| # taz.de -- Streit um Brandenburger Erlebnisdorf: Freizeitpark mit Platz zum Pa… | |
| > „Karls Erlebnis-Dorf“ in Elstal soll massiv erweitert werden. Einen | |
| > Leuchtturm für Umweltschutz will man schaffen, Bedenken gibt es | |
| > reichlich. | |
| Bild: Man will es ja erfahren, also muss man doch auch parken können im Karls … | |
| Berlin taz | Wer im Sommer in Berlin Erdbeeren kaufen will, der kommt kaum | |
| an den markanten roten Ständen von „Karls Erdbeerhof“ vorbei. Laut | |
| Unternehmensinhaber Robert Dahl soll es allein in Berlin um die 160 Stände | |
| geben. Und auch [1][„Karls Erlebnis-Dorf“] im Havelländischen Elstal, eine | |
| Mischung aus Freizeitpark, Erlebnismanufaktur und Gastronomiemeile, ist | |
| unter den Berliner:innen weitgehend bekannt. | |
| Jetzt will Inhaber Dahl das Areal erweitern – und zwar massiv. Umfasste das | |
| Gelände bisher etwa 9,3 Hektar, soll das Erlebnis-Dorf nun auf 79,2 Hektar | |
| anwachsen. Dies geht aus einer Umweltverträglichkeitsuntersuchung der | |
| Gemeinde Wustermark hervor. Damit würde die genutzte Fläche mehr als | |
| verachtfacht werden. | |
| Karls Erdbeerhof grenzt direkt an die Döberitzer Heide, ein europäisches | |
| Natur- und Landschaftsschutzgebiet. Auf circa 5.000 Hektar finden hier | |
| viele seltene Tier- und Pflanzenarten ihren Lebensraum, etwa Rothirsche, | |
| Wisente oder Przewalski-Pferde. Künftig würden Freizeitpark und | |
| Naturschutzgebiet nur durch einen Fahrradweg getrennt. | |
| Diverse Umweltverbände sehen das Projekt deshalb kritisch. So schreibt das | |
| Landesbüro der anerkannten Naturschutzverbände (wie Bund oder Nabu) in | |
| einer Stellungnahme, der „überdimensionierte Umfang“ mache das Projekt | |
| „ökologisch unvereinbar“ mit den angrenzenden Naturschutzgebieten. Auch das | |
| [2][Umweltnetzwerk Wustermark], eine Initiative umweltpolitisch engagierter | |
| Anwohner:innen, schreibt in einer Pressemittelung, das „(zu) gigantische | |
| Projekt“ sei „nicht vereinbar“ mit einem regionalen und nachhaltigen | |
| Tourismus. | |
| Ein Raumordnungsverfahren der Länder Berlin und Brandenburg ist nun zu dem | |
| Ergebnis gekommen, dass „eine Übereinstimmung des Vorhabens mit den | |
| Erfordernissen der Raumordnung“ erreicht werden kann – wenn diverse | |
| Maßgaben eingehalten werden, die insbesondere den Umweltschutz betreffen. | |
| So muss beispielsweise ein im Osten des Areals liegender Eichenwald | |
| komplett erhalten werden. | |
| ## Hauptrolle für Umweltschutz | |
| Unternehmer Dahl betont gegenüber der taz, der Umweltschutz spiele in | |
| seinem Projekt „die Hauptrolle“. Dahl plant wohl nichts weniger, als die | |
| Machbarkeit eines grünen Kapitalismus zu beweisen: „Meine Mission ist es, | |
| ein Beispiel dafür zu schaffen, dass Gewinnorientierung und Umweltschutz in | |
| einem Unternehmen keinen Widerspruch darstellen.“ So sei etwa geplant, | |
| recycelte Baustoffe und ökologische Energie- und Abwasserkonzepte | |
| anzuwenden. Am Ende der Bauarbeiten soll weniger Fläche versiegelt sein als | |
| derzeit. Bereits jetzt sei Karls Erlebnis-Dorf ein „komplett müllfreier | |
| Betrieb bis zur Serviette, die wieder gewaschen wird“. | |
| Es gehe also um ein „rundum sauberes Konzept“. Angesichts der Größe des | |
| Vorhabens kann das als äußerst engagierte Zielvorgabe gelten: Geplant ist | |
| ein Ferienressort, das zunächst 2.000, perspektivisch aber bis zu 4.000 | |
| Betten umfassen könnte. Zum Vergleich: Im Ort Elstal, an dessen Rand das | |
| Ressort liegen soll, leben rund 4.500 Einwohner:innen. Hinzu kämen nach | |
| Planungsstand des Raumordnungsverfahrens eine Kabinenseilbahn, eine | |
| Achterbahn, ein Rutschturm, eine 55.000 m² große künstliche | |
| Wasserlandschaft, ein Veranstaltungsgebäude für Kultur sowie eine | |
| „Erdbeerpromenade“ für Show-, Unterhaltungs-, Gastronomie- und | |
| Verkaufsflächen. | |
| „Wir fahren aber auf Sichtweite“, sagt Dahl. Die im Raumordnungsverfahren | |
