| # taz.de -- UN-Ermittler decken auf: Trumps Libyen-Debakel | |
| > Elitekämpfer einer US-Söldnerfirma sollten die international anerkannte | |
| > Regierung in Libyen ausschalten. Doch das „Projekt Opus“ ging schief. | |
| Bild: Gründer einer Söldnerfirma und Trump-Vertrauter: Erik Prince, hier bei … | |
| Tunis taz | Es klingt wie ein Hollywood-Actionfilm. Zweimal versuchten | |
| Elitekämpfer des Trump-Vertrauten Erik Prince, in Libyens Hauptstadt die | |
| [1][international anerkannte Einheitsregierung] zu stürzen, zweimal flohen | |
| sie gescheitert in Schlauchbooten über das Mittelmeer. Experten der | |
| Vereinten Nationen haben die Aktion nun im Detail nachgezeichnet. Die | |
| Politposse zeigt, wie sehr [2][die Welt in den Konflikt in Libyen] | |
| verwickelt ist. | |
| Libyen war seit dem von der Nato unterstützten [3][Sturz der | |
| Gaddafi-Diktatur 2011] politisch gespalten. Ein UN-Friedensprozess hatte | |
| Ende 2015 in der Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes eine | |
| Übergangsregierung unter Premierminister Fajis al-Sarradsch hervorgebracht, | |
| doch dessen Gegenspieler erkannten ihn nicht an und sammelten sich im Osten | |
| Libyens, um den selbsternannten Feldmarschall Chalifa Haftar, der schon | |
| unter Gaddafi gedient und danach lange im US-Exil gelebt hatte. | |
| Im April 2019 setzte der 74-Jährige seine „Libysche Nationalarmee“ (LNA) in | |
| Bewegung Richtung Westen und begann mit der Belagerung von Tripolis. | |
| 19 Monate sollte der Krieg dauern. Haftar hatte in Bengasi den Häuserkampf | |
| gegen islamistische Milizen gewonnen, deren Kommandeure waren nach Tripolis | |
| geflohen – nun wollte der Feldmarschall die Macht im ganzen Land. Doch | |
| viele ehemalige Freiwillige aus Bengasi wollten an dem Feldzug gen Westen | |
| nicht teilnehmen. Die Offiziersclique um Haftar bildete junge Rekruten in | |
| einer aus dem Boden gestampften Militärakademie aus und [4][warb Söldner | |
| aus Sudan und Syrien an]. | |
| ## Die geheime Front | |
| Im Militärflughafen al-Kadim nahe Bengasi landeten ein Jahr vor Beginn der | |
| LNA-Offensive auf Tripolis fast täglich Transportflugzeuge aus Syrien, | |
| Jordanien oder den Vereinigten Emiraten. Auch der russische Geschäftsmann | |
| und Putin-Vertraute Jewgeni Prigoschin wurde ab Sommer 2018 mehrmals in | |
| Bengasi gesichtet. | |
| Wie viele libysche Offiziere war Haftar in den 1970er Jahren in | |
| sowjetischen Militärakademien ausgebildet worden, er setzte auf russische | |
| Expertise. Haftars Befehlsstab wusste aber, dass der Aufbau einer | |
| schlagkräftigen Armee im Osten Libyens wohl nicht ausreichte, um die | |
| wesentlich bevölkerungsreichere Tripolitanien-Provinz rund um Tripolis zu | |
| erobern. | |
| Nun hat die UN-Expertengruppe, die Verstöße gegen das UN-Waffenembargos | |
| gegen Libyen untersucht, herausgefunden: Es gab in Haftars Krieg noch eine | |
| zweite, geheime Front – die direkte Ausschaltung von Offiziellen und | |
| Kommandeuren der in Tripolis regierenden Einheitsregierung. Dafür gesellte | |
| sich Erik Prince, Gründer der durch Übergriffe während der US-Besatzung | |
| Iraks berüchtigt gewordenen Söldnerfirma Blackwater, zu den Vereinigten | |
| Arabischen Emiraten, Frankreich, Ägypten und Prigoschins „Wagner-Gruppe“ | |
| aus Russland, in der auch viele osteuropäische Offiziere dienten. | |
| „Projekt Opus“, benannt nach der Firma „Opus Capital Management“ der | |
| britischen Geschäftsfrau Amanda Kate Perry in Dubai, sollte 20 Elitekämpfer | |
| an Einsatzorte rund um Tripolis bringen, von wo aus sie gezielte | |
| Kommandoaktionen durchführen sollten. Die New York Times zitiert aus dem | |
| unveröffentlichten UN-Expertenbericht, dass eine Antonow An-26 von einer | |
| Firma aus den Bermuda-Inseln gechartert wurde, dazu ein Lasa-„T | |
| Bird“-Leichtflugzeug und ein Pilatus-PC-6-Aufklärungsflieger eines | |
| österreichischen Herstellers. Bezahlt war die kurzfristig georderte | |
| Luftflotte nach UN-Erkenntnis noch nicht. | |
| Der Anwalt von Prince dementiert gegenüber der New York Times, dass sein | |
| Mandant irgendetwas mit einer militärischen Operation in Libyen im Sommer | |
| 2019 zu tun gehabt habe. Doch von der taz kontaktierte Offiziere in Bengasi | |
| bestätigen die Ankunft von Söldnern im Juni 2019. 20 Kämpfer aus England, | |
| Südafrika und auch ein US-Amerikaner seien am Flughafen gesehen worden. | |
| ## In Gummibooten Richtung Libyen | |
| Kurz nach ihrer Ankunft gab es die ersten Spannungen, so die UN-Experten, | |
