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# taz.de -- Tod der Radsport-Ikone Pantani: Kokain-Überdosis oder Mord?
> Wie Tour- und Giro-Sieger Pantani starb, ist unklar. Seine Mutter glaubt
> nicht an einen Drogentod und veröffentlicht neue Indizien. Der Fall wird
> wieder aufgerollt.
Bild: Ohren im Wind: Pantani beim Prolog des Giro d'Italia 2001.
BERLIN taz | „Lasst Pantani ruhen.“ Wie ein Mantra trug Giuseppe Martinelli
im letzten halben Jahr diesen Satz auf den Lippen. Der 59-Jährige
begleitete Marco Pantani als sportlicher Leiter bei dessen Triumphen bei
Tour de France und Giro d’Italia. Er war auch der Chef von Vincenzo Nibali,
als der kürzlich die Tour de France gewann.
Weil die beiden größten italienischen Radprofis der letzten zwei Jahrzehnte
gern verglichen werden und sich Pantanis mysteriöser Tod in diesem Jahr zum
zehnten Mal jährte, setzte eine regelrechte Pantani-Welle ein. Und
Martinelli, der vor allem Image-Kollateralschäden für seinen neuen Star
vermeiden will, versuchte, die Welle zu bremsen.
Jetzt nimmt sie neue Fahrt auf. Nach Informationen der Gazzetta dello Sport
nahm die Staatsanwaltschaft Rimini die Ermittlungen wegen vermuteten
Totschlags auf. Die Nachricht machte durch einen Facebook-Eintrag von
Pantanis Mutter Tonina die Runde. Sie hatte in den letzten Jahren immer
wieder betont, nicht an eine Überdosis Kokain als Todesursache zu glauben.
„Marco war kein Drogenabhängiger“, behauptet sie seit Jahren standhaft.
Gemeinsam mit einem auf rätselhafte Todesfälle spezialisierten Anwalt
sammelte sie neue Indizien, die auf einen bewusst herbeigeführten Tod
deuten könnten. Sie feiert die Aufnahme der Ermittlungen als „eine Etappe
im Kampf um die Wahrheit“.
Die Staatsanwaltschaft ist deutlich vorsichtiger. „Wir haben die Unterlagen
erhalten. Wenn eine Anzeige wegen versuchten Totschlags aufgegeben wird,
ist es unsere Pflicht, eine Ermittlung einzuleiten. Wir werden die
Unterlagen lesen und danach entscheiden“, teilte Staatsanwalt Paolo
Giovagnoli mit.
## Das Sechsfache einer tödlichen Dosis
Um den Tod von Pantani im Hotel Le Rose in Rimini gab es schon früh
Gerüchte. „Marco war nicht allein im Zimmer, als er starb“, behauptete
seine Mutter. Die Menge des Kokains, das in seinem Körper gefunden wurde –
laut Autopsie das Sechsfache einer tödlichen Dosis –, weckte zumindest
Zweifel daran, ob Pantani die Droge aus eigenem Entschluss zu sich nahm.
„Er stand jemandem im Wege. Er wollte über Doping aussagen und das hat
jemanden gestört“, glaubt seine Mutter. Ein Mord zur Verschleierung von
Doping? Das wäre eine neue Dimension im Zusammenhang mit diesem
Krebsgeschwür des Sports. Um Pantani rankten sich in der Vergangenheit aber
noch andere Gerüchte. Etwa die, dass er der italienischen Wettmafia im Wege
gestanden haben könnte.
Hinweise darauf lieferte der im Gefängnis einsitzende frühere Straßenräuber
Renato Vallanzasca. Er erzählte, er sei von einem Mithäftling aufgefordert
worden, beim Giro 1999 gegen einen Sieg Pantanis zu wetten. Pantani,
Titelverteidiger des Vorjahres, führte damals souverän das Klassement an.
Weil aber, so Vallanzascas These, illegale Wettanbieter befürchteten, im
Falle eines Pantani-Siegs zu viel Geld an die Wetter auszahlen zu müssen,
hätten sie dann dafür gesorgt, dass Pantani wegen einer positiven
Dopingkontrolle aus dem Rennen genommen wurde.
## Gewinner sind die Wettanbieter
Das klingt abenteuerlich und erinnert an eine andere italienische
Verschwörungstheorie: die Fußballmeisterschaft 1987/88, die schon sicher in
den Händen des Titelverteidigers SSC Neapel mit der Überfigur Maradona
schien, dann aber verloren ging. Neapel, das auf seinen Herzensverein
gesetzt hatte, wurde noch ärmer, die Wettanbieter wurden reicher.
Fakt bei dem möglichen Remake im Radsport ist immerhin, dass „il pirata“
der einzige Profi war, bei dem Blutkontrollen während des Giro einen
erhöhten Hämatokritwert ergaben. Profis jener Zeit hatten es gewöhnlich gut
im Griff, den Wert rechtzeitig vor einer Kontrolle durch Flüssigkeitszufuhr
unter die 50-Prozent-Schwelle zu bringen. Pantanis Ausschluss half
jedenfalls den Wettanbietern.
Für ihn selbst war dieses Ereignis der Beginn eines sportlichen wie
psychischen Abstiegs. Er fand seinen Tiefpunkt im – möglicherweise
gewaltsam herbeigeführten – Tod. Eine Aufklärung der Todesumstände ist
wichtig. Vielleicht lösen sie auch einige der Rätsel, die das Leben des
Radstars betreffen.
3 Aug 2014
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Radsport
Doping
Tour de France
Kokain
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