| genannten Pläne gäben erst einmal „Möglichkeiten“ vor. So sei etwa | |
| mittlerweile klar geworden, dass es nicht realistisch gewesen sei, im | |
| versandenden Brandenburg mit einer 5 Hektar großen Wasserlandschaft zu | |
| planen. „Das wird in dieser Form nicht stattfinden. Wir werden aber dennoch | |
| versuchen, ein bisschen Wasser einzubringen, wenn das in nachhaltiger Weise | |
| möglich ist“, so Dahl. | |
| Mit dem Abschluss des Raumordnungsverfahrens steht zunächst nur fest, dass | |
| das Projekt prinzipiell realisiert werden kann. Eine Baugenehmigung wurde | |
| noch nicht erteilt. Dennoch erhielt das Unternehmen bereits eine Reihe von | |
| naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen durch die zuständige Untere | |
| Umweltschutzbehörde. | |
| ## Zuhause von Fledermäusen | |
| Denn auf dem Areal befand sich bis zu Beginn der 1990er Jahre die von der | |
| Sowjetunion genutzte Löwen-Adler-Kaserne. Seit dem Abzug der sowjetischen | |
| Truppen stehen die Baracken leer – und wurden so zu einem Zuhause von | |
| Fledermäusen, Vögeln und Zauneidechsen. Die Ausnahmegenehmigungen | |
| ermöglichten den Abriss einiger dieser Gebäude, obwohl hierdurch Lebensraum | |
| von geschützten Arten vernichtet wurde. | |
| Fabian Streich, Mitglied der Gemeindevertretung (Die Linke) sowie des | |
| Umweltnetzwerks Wustermark, kritisiert, so würden „Fakten geschaffen“, ohne | |
| dass sich die Kommunalpolitik eingänglich mit dem Projekt befassen konnte. | |
| Es lägen noch kein Bebauungsplan und kein Naturschutzkonzept vor. „Wir | |
| halten die Größe des Projekts für absolut unverhältnismäßig“, sagt der | |
| Elstaler, doch nun würden derartige Fragen gar nicht mehr besprochen. „Der | |
| Kommunalpolitik wird ihr Handlungsspielraum genommen“, so Streich. | |
| Der Bürgermeister von Wustermark, Holger Schreiber (parteilos), betont | |
| gegenüber der taz, er stehe „voll und ganz“ hinter dem Projekt. Man werde | |
| „den Prozess lenkend begleiten und immer dort nachhaken, wo sich mögliche | |
| Konflikte mit öffentlichen Interessen auftun“. Insgesamt sehe man in den | |
| Plänen von Unternehmer Dahl aber eine „einmalige Chance, das Areal | |
| ökonomisch, ökologisch und sozial sinnvoll zu nutzen“. Insbesondere hebt | |
| Schreiber hervor, dass sich im Boden des Kasernengeländes neben Überresten | |
| von Kampfmitteln auch Asbest, Teer und Chrom befänden. Wenn Dahl diese | |
| umweltschädlichen Elemente beseitige, tue er Umwelt und Gemeinde einen | |
| „großer Gefallen“. | |
| Doch die Umweltbilanz des Projekts muss zumindest als ambivalent bewerten | |
| werden. So wird laut Raumordnungsverfahren mit bis zu 2 Millionen | |
| Besucher:innen jährlich gerechnet. Diese sollen zu 20 Prozent mit | |
| öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Für die restlichen 80 Prozent sind | |
| bis zu 3.500 Parkplätze vorgesehen. | |
| ## Überlastete Bundesstraße | |
| In einer Pressemitteilung schreibt das Umweltnetzwerk Wustermark, es sei | |
| „völlig inakzeptabel, dass nach wie vor auf das Auto als wichtigsten | |
| Verkehrsträger gesetzt wird“. Die Ortsausfahrt der vierspurigen | |
| Bundesstraße 5 sei ohnehin schon überlastet. Stattdessen sollte der Ausbau | |
| der Bahnlinie angestrebt und der öffentliche Nahverkehr mit Elektrobussen | |
| erweitert werden. Unternehmer Dahl hält dagegen, man könne die Parkplätze | |
| auch mit Solaranlagen überdachen. Zudem wären die Anreisenden zumeist | |
| Familien, die ein Auto häufig voll besetzen würden. | |
| Das gemeinsame Landesbüro der anerkannten Naturschutzverbände kritisiert | |
| zudem, dass schon jetzt im Freizeitpark zum Beispiel Lasershows | |
| veranstaltet würden. Wenn nun, wie geschätzt, täglich um die 700 | |
| Besucher:innen aus den Ferienressorts in der Döberitzer Heide spazieren | |
| gingen, könnte es zu einer Beeinträchtigung von „sensiblen, störanfälligen | |
| Arten“ kommen. Es brauche deshalb ein Besucherleitkonzept, um einen | |
