# taz.de -- Sportler und Politik: Kretzschmar fehlt die Meinungsfreiheit | |
> Ex-Handballprofi Stefan Kretzschmar bemüht in einem Interview ein rechtes | |
> Narrativ. Das darf er, muss sich aber auch Kritik gefallen lassen. | |
Bild: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen? Joa. Ist aber dann scheiße. | |
So ist das eben, wenn man heute etwas sagt, was nicht allen gefällt. Man | |
wird hochgejubelt in den sozialen Medien – oder eben gegrillt. Robert | |
Habeck, dem Chef der Grünen, ist das passiert, [1][nachdem er irgendeinen | |
Unsinn über Thüringen verbreitet hat], und nun ist das Stefan Kretzschmar | |
passiert, der Sport-Ikone, dem Gewinner einer olympischen Silbermedaille, | |
einem der wenigen Superpromis, die der Handballsport hervorgebracht hat. | |
Dass es für Sportler keine echte Meinungsfreiheit mehr gebe, hat er gesagt. | |
Dafür wird er gefeiert von AfD-Parteigängern und anderen Rechtsaußen. Dafür | |
wird er gegrillt von allen, die einfach nur feststellen, dass einer, der | |
seine Meinung in einem Interview kundtut, das landesweit Beachtung findet, | |
nun wahrlich nicht behaupten kann, er dürfe nicht sagen, was er denkt. | |
Dass bei diesem Feiern und Grillen oft nicht genau genug hingeschaut wird, | |
was die Personen, denen Herzen oder Hass in den sozialen Medien zufliegen, | |
wirklich gesagt haben, ist ein Problem, das Stefan Kretzschmar in seinem | |
Interview mit t-online selbst angesprochen hat. „Für jeden Kommentar | |
bekommst du einen auf die Fresse“, sagt er da und zeigt Verständnis dafür, | |
dass sich so wenig Sportler dezidiert politisch oder gesellschaftskritisch | |
äußern. Da hat er sicher recht. Und es gäbe noch viel mehr Gründe zu | |
finden, warum es nicht unbedingt die Sportler sind, von denen | |
gesellschaftlicher Aufbruch ausgeht. | |
Leistungssport ist eine Anpassungsmaschine, bei der es viel um Disziplin, | |
um das Befolgen von Anweisungen geht. Wer nicht früh in einem Profiteam | |
landet, mehrt nicht selten als Bundeswehrler oder Bundespolizist den Ruhm | |
den Landes im sportlichen Wettbewerb. Dass der Sportler sporteln soll und | |
gefälligst nichts anderes tun soll, das erwarten auch die Sponsoren und | |
Vereine, die wiederum ebenfalls im Sponsoreninteresse zu handeln haben. | |
Einen politisch motivierten Aufstand der Fußballer des FC Bayern München | |
gegen ein Trainingslager in Katar wird niemand erwarten. Stefan Kretzschmar | |
hat also schon recht, wenn er meint, dass Sportler vielleicht zu oft das | |
Gefühl haben, nicht sagen zu dürfen, was sie vielleicht sagen wollen. | |
Dass er Applaus von rechts bekommen hat und von links angepöbelt wird, hat | |
seinen Grund an einer anderen Stelle des Interviews, von dem ein Video im | |
Netz massenweise geteilt wurde. Kretzschmar sagt da, dass für Sportler nur | |
politische Äußerungen möglich seien, die dem gesellschaftlichen Mainstream | |
nicht zuwiderlaufen. „Wir sind bunt“ oder „Refugees welcome“ nennt er d… | |
als Beispiele. Die Frage, wie er in Zeiten, in der es keine relevante | |
politische Partei gibt, die nicht auf irgendeine Art „Ausländer raus!“ | |
sagt, darauf kommt, muss er sich schon gefallen lassen. Es ist ein rechtes | |
Narrativ, das er da bemüht. Ob er das darf? Natürlich. Aber es hat halt | |
Folgen. | |
14 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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