# taz.de -- Türkei-Besuch von Selenski: Paukenschlag in Istanbul | |
> Der türkische Präsident stellt der Ukraine überraschend einen | |
> Nato-Beitritt in Aussicht – aber erst nach dem Krieg. Schweden lässt er | |
> weiter zappeln. | |
Bild: Verlängern sie das Getreideabkommen? Die Präsidenten der Türkei und de… | |
ISTANBUL taz | Der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski | |
in Istanbul endete am späten Freitagabend mit einem Paukenschlag. Zur | |
Überraschung des anwesenden Publikums und politischer Beobachter weltweit | |
erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf der | |
abschließenden Pressekonferenz, nach seiner Meinung habe es die „Ukraine | |
ganz klar verdient, [1][nach dem Krieg] Nato-Mitglied zu werden“. Er | |
erwarte von der Regierung in Kyjiw aber auch, dass sie schnell wieder zu | |
Friedensverhandlungen mit Russland bereitstehe. | |
Erdoğans Ankündigung überraschte umso mehr, als Ankara [2][einen Beitritt | |
Stockholms zur Nato nach wie vor blockiert]. Um hier dennoch | |
weiterzukommen, soll am Montag, noch vor dem tags darauf beginnenden | |
Nato-Gipfel in Vilnius, ein Spitzengespräch zwischen Erdoğan und Schwedens | |
Ministerpräsident Ulf Kristersson stattfinden. | |
Selenski, dessen wichtigstes Anliegen beim Nato-Spitzentreffen eine | |
Einladung ins Militärbündnis ist, strahlte über beide Ohren, als der | |
türkische Präsident sein Statement abgab. Gerade von Erdoğan war eine solch | |
klare Positionierung nicht erwartet worden; gilt er innerhalb der Allianz | |
doch neben Ungarns Viktor Orbán als größter Putin-Versteher. Kremlsprecher | |
Dmitri Peskow hatte vor dem Treffen der beiden Staatschefs gesagt, dass | |
Russland es genau verfolge. | |
## Kreml: Ankara wurde unter Druck gesetzt | |
Während der Kreml sich zu Erdoğans Nato-Aussage bedeckt hielt, war die | |
Empörung über ein weiteres türkisches Zugeständnis gegenüber der Ukraine | |
umso größer. Als Trophäe bekam Selenski von Erdoğan drei Kommandeure des | |
berühmt-berüchtigten Asow-Regiments aus Mariupol übergeben, die eigentlich | |
bis zum Ende des Krieges in der Türkei hätten bleiben sollen. Bei einem | |
früheren Gefangenenaustausch zwischen Kyjiw und Moskau, bei dem die Türkei | |
als Vermittler mitgewirkt hatte, hatte Russland eine Reihe festgehaltener | |
Asow-Gefangener mit der Maßgabe ausgetauscht, dass diese Männer bis | |
Kriegsende in der Türkei in Gewahrsam bleiben. | |
Peskow sprach denn auch von einem Bruch einer ganz klaren Vereinbarung, der | |
sich negativ auf zukünftige Verhandlungen über den Austausch von Gefangenen | |
auswirken könnte. Allzu hart wollte er Erdoğan aber nicht angehen, sondern | |
spekulierte lieber darüber, dass der türkische Präsident im Vorfeld des | |
litauischen Gipfeltreffens von den übrigen Nato-Staaten wohl massiv unter | |
Druck gesetzt worden sei. | |
Eigentliches Hauptgesprächsthema zwischen Erdoğan und Selenski war die | |
Verlängerung des sogenannten Getreideabkommens zwischen der Ukraine und | |
Russland. Auf dessen Grundlage dürfen Schiffe auf einer festgelegten Linie | |
im Schwarzen Meer Getreide und andere Agrarprodukte aus ukrainischen Häfen | |
ausführen – ohne von russischen Kriegsschiffen angegriffen oder aufgehalten | |
zu werden. | |
Das Abkommen läuft nach jetzigem Stand am 17. Juli aus. Russland droht seit | |
Wochen damit, die vor knapp einem Jahr beschlossene Vereinbarung nicht zu | |
verlängern, weil die Zusagen gegenüber Moskau nicht eingehalten würden. Der | |
türkische Präsident setzt sich gemeinsam mit den Vereinten Nationen dafür | |
ein, dass es verlängert wird. Dazu soll es in Kürze auch ein Treffen | |
Erdoğans mit Russlands Präsident Wladimir Putin geben. | |
9 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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