzen die Aktivisten durch, dass Wortbeiträge | |
bei den öffentlichen Schulratssitzungen in Smithtown künftig anonym | |
erfolgen können. Sie argumentieren, dass damit mehr Bürger den Mut fänden, | |
bei den Sitzungen ans Mikrofon zu gehen. „Es mag alte Schule sein“, hält | |
Matthew Gribbin dagegen, „aber ich möchte wissen, wer spricht.“ Er verliert | |
die Abstimmung. | |
## Die Angst vor der Veränderung | |
„Sie haben Angst vor Veränderung“, sagt Vladimir. „Sie können zugeben, … | |
die Sklaverei existiert hat. Aber sie wollen nicht über Details reden.“ Der | |
IT-Experte und Vater von drei Kindern ist vor fünf Jahren nach Smithtown | |
gezogen. Wegen seiner Arbeit, aber auch wegen der Qualität der Schulen. | |
Schulmittel in den USA kommen zum überwiegenden Teil aus den | |
Grundsteuereinnahmen. Orte mit kostbaren Immobilien wie Smithtown haben | |
besser ausgestattete Schulen. | |
Seit Vladimir auf dem Livestream von Schulratssitzungen gesehen hat, wie | |
die andere Seite Schwarze Trump-Unterstützer für ihre Zwecke | |
instrumentalisiert, kommt er alle zwei Wochen persönlich in die Aula. Seine | |
Eltern, die als Flüchtlinge vor dem haitianischen Diktator Baby Doc in die | |
Vereinigten Staaten gekommen sind, hätten ihm beigebracht, dass es nicht | |
reicht, nur eine Seite zu sehen, sagt er. Wenn Vladimir ans Mikrofon geht, | |
sagt er jedes Mal: „Wir müssen herausfinden, was wir gemeinsam haben.“ | |
Beifall bekommt er dafür nur von der linken Seite des Gangs. | |
Eine von Vladimirs ersten Erfahrungen zur Atmosphäre in Smithtown erreichte | |
ihn über seine Tochter. Im zweiten Schuljahr habe sie eine Klassenkameradin | |
gefragt, ob sie mit ihr spielen wolle. Das Mädchen habe geantwortet, dass | |
sie nicht mit Schwarzen Kindern spielt. Jahre später ist Vladimir immer | |
noch erleichtert, dass sich andere Kinder kurz darauf bei seiner Tochter | |
entschuldigt haben. Und dass ein anderes weißes Mädchen auf sie zugegangen | |
ist, um ihre Freundin zu werden. | |
## Erfahrungen an der Schule | |
„Wir haben hier ein Problem mit der Diversität“, meint Hannah. Die | |
18-Jährige ist weiß. Aber Intoleranz hat sie auf mehrfache Art am eigenen | |
Leib erfahren. Hannah stammt aus einer Familie, die sie selbst als | |
Angehörige der Unterschicht beschreibt: „Meine Eltern mussten sehr hart | |
arbeiten, um hier leben zu können“, sagt sie. Die Designerkleidung und die | |
neuesten Handy-Modelle ihrer Klassenkameraden konnte sich Hannah nicht | |
leisten. Sie trug Kleider aus dem Second-Hand-Laden. Irgendwann habe sie | |
aufgehört zu zählen, wie oft ihr an der Schule nachgerufen wurde, sie sehe | |
„billig“ und „abgenutzt“ aus. Hinzu kamen die Beleidigungen wegen ihrer | |
Sexualität. „Schwuchtel“ gehörte noch zu den freundlicheren Dingen. | |
Hannahs gleichaltrige Freundin Maggie erinnert sich an ihre einzige | |
Schwarze Klassenkameradin. Die habe ihre Mutter angefleht, aus Smithtown | |
wegzuziehen. Die Worte, mit denen das Mädchen beschimpft worden ist, will | |
Maggie nicht wiederholen: „zu hässlich“. Aber sie sagt, dass viele ihrer | |
früheren Klassenkameraden es normal fanden, rassistisch zu sein: „Ihre | |
Eltern sind es auch.“ | |
Die beiden Freundinnen haben im letzten Sommer in Smithtown Abitur gemacht. | |
Hannah studiert inzwischen, um Lehrerin zu werden. „An einem Community | |
College“, betont sie, „eine Universität wäre zu teuer gewesen.“ In ihrer | |
Schulzeit wusste sie nichts von der Existenz des Schoolboards. Als | |
Studentin ist es eine ihrer ersten Seminaraufgaben, Lehrer zu interviewen | |
und Schoolboardsitzungen zu beobachten. An diesem Abend in der Aula ihrer | |
alten Schule in Smithtown fällt ihr auf, wie aggressiv die Stimmung ist. | |