| umweltverträglichen Tourismus zu gewährleisten. Unternehmer Dahl hält | |
| dagegen: „Ich glaube nicht, dass es da Völkerwanderungen geben wird. Von | |
| meinen eigenen Kindern kenne ich die Herausforderung, sie für einen | |
| Spaziergang zu begeistern.“ | |
| Zudem würde das Landschaftsbild durch das Ferienressort „massiv | |
| beeinträchtigt“, sagt Streich vom Umweltnetzwerk. Auch das Landesbüro der | |
| Umweltverbände kritisiert einen geplanten 54 Meter hohen Beobachtungsturm. | |
| Dieser könne durch die bisherigen Pläne, das Randgebiet des Areals durch | |
| einen Grüngürtel optisch abzuschirmen, nicht überdeckt werden. Streich | |
| ergänzt: „Zwar ist der Grüngürtel eine wichtige und gute Sache. Für einen | |
| ausreichenden Sichtschutz bräuchte es allerdings eine sehr intensive | |
| Begrünung.“ Zum Schallschutz könne ein Grüngürtel kaum etwas beitragen. | |
| Es geht den Verbänden nicht um eine prinzipielle Ablehnung des Projekts. | |
| Streich vom Umweltnetzwerk sagt etwa: „Uns treibt die Verhältnismäßigkeit | |
| an. Erstens müssen wir sicherstellen, dass das Naturschutzgebiet | |
| unbeeinträchtigt bleibt. Zweitens geht es uns um die Einhaltung der | |
| regulären Verfahrensprozesse. Die Kapitalträchtigkeit eines Unternehmens | |
| darf nicht dazu führen, dass die Verwaltung bestimmte Hürden einfach | |
| beseitigt.“ | |
| So sieht etwa einer der Maßgaben des Raumordnungsverfahrens vor, alle | |
| Tierarten im Gebiet zu erfassen und darzulegen, wie diese durch das | |
| Vorhaben beeinträchtigt werden könnten. Beispielsweise wurden schon | |
| Zauneidechsen unter großem Aufwand in die Döberitzer Heide umgesiedelt. | |
| Doch insbesondere die Fledermäuse schaffen Konfliktpotenzial. Denn | |
| einerseits wurden für den geplanten Abriss der Baracken bereits | |
| Ersatzbehausungen geschaffen, andererseits kann es laut Landesbüro der | |
| anerkannten Naturschutzverbände fünf Jahren dauern, bis die Tiere diese | |
| Angebote auch annehmen. | |
| Theoretisch wäre also denkbar, dass das Riesenprojekt wegen einiger | |
| Fledermäuse verschoben werden muss. Auf die Frage, ob er ein derartiges | |
| Szenario für realistisch halte, antwortet Bürgermeister Schreiber, man | |
| richte sich prinzipiell nach den Fachbehörden von Landkreis und Land. | |
| „Artenschutz ist allein schon rechtlich unverhandelbar. Wir wären kein | |
| Rechtsstaat, wenn wir da rumtricksen würden“, so Schreiber. | |
| 15 Apr 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kolumne-Aufgeschreckte-Couchpotatoes/!5556288 | |
| [2] https://www.facebook.com/umweltnetzwerkwustermark/ | |
| ## AUTOREN | |
| Timm Kühn | |
| ## TAGS | |
| Berlin Brandenburg | |
| Freizeitpark | |
| Umweltschutz | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Freizeitpark | |
| Erdbeeren | |
| Freizeitpark | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Freizeitpark Tropical Islands: Urlaub daheim unter Palmen | |
| Für ein Gefühl von Tropen muss es nicht Bali sein, es reicht Brandenburg. | |
| Eine Fantasiewelt in einer riesigen Halle verspricht Tropical Islands. | |
| Bedrängte Landschaft: Stille war gestern | |
| Bei der Döberitzer Heide in Brandenburg will ein Erdbeerimperium | |
| expandieren und Touristen locken. Was machen die Menschenmassen mit Flora | |
| und Fauna? | |
| Freizeitparks in Corona-Krise: Die Leichtigkeit ist dahin | |
| Freizeitparks wollen ihre Kunden aus dem Alltag entführen – in der | |
| Coronakrise ein schwieriges Unterfangen, wie ein Besuch im Phantasialand | |
| zeigt. | |
| Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: So wild nach deinem Erdbeermund | |
| In Karls Erlebnisdorf in Elstal gibt es eine riesige Halle mit | |
| Erdbeer-Devotionalien, Erdbeergummibärchen und Erdbeer-Prinzessin. | |
| Kolumne Generation Camper: Exotisch baden gehen | |
| Der Ressourcenverbrauch, der Müll, der Verkehr – tropische Ferienwelten | |
| standen in der Kritik. Heute hat man sich daran gewöhnt. |