# taz.de -- Streit über Teil-Lockdown in Spanien: Zentralregierung droht mit N… | |
> Ein Gericht hat den Lockdown über die spanische Hauptstadt aufgehoben. | |
> Nun stellt die Zentralregierung die Region Madrid vor eine schwierige | |
> Wahl. | |
Bild: Dürfen ihre Stadt wieder ohne „triftigen Grund“ verlassen: Bewohneri… | |
Madrid taz/afp | Nach einem Gerichtsurteil gegen den verhängten | |
Teil-Lockdown für die Region Madrid hat Spaniens Zentralregierung mit der | |
Verhängung des Notstands gedroht. Die konservative Regionalregierung von | |
Madrid habe nun die Wahl, erklärte die Regierung des sozialistischen | |
spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez am Donnerstagabend: Entweder | |
setze sie die von dem Gericht gekippten Corona-Restriktionen selbst in | |
Kraft oder es werde über die Region Madrid der Notstand verhängt. | |
An diesem Freitag soll nun eine außerordentliche Sitzung von Sánchez' | |
Kabinett stattfinden. Außerdem ist ein Treffen zwischen Vertretern der | |
Zentral- und der Regionalregierung geplant. Am Donnerstagmorgen hatte die | |
Kammer für Verwaltungsrecht am Obersten Gerichtshof der Region Madrid die | |
Mobilitätsbeschränkungen in der Hauptstadt sowie in neun Vorortgemeinden | |
aufgehoben. | |
[1][Die Maßnahmen waren vergangenen Freitag von Gesundheitsminister | |
Salvador Illa erlassen worden], um die Ausbreitung des [2][Coronavirus] zu | |
verlangsamen. Isabel Díaz Ayuso, Chefin der regionalen Minderheitsregierung | |
aus der konservativen Partido Popular und den rechtsliberalen Ciudadanos, | |
die von der rechtsextremen VOX unterstützt wird, [3][klagte dagegen]. | |
Zwar durften in den vergangenen Tagen dennoch nur diejenigen Madrid sowie | |
die anderen betroffenen Gemeinden verlassen oder betreten, die dafür einen | |
triftigen Grund, wie etwa Arbeit, Ausbildung oder Arztbesuch vorweisen | |
konnten, doch wurden Verstöße nicht mit Bußgeldern geahndet, da die am | |
Donnerstag gefallene Gerichtsentscheidung noch ausstand. Von den | |
Mobilitätsbeschränkungen waren rund 4,8 der 6,6 Millionen Einwohner der | |
Region Madrid betroffen. | |
## „Eingriff in die Grundrechte“ | |
Die Richter sahen in den Maßnahmen „einen Eingriff der öffentlichen Gewalt | |
in die Grundrechte der Bürger, ohne dass sie sich auf eine rechtliche | |
Grundlage stützen würden“. Sie seien – anders als der dreimonatige | |
Alarmzustand, der im Frühjahr das ganze Land lahmlegte – „ohne Genehmigung | |
der Volksvertreter“ eingeführt worden. | |
Illas Anordnung sah vor, dass eine Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern | |
abgeriegelt wird, wenn: | |
■ in zwei Wochen mehr als 500 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner zu | |
verzeichnen sind | |
■ mehr als 10 Prozent aller Coronatests positiv ausfallen | |
■ die Betten auf den Intensivstationen zu mehr als 35 Prozent mit | |
Covid-19-Patienten belegt sind. | |
Neben den zehn Gemeinden der Hauptstadtregion traf dies diese Woche auf die | |
Provinzhauptstädte León und Palencia in Kastilien und León nördlich von | |
Madrid zu. | |
## Arme Stadtteile waren besonders betroffen | |
Die Region Madrid ist der europäische Corona-Hotspot schlechthin. Auch wenn | |
in dieser Woche die Zahl der neuen Coronafälle leicht zurückging, waren es | |
in den letzten 14 Tagen noch immer 591 Neuinfektionen pro 100.000 | |
Einwohner. Das sind doppelt so viele wie im spanischen Schnitt. Jeder | |
fünfte Coronatest ist positiv. Über 40 Prozent der Intensivbetten sind | |
belegt. In der vergangenen Woche waren 114 der 455 Verstorbenen aus Madrid. | |
Bereits vor den Anordnungen des Gesundheitsministeriums gab es in Madrid | |
für 45 Wohngebiete identische Mobilitätsbeschränkungen. Diese wurden von | |
der Regionalregierung unter Díaz Ayuso eingeführt und betrafen vor allem | |
die armen Stadtteile und Vororte im Süden Madrids. Innenstadtbezirke mit | |
ähnlich hohen Infektionsquoten wurden ausgespart. | |
Damals sah die gleiche Kammer am Obersten Gerichtshof der Region Madrid | |
keine Grundrechtsverletzungen gegeben. „Die Kompetenz der regionalen | |
Autoritäten, aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zu Maßnahmen zu | |
greifen, die die Grundrechte einschränken, wird bestätigt“, urteilten die | |
Richter. „Das ist kein Lockdown, das ist Klassenkampf“, stand auf Plakaten | |
bei Protesten gegen die selektiven Maßnahmen in den Arbeitervierteln zu | |
lesen. | |
9 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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