| die den Bericht der New York Times gegenüber der taz bestätigen. Offenbar | |
| konnte das Söldnerkommando nicht wie versprochen Cobra-Helikopter aus den | |
| USA organisieren. | |
| Nach einem Eklat gingen die Elitekämpfer in der Nacht zum 29. Juni 2019 an | |
| Bord eines Schnellboots im Hafen von Bengasi und reisten wieder ab. Nach 40 | |
| Stunden erreichten sie Valetta auf Malta. Eine kleine Gruppe von | |
| Elektronikspezialisten blieb in Libyen zurück, ebenso die für den Einsatz | |
| in Tripolis vorgesehenen Flugzeuge, die laut UN-Bericht mit der Ankunft der | |
| Söldner eingeflogen worden waren. | |
| Ein zweites Kommando aus Scharfschützen und für den Kampf hinter | |
| feindlichen Linien ausgebildeten Kämpfern flog im April 2020 nach Bengasi | |
| und dann weiter an die Front vor Tripolis. Am 24. April 2020 erreichten 13 | |
| Franzosen die tunesisch-libysche Grenze und gaben sich gegenüber Tunesiens | |
| Grenzbeamten als Diplomaten aus – waren aber schwerbewaffnet. Sie wurden | |
| verhaftet, konnten aber nach diplomatischem Druck aus Paris nach Tunis | |
| fahren. | |
| Am Folgetag erreichten 11 Europäer in zwei Gummiboten die tunesische | |
| Ferieninsel Djerba. Nach Aussagen libyscher Offiziere waren sie Teil des | |
| Söldnerkommandos. Stunden vorher hatten westlibysche Einheiten mit | |
| Unterstützung durch türkische Drohnen Hafters westlibysches Hauptquartier | |
| in der Stadt Gharian im Handstreich eingenommen. | |
| Auf die Verbindung zu Erik Prince stießen die UN-Ermittler über Papiere, | |
| die das nach der Ankunft auf Malta festgesetzte erste Team in Bengasi | |
| zurückgelassen hatte: unter anderem eine Powerpoint-Präsentation mit einer | |
| Liste von westlibyschen Kommandeuren und Politikern, die in | |
| Kommandoaktionen liquidiert werden sollten. | |
| Laut der britischen Zeitung The Times scheiterte die 80 Millionen US-Dollar | |
| teure Operation auch an einem in Jordanien stationierten britischen | |
| Militärberater. Brigadier Alex Macintosh beriet im Juni 2019 die | |
| jordanische Armee, als er dort von der Ankunft von Hubschraubern aus Dubai | |
| für die Söldner in Libyen Wind bekam. Auf seinen Rat hin stoppte Jordanien | |
| den Weitertransport, die Söldner mussten sich minderwertige | |
| Ersatzhubschrauber aus Südafrika besorgen, woraufhin es zum Zerwürfnis mit | |
| Haftar kam. | |
| ## Haftar als Partner gegen den Terror | |
| Erik Prince war in Libyen kein Unbekannter. Geschäfte mit Haftar machte er | |
| bereits seit 2013, während dessen Krieg gegen islamistische Milizen im | |
| Bengasi. Die hatten dort am 11. September 2012 den US-Botschafter Chris | |
| Stevens bei einem Besuch in Bengasi angegriffen, er starb an einer | |
| Rauchvergiftung in dem von den Angreifern angezündeten Konsulat. | |
| Den Einsatz von Prince für den Feldmarschall ließ auch die Obama-Regierung | |
| trotz UN-Waffenembargo klammheimlich gewähren. Auch Frankreich setzte auf | |
| Haftar als Partner im Kampf [5][gegen islamistische Terrorgruppen in | |
| Nordafrika]. 2015 wurde ein Privatjet, den die Prince-Firma Frontier | |
| Service Group aus Hongkong geleast hatte, nach Bengasi geliefert. Haftar | |
| flog mit der 30-sitzigen Maschine seitdem immer wieder zu Treffen in | |
| Jordanien oder den Emiraten. | |
| Inzwischen ist der Konflikt zwischen Haftar und der Regierung in Tripolis | |
| vorbei. Mit türkischer Hilfe drängten die Regierungsmilizen im Sommer 2020 | |
| Haftars Einheiten zurück, [6][ein Waffenstillstand hält], und bei | |
| Gesprächen in der Schweiz ist [7][eine neue Regierung ernannt worden]. Doch | |
| der vereinbarte Abzug der Söldner aus Libyen hat nicht begonnen. | |
| Bewohner in Sirte, Gaddafis ehemaliger Heimatstadt, berichten, dass | |
| [8][ausländische Söldner] weiterhin Verteidigungsstellungen ausheben. Die | |
| UN-Experten gehen davon aus, dass die meist vermummten ausländischen | |
| Militärs Angestellte der russischen Sicherheitsfirma Wagner sind, die | |
| weiter im Dienst Haftars stehen. Rund um Sirte stehen derweil immer noch | |
| die von der Türkei nach Westlibyen geschickten syrischen Rebellen. | |
| „Der Krieg ist schon lange nicht mehr unser Krieg“, sagt der | |
| Menschenrechtsaktivist Mohamed Alhmozzi. „Der Großteil der Gewinne aus dem | |
| wieder gestiegenen Erdölexport geht immer noch an die bewaffneten Gruppen | |
| und Söldner.“ | |
| 25 Feb 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mirco Keilberth | |
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