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# taz.de -- Transgene Tiere als Ersatzteillager: Schweinezellen im Menschenbauch
> Tier-Mensch-Chimären und transgene Schweine sollen genutzt werden, um
> Ersatzorgane mit menschlichen Eigenschaften wachsen zu lassen.
Bild: Geklonte Ferkel in Chinas Biotechzentrum in Tianjin: Dort wird auch versu…
Geht es nach Transplantationsmedizinern, kommen Schweinenieren demnächst
nicht nur als Delikatesse auf den Teller, sondern auch als Organersatz in
den menschlichen Körper. Denn der Allesfresser ist uns anatomisch ziemlich
ähnlich – und Forscher bekommen auch die Abstoßreaktionen des Immunsystems
immer besser in den Griff.
Allein in Deutschland stehen mehr als 10.000 Patienten auf der Warteliste
für Herz, Lunge, Niere oder Leber eines anderen Menschen. Doch es gibt zu
wenige Spenderorgane, und ihre Zuteilung funktioniert ebenfalls nicht
optimal. Forscher suchen daher nach Alternativen für die Organspende von
Mensch zu Mensch.
Eine davon ist die Xenotransplantation, bei der man einem Tier Organe
entnimmt – und der Fokus liegt hier nicht etwa auf den uns nahe stehenden
Affen, sondern ausgerechnet auf den Schweinen.
Der Grund dafür ist, dass es sie als traditionelle Masttiere in reichlicher
Anzahl gibt, und auch ihre Organe ähneln oft denen des Menschen. Gelenke
und Herz der Huftiere würden zwar nicht mit unserer aufrechten
Körperhaltung klarkommen, doch Augennetzhaut, Leber, Niere und
Bauchspeicheldrüse würden auch im Homo sapiens arbeiten.
## Attacken des Immunsystems
Das Problem ist jedoch, dass dem menschlichen Immunsystem die Ähnlichkeit
nicht weit genug geht. Es empfindet implantierte Schweineorgane als
Fremdkörper, die so heftig attackiert werden, dass sie binnen weniger
Minuten absterben.
Selbst Medikamente zur Unterdrückung der Immunantwort können dagegen nichts
ausrichten. Ganz zu schweigen davon, dass bei einer Organverpflanzung vom
Schwein auf den Menschen problematische Viren überspringen, woran auch die
absolut keimfreie Aufzucht der Huftiere nichts ändern würde. Denn diese
Viren schlummern von Geburt an verborgen im Erbgut der Schweine, und
niemand weiß, was sie im menschlichen Körper anrichten können.
Die forschende Pharmaindustrie hat daher in den letzten Jahren das
Interesse an dem Thema verloren. Doch das ändert sich gerade. Denn immer
häufiger gelingt Forschern die Züchtung transgener Schweine, deren Erbgut
keine Problemviren mehr enthalten sollen und deren Organe so verändert
sind, dass sie im Körper des Menschen keine Abstoßungsreaktionen
hervorrufen.
Wie etwa an den National Institutes of Health (NIH) im US-Staat Maryland,
wo man fünf Pavianen die Herzen von vier bis acht Wochen alten Schweinen
eingesetzt hat. Dazu wurde die Immunabwehr der Affen mit einem speziellen
Mix aus Antikörpern und Medikamenten ruhiggestellt. Zudem benutzte man als
Spender transgene Schweine, auf deren Zelloberflächen ein bestimmtes
Zuckermolekül fehlte, das für die Mehrzahl aller Abstoßungsreaktionen
verantwortlich ist. Stattdessen wurden die Zellen mit zwei Genen
nachgerüstet, die auf das Blutgerinnungssystem der Affen abgestimmt waren.
Dadurch sollten typische Transplantationsprobleme mit Blutgerinnseln
vermieden werden.
## Paviane mit Schweinherz
Das Ergebnis der Spendenaktion: Die Paviane überlebten mit ihrem neuen
Herzen durchschnittlich 298 Tage. Einer von ihnen brachte es sogar auf 945
Tage, also mehr als zweieinhalb Jahre, was einem Zehntel der
Lebenserwartung dieser Affen in Freiheit entspricht. Und Muhammad
Mohiuddin, NIH-Studienleiter, betont, dass seine Probanden eigentlich nur
starben, weil man ihre Medikation eingestellt hatte, um zu testen, ob sich
ihre Immunabwehr mittlerweile mit dem neuen Herzen arrangiert hatte.
Was umgekehrt aber auch bedeutet, dass trotz der gentechnischen Anpassung
immer noch Medikamente zum Überleben der Tiere notwendig waren.
Transplantationschirurg Bernhard Hering von der University of Minnesota
setzt daher in seiner Forschungsarbeit noch entschiedener auf
Gentechnologie. Wobei er sich auf einen bestimmten Zelltypus spezialisiert
hat: die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse. Diese kann man bereits vom
Schwein auf den Menschen übertragen, doch bisher muss dieser dann noch
immunsuppressive Medikamente einnehmen, was letztendlich gegenüber der
bisher üblichen Insulinbehandlung kein wirklicher Fortschritt ist. Also
plant Hering, das Immunsystem zu überlisten: „Wir wollen so perfekte
Inselzellen vom Schwein, dass sie nicht mehr abgestoßen werden und
immunsuppressive Medikamente überflüssig machen.“
Einen Sponsor für das Projekt hat Hering bereits gefunden, weswegen sein
Team demnächst damit beginnen wird, transgene Schweine mit exakt passenden
Inselzellen zu züchten. Insofern es ja nur um einen Zelltypus und nicht um
ein komplettes Organ geht, könnte er schon bald Erfolg haben.
## Fremde Insulinzellen
Einer seiner Konkurrenten auf dem Biomedizinmarkt ist trotzdem schon etwas
weiter. Einem neuseeländischen Labor gelang es nämlich, die Inselzellen vom
Schwein in gelatineartigen Tautropfen zu verpacken, sodass die menschliche
Immunabwehr die Spende widerstandslos durchwinkt. Es gibt bereits
Patienten, die seit zehn Jahren damit leben, ohne Anzeichen von
Immunreaktionen oder Infektionen – allerdings produzieren viele ihrer
Inselzellen kein Insulin mehr.
Einen anderen Ansatz – jenseits von Genmanipulation und Gelatinehülle –
verfolgt das Hybridexperiment des Salk Institute for Biological Sciences in
Kalifornien. Dort hat man menschliche Stammzellen in einen Schweineembryo
und diesen anschließend in die Gebärmutter einer Sau eingepflanzt. Aus
Stammzellen können bekanntlich alle möglichen Organe werden, und so dauerte
es in dem Test nur vier Wochen, bis sich im Schweinebauch Vorläuferzellen
entwickelt hatten, aus denen man komplette Herzen, Lungen oder Nervenzellen
hätte züchten können.
Das Ziel solcher Versuche ist klar: Das Schwein soll zu einem
Ersatzteillager für Organe werden, die prinzipiell vom Menschen stammen,
sodass sie nach der Transplantation nicht mehr abgestoßen werden. Auch
dieser Plan könnte aufgehen. Technisch zumindest. Ethisch betrachtet klingt
er jedoch nach einem Mischwesen, beispielsweise einem Schwein mit
Menschenhirn. Solche Visionen stoßen in der Öffentlichkeit meistens auf
großen Widerstand.
10 Mar 2017
## AUTOREN
Jörg Zittlau
## TAGS
Stammzellen
Klontiere
Organspende
CRISPR
Organspende
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