# taz.de -- Textil-Discounter Kik: Jeansfabrik als tödliche Falle | |
> Beim Brand einer pakistanischen Fabrik starben 258 Menschen. Das Werk | |
> belieferte auch die Textilkette Kik. Arbeitssicherheit ist den Käufern | |
> egal. | |
Bild: „Okay“-Jeans von Kik: möglicherweise in Karatschi produziert. | |
BERLIN taz | „Niemand, der mit oder für uns arbeitet, soll seelischen oder | |
körperlichen Schaden nehmen“, heißt es im Verhaltenskodex, den sich der | |
Discounter Kik selbst gegeben hat. | |
Doch die Realität sieht anders aus: In einer Textilfabrik im Norden der | |
pakistanischen Hauptstadt Karatschi, die in der vergangenen Woche | |
abbrannte, kamen nach letzten Erkenntnissen 258 Menschen ums Leben. In den | |
Trümmern fanden Feuerwehrleute jetzt Jeans mit dem Label „Okay“ – einer | |
Marke, die Kik verkauft. | |
„Die ausländischen Käufer interessieren sich nicht für die | |
Arbeitsbedingungen in den hiesigen Fabriken“, sagt Nasi Mansoor vom | |
pakistanischen Gewerkschaftsbund. „Jeder, der den Betrieb auch nur ein | |
einziges Mal besucht, hätte die katastrophalen Sicherheitsbedingungen | |
sofort entdeckt.“ | |
Die Menschenrechtsorganisation Kampagne für saubere Kleidung fordert Kik | |
auf, die Hinterbliebenen der Opfer zu entschädigen und eine umfassende | |
Sicherheitskontrolle der übrigen Zulieferer durchzuführen. Neben Kik sollen | |
auch zahlreiche andere europäische und US-amerikanische Firmen Auftraggeber | |
der Firma gewesen sein. Die Löhne der Textilarbeiter in Pakistan zählen | |
nach denen in Bangladesh zu den niedrigsten in Asien. | |
Kik ist der siebtgrößte Textilhändler in Deutschland und verkauft zurzeit | |
Jeans für 15,99 Euro das Stück. „Wir sind zutiefst betroffen über dieses | |
schreckliche Unglück und den tragischen Tod so vieler Menschen. Den | |
Angehörigen der Opfer gehört unser Beileid“, schreibt Kik-Pressesprecherin | |
Beatrice Volkenandt und kündigt den Aufbau eines Hilfsfonds mit anderen | |
Auftraggebern an. | |
## Katastrophale Beschäftigungsverhältnisse | |
Wie viele Näherinnen und Textildrucker das Unternehmen Ali Enterprises | |
tatsächlich beschäftigte, ist unklar, weil offenbar kaum jemand einen | |
Arbeitsvertrag hatte und die Beschäftigten nicht sozialversichert waren, | |
wie die pakistanische Zeitung The News berichtet. | |
Einer der drei Besitzer der Firma gilt als führender Hosenexporteur | |
Pakistans mit viel Einfluss auf Behörden und Politik – und so konnte er den | |
Auftraggebern offenbar Zertifikate vorlegen, dass die Arbeitsbedingungen in | |
der Fabrik den international erwarteten Standards entsprachen. | |
Tatsächlich war die Situation in dem dreistöckigen Gebäude katastrophal: | |
Überall lagen Ballen mit Kleidungsstücken und Textilien herum, die bei dem | |
Kabelbrand im ersten Stock sofort Feuer fingen, wie später geborgene | |
Überwachungskameras belegen. | |
## Kein Ausgang aus den brennenden Gebäude | |
Viele Fenster waren zugemauert, und es gab nur einen Ausgang, der | |
elektronisch gesichert war und aufgrund des Stromausfalls blockierte. So | |
wurde die Fabrik für die Belegschaft zur tödlichen Falle. Viele Menschen | |
erstickten und verbrannten, manche versuchten sich durch einen Sprung aus | |
dem oberen Stockwerk in die Tiefe zu retten, andere ertranken im Keller im | |
Löschwasser. | |
Der Unfall ist das bisher schwerste Unglück in der pakistanischen | |
Industrie. Die drei Fabrikbesitzer sind angeblich ins Ausland geflohen. Sie | |
sollen wegen Mordes angeklagt werden. Die pakistanische Staatsbank hat die | |
Geldinstitute angewiesen, ihre Konten einzufrieren. | |
18 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Annette Jensen | |
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