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# taz.de -- Radsportprofi Winokurow: Betrüger oder Cyberattacken-Opfer?
> Der kasachische Radsportprofi Alexander Winokurow soll sich einen Sieg
> von einem Konkurrenten erkauft haben. Er behauptet, sein Mail-Account sei
> geknackt worden.
Bild: In Erklärungsnot: Alexander Winokurow.
BERLIN taz | Ist Alexander Winokurow ein Betrüger oder ein
Cybercrime-Opfer? Das Schweizer Magazin L'Illustré bezichtigt aufgrund
eines E-Mail-Verkehrs den kasachischen Radprofi, sich für 100.000 Euro den
Sieg im Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich 2010 gekauft zu haben – und den
russischen Radprofi Alexander Kolobnew, sich für diese Summe gekauft haben
zu lassen.
Winokurow bestreitet das vehement. Er behauptet, jemand habe seinen
E-Mail-Account geknackt und einen Rufmord an ihm inszeniert. Kolobnew
hingegen ist abgetaucht. Der Russe war wegen eines positiven Dopingtests
von der Tour de France 2011 weggejagt worden. Weil Winokurow vor vier
Jahren mit Fremdblutdoping erwischt wurde, sehen sich nun zwei Männer mit
beflecktem Leumund neuerlichen Betrugsvorwürfen ausgesetzt.
Der Fall macht auch darauf aufmerksam, dass der Profiradsport seit langer
Zeit nicht nur von Dopinggeräuschen, sondern auch vom Verdacht einer
patriarchalen Form von Sportbetrügerei geprägt ist. So behauptet der
Festina-Manager Bruno Roussel in seinem Abrechnungsbuch "Tour der Laster",
dass Jan Ullrich bei der Frankreichrundfahrt 1997 dem Franzosen Richard
Virenque gegen Zahlung von 100.000 Francs (circa 15.200 Euro) den
Etappensieg nach Courchevel überlassen hatte.
Später bei dieser Rundfahrt soll Virenque Roussell zufolge versucht haben,
den Italiener Pantani und den Spanier Olano mit versprochenen Geldzahlungen
zu einer Attacke gegen Ullrich zu motivieren. Die in Aussicht gestellte
Summe sei aber zu gering gewesen. Die betreffenden Fahrer wiesen die 2001
geäußerten Anschuldigungen zurück. Das Ullrich-Lager sprach – wie der
damalige Telekom-Fahrer Winokurow heute – von Rufmord.
## Betrugseinnahmen in die Mannschaftskasse
Telekom-Kommunikationschef Jürgen Kindervater sagte damals: "Hätte Jan rund
30.000 Mark kassiert, wäre das in die Mannschaftskasse gewandert. Das hätte
dann für jeden etwa 4.000 Mark gemacht. Ich glaube nicht, dass es Jan nötig
hat, für eine solche Summe einen Sieg zu verkaufen." Kindervater scheint
angenommen zu haben, es sei gängige Praxis, dass alle einkommenden
Zahlungen inklusive Betrugseinnahmen in die Mannschaftskasse wandern und
dort brüderlich geteilt werden.
Bei Kolobnews russischem Team Katjuscha scheinen indes andere Sitten zu
herrschen. Wenn er denn die 100.000 Euro vom monegassischen Konto
Winokurows erhalten hat, dann hat er sie wohl nicht mit seinen
Mannschaftskameraden geteilt. "Wenn er wirklich den Sieg gegen Geld
weggegeben hat, dann ist das auch ein Betrug an der Mannschaft", empörte
sich der Katjuscha-Teamchef Hans-Michael Holczer gegenüber taz und stellte
klar, dass Kolobnew gegenwärtig nicht zum Team Katjuscha gehöre.
Ob die Bestechungsvorwürfe zutreffen, ist allerdings noch nicht geklärt.
Die vom Magazin L'Illustré Winokurow und Kolobnew zugeschriebenen Mails
lesen sich aufgrund der schwülstigen Einbeziehungen von Gott und der
Appelle an die Ehre sogar wie Briefe im Geiste Bernardo Provenzanos, des
einstigen Oberbosses der sizilianischen Cosa Nostra.
"Du weißt, die Erde ist rund und der gute Gott sieht alles", soll etwa
Winokurow geschrieben und sich damit für sein zweiwöchiges Schweigen nach
der bei ihm eingegangenen Zahlungsaufforderung von Kolobnew entschuldigt
haben. Er bedankt sich noch einmal für Kolobnews Entgegenkommen und
verspricht ihm, dass dieser im Gegenzug die WM gewinnen werde. "Ich werde
alles dafür machen, nicht nur wegen unseres Abkommens", meint Winokurow.
Kolobnew hingegen tönt: "Meine Seele ist erleichtert, dass du es warst, der
gewonnen hat und nicht irgendein anderer." Das alles klingt so aufgesetzt,
dass man nicht überrascht wäre, zu erfahren, es stammte aus der Feder eines
begabten Wiedergängers von Karl May.
Winokurow jedenfalls sagt, dass sein Mail-Account geknackt worden sei.
Ähnliches war ihm im Juni mit seinem Twitter-Account passiert. Damals hatte
ein Scherzbold Sprüche wie "Vino nicht beim Giro, Strecke zu einfach"
abgelassen. Vielleicht sollte der Kasache den Chaos Computer Club klären
lassen, ob er Opfer von Cyberattacken wurde. Geld für die Auslagen der
IT-Profis hat er genug. Die Zahlung an Kolobnew bestreitet er nicht,
sondern erklärte: "Ich verleihe oft Geld." Mit dieser Haltung ist Wino in
Zeiten, in denen nicht einmal Banken mehr Geld verleihen, glattweg ein
Kandidat für einen unbedingt einzurichtenden Weltwirtschaftsverdienstpreis.
8 Dec 2011
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Radsport
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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