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# taz.de -- Streit um tote Geiseln in Israel: Alle haben versagt
> Vier israelische Geiseln aus dem Gazastreifen sollten freikommen. Jetzt
> sind sie tot. Weder der Hamas noch Netanjahu lag ihr Schicksal am Herzen.
Bild: Yifat Zailer hält Fotos in den Händen: von ihrer Kusine Shiri Bibas, de…
Berlin/Tel Aviv taz Am Donnerstag soll das Warten ein Ende haben: Vier tote
Geiseln sollen aus dem Gazastreifen zurück nach Israel überführt werden.
Bisher war nur der Name einer toten Geisel bestätigt: Shlomo Mansour,
[1][der als Dreijähriger das „Farhud“-Pogrom gegen Juden im irakischen
Bagdad überlebte,] dann mit seiner Familie in den neu gegründeten Staat
Israel übersiedelte und schließlich in Gefangenschaft der islamistischen
Hamas im Alter von 86 Jahren verstarb.
Von ihm könnte man viel erzählen: über den Auszug der Juden aus den
arabischen Ländern, ihre Flucht vor dem [2][Islamismus] – heute eine der
ideologischen Grundlagen der Hamas. Über Menschen auf beiden Seiten, für
die 1948 ein Schicksalsjahr wurde.
Am Mittwochabend berichtete reuters, dass der Palästinensische Islamische
Jihad den Körper von Oded Lifshitz am Mittwoch übergeben wolle. Mehr noch
als die Namen von Mansour oder Lifshitz sorgen die drei bisher
Unbestätigten für „Verwirrung, Trauer und Wut“, wie die Times of Israel
titelt. Die Hamas erklärte am Dienstag: Shiri Bibas und ihre kleinen Söhne
Ariel und Kfir sollen nun nach Israel zurückkehren, tot.
Als das Trio am 7. Oktober 2023 aus dem Gaza-nahen Kibbutz Nir Oz entführt
wurde, wurden Bilder der Szenerie schnell zum Symbol des Leids, das die
[3][Hamas]-Kämpfer über die an Gaza angrenzenden israelischen Gemeinden
brachten: Eine junge Mutter, die mit panikverzerrtem Gesicht ihre beiden
rothaarigen Kinder an sich presst, Kleinkind Ariel mit Schnuller im Mund,
von dem einjährigen Kfir ist nur das Köpfchen zu sehen.
Allgegenwärtig sind die Portraits der Familie Bibas auf dem „Platz der
Geiseln“ in Tel Aviv. Auch Vater Yarden Bibas, der jüngst aus der
Geiselgefangenschaft nach Israel zurückkehrte, ist zu sehen. Jemand hat
einen herzförmigen Aufkleber auf seinem Plakat hinterlassen: „Ich bin
zurückgekehrt“.
Shiri, Ariel und Kfir blicken von verwitterten Aufklebern und frisch
gedruckten Plakaten. Statt einen herzförmigen Sticker aufzukleben, bringt
eine Passantin ein Herz mit Widmung an die Familie an: „Entschuldigt“ hat
sie auf Hebräisch darauf geschrieben. „Dass wir sie nicht rechtzeitig
zurückholen konnten“, fügt sie hinzu.
Allgegenwärtig sind sie nicht nur, weil das Schicksal der beiden kleinen
Kinder und ihrer Mutter so fürchterlich tragisch ist. Sondern auch, weil
sich daran so viel erzählen lässt über die vergangenen fünfzehn Monate und
die Momente, die sie charakterisierten.
## Auf militärische Stärke gesetzt
Da ist einmal der Fakt, dass auch das Schicksal zweier Kleinkinder die
israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu nicht bewegen konnte, echte
Konzessionen zu machen, um einen Geiseldeal zu verhandeln. Dass man weiter
auf militärische Stärke setzte und auf einen – wie rückblickend klar wird …
aussichtslosen Kampf gegen eine tief in die zivilen Strukturen Gazas
eingegrabene Hamas.
Dass die Geiseln, wenn auch ihre Befreiung stets als Kriegsziel genannt
wurde, in den Prioritäten hintangestellt wurden: Nur wenige von ihnen
konnten vom Militär gerettet werden. Der Großteil kam durch den ersten
Geiseldeal im November 2023 und den derzeit anhaltenden frei.
Dann ist da die Meldung der Hamas, dass die Drei bereits im November 2023
ums Leben gekommen seien – bei einem israelischen Luftangriff. Das ist
bisher nicht bestätigt und damit nicht mehr als ein Gerücht. Doch dass
Israel bis zuletzt kaum Angaben zu den Bibas-Kindern und ihrer Mutter
machte, außer der schwammigen Anmerkung, man habe „schwere Bedenken“,
bereitet vielen Schmerzen.
Auch weil im kollektiven Gedächtnis blieb, dass das israelische Militär
[4][im Dezember 2023 drei Geiseln], die sich selbst befreit hatten und bei
Truppen Hilfe suchten, erschoss – trotz einer weißen Fahne, die sie bei
sich trugen.
Und schließlich ist da ein Bild eines kleinen rothaarigen Jungen, Teil
einer Bildstrecke, [5][die Aljazeera in November 2023 veröffentlichte] –
nicht Ariel Bibas ist darauf zu sehen, sondern Ahmed aus Khan Younis in
Südgaza. Während die israelische Regierung die Bibas-Kinder hintan stellte,
tat die Hamas mit den Kindern unter ihrer Herrschaft im Gazastreifen das
Gleiche. Auch sie ließ sich fünfzehn Monate lang nicht zu einem Deal
bewegen, setzte sie dem Krieg aus. Auch an der Hamas könnte der derzeitige
Geiseldeal wieder scheitern.
Alle, die in den vergangenen fünfzehn Monaten in Israel und dem
Gazastreifen Entscheidungen getroffen haben, haben versagt. Und so kommen
wohl statt zwei sicherlich gezeichneten, aber lebendigen Kindern mit ihrer
Mutter drei Leichen in Israel an.
19 Feb 2025
## LINKS
[1] https://www.juedische-allgemeine.de/israel/er-ueberlebte-zwei-massaker/
[2] /Israelfeindlichkeit-im-Westen/!5973283
[3] /Deal-zwischen-Israel-und-Hamas/!6067042
[4] https://www.reuters.com/world/middle-east/israeli-troops-killed-hostages-mi…
[5] https://www.aljazeera.com/gallery/2023/11/3/photos-a-picture-and-its-story-…
## AUTOREN
Lisa Schneider
Felix Wellisch
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