Schon wenn die Worte „Maske“ oder „Impfung“ fallen, ertönt von der ein… | |
Seite des Saals ein Wutschnauben. | |
Die Geschichte von Long Island mag Erklärungen für diese Intoleranz | |
liefern. Die Bewohner der New York City vorgelagerten Insel waren | |
jahrhundertelang auf Landwirtschaft und Fischerei spezialisiert. Nach Ende | |
des Zweiten Weltkriegs entstand dort die erste uniforme Vorstadtsiedlung, | |
die zum Modell für andere Vorstädte in den USA werden sollte. Schon nach | |
wenigen Jahren waren 17.000 Fertighäuser auf dem eine halbe Autostunde von | |
Smithtown entfernten Acker bezogen. In allen Verträgen stand, dass die | |
Häuser nur an Weiße verkauft werden dürften. Die Jahre der „White Flight�… | |
als Hunderttausende Weiße die Innenstädte verließen, um sich in weißen | |
Vorstädten niederzulassen, machten Long Island zu einer der segregiertesten | |
Wohngegenden der USA. | |
Es dauerte bis in dieses Jahrhundert, bis Bürgerrechtler und Gerichte dafür | |
sorgten, dass die letzten rassistischen Klauseln aus den Verträgen | |
verschwanden. In einer Siedlung in [8][Yaphank], einer anderen | |
Nachbargemeinde von Smithtown, hielt sich eine Klausel, wonach nur | |
Deutschstämmige dort Häuser erwerben dürften, bis zum Jahr 2017. In einer | |
Undercover-Recherche der Lokalzeitung [9][Newsday] kam vor gut zwei Jahren | |
heraus, dass Schwarze Hauskaufinteressenten auf Long Island weiterhin in | |
nahezu der Hälfte aller Fälle „ungleich“ behandelt werden. | |
„Dies ist mehr als nur ein später Trump-Effekt“, sagt Elaine Gross über d… | |
Ereignisse im Schulrat von Smithtown, „wir haben uns nie erfolgreich mit | |
unserer langen Geschichte von weißer Vorherrschaft auseinandergesetzt.“ Die | |
Präsidentin der Gruppe „Erase Racism“, im Deutschen „Rassismus löschen�… | |
erinnert daran, dass es auch auf Long Island versklavte Menschen gab, dass | |
die Schulbezirke auf Long Island weiterhin nach ethnischen Zugehörigkeiten | |
zugeschnitten sind und dass die rechtsradikalen Proud Boys in den letzten | |
Wochen wiederholt kleine Aufmärsche auf der Insel organisiert haben. | |
Aktivisten wie Elaine Gross setzen darauf, dass die Bildungspolitiker des | |
Bundesstaats New York ihre Reformen durchsetzen können. Sie arbeiten an | |
Lehrplänen, um mehr Vielfalt, Gerechtigkeit und Einbeziehung an die Schulen | |
zu bringen. Der Millionen-Dollar-Segen aus dem „American Rescue | |
Plan“-Konjunkturpaket von Präsident Joe Biden könnte ihnen dabei helfen. | |
Schulen, die Finanzhilfen aus dem Plan annehmen, müssen sich verpflichten, | |
auch die Gerechtigkeitsprinzipien zu befolgen. | |
Die Gruppe „Save our Schools“ hingegen, die auch die Aktivisten von | |
Smithtown mit Argumenten versorgt, würde am liebsten auf den Geldsegen | |
verzichten. In ihrem Newsletter zum Jahresende wirbt sie für ein Buch, das | |
tödliche Polizeieinsätze rechtfertigt, den systemischen Rassismus als | |
„Mythos“ bezeichnet und Eltern die suggestive Frage stellt: „Sollen wir es | |
dem Schulpersonal gestatten, in den empfindlichen sozial-emotionalen | |
Zustand unserer Kinder einzudringen, wenn sie nicht in unserer Obhut sind?“ | |
3 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.smithtownny.gov/ | |
[2] https://saveourschools.com/ | |
[3] https://loudmajorityus.com/ | |
[4] https://www.broadwayworld.com/people/Diamond-Essence-White/ | |
[5] /Ein-Jahr-nach-Tod-von-George-Floyd/!5769848 | |
[6] /Erinnerungsorte-in-USA-und-Russland/!5693237 | |
[7] https://www.dw.com/de/umstrittene-erinnerung-der-kolumbus-tag/a-40924040 | |
[8] https://www.longislandpress.com/2017/05/17/yaphank-community-ordered-to-all… | |
[9] https://www.britannica.com/topic/Newsday | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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