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# taz.de -- Solidarität mit Polizeiopfer: Rechtsstaatlichkeit kostet
> Die taz berichtete über einen Fall von Polizeigewalt gegen einen
> Schwarzen Altenpfleger. Daraufhin gab es viel Solidarität und Geld für
> einen Anwalt.
Bild: Will sich die Behandlung durch die Polizei nicht gefallen lassen: John H
Hamburg taz | „Ich bin echt gerührt“, sagt John H. am Telefon. Der
Altenpfleger wurde vergangenes Jahr von drei Zivilpolizisten vom Fahrrad
gerissen, weil sie ihn für einen Drogenkurier hielten. Seit die [1][taz am
Montag berichtete], dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die
Beamten einstellte, wurde John H. von Solidaritätsbekundungen nur so
überhäuft. Viele Menschen boten ihm finanzielle Unterstützung an. Gemeinsam
mit seiner Anwältin entschied er sich daraufhin, doch Beschwerde gegen die
Einstellung einzulegen. Bis dahin hatte er gesagt, dass ihm die Kraft dazu
fehle.
Seit 14 Monaten lässt die Tat H. nicht los. „Ich kann schlecht schlafen.
Ich denke immer wieder über alles nach“, erzählt er. Im April 2020
beobachteten ihn drei Zivilfahnder in Eimsbüttel, wie er mit dem Fahrrad
von Patient:in zu Patient:in fuhr. Sie observierten ihn, rissen ihn
dann zu dritt vom Fahrrad, legten ihm Handschellen an und durchsuchten
seine Taschen. Sie hätten einen Tipp bekommen und ihn für einen
Drogendealer gehalten. Als klar wurde, dass John H. als ambulanter Pfleger
unterwegs war, entschuldigten sie sich. Doch der Eingriff hinterließ
Spuren. Inzwischen macht John H. eine Traumatherapie.
Nachdem er seine Erfahrung auf dem Social-Media-Dienst Instagram
veröffentlichte, gab auch die Polizei eine Stellungnahme ab. Darin
begründeten sie ihren Zugriff mit John H.s Verhalten. Er fuhr mit dem
E-Bike zu unterschiedlichen Wohnhäusern und telefonierte zwischendurch.
Dies sei „typisch für den Handel mit Drogen“. Man habe ihn während der
Fahrt gestellt, „um einen möglichen Fluchtversuch unmöglich zu machen“.
John H. ist sich allerdings sicher, dass er nur in das Visier der
Zivilfahnder geriet, weil er Schwarz ist.
Der 32-Jährige erstatte Anzeige wegen Körperverletzung im Amt gegen die
drei Polizisten. Die Staatsanwaltschaft sah jedoch genug Anhaltspunkte für
ein „szenetypisches Verhalten“ und stellte die Ermittlungen nach mehr als
einem Jahr ein. John H. habe sich entmutigt gefühlt und enttäuscht vom
Rechtsstaat: „Ich hatte keine Kraft mehr“, sagte er.
## Neue Kraft durch Solidarität
Auf Anfrage teilte die Pressestelle der Polizei mit, dass der Vorfall von
der Beschwerdestelle „im Hinblick auf dienstrechtlich zu würdigendes
Fehlverhalten“ erst geprüft werde, wenn die Ermittlungen offiziell
abgeschlossen sind. Ob die beteiligten Polizisten noch immer als
Zivilfahnder am Polizeikommissariat 17 tätig sind, wollte die Pressestelle
„aus grundsätzlichen Erwägungen“ nicht mitteilen.
Doch durch die große Anteilnahme, die John H. in der letzten Woche erfahren
hat, habe er nun neue Energie gewonnen. „Ich habe überhaupt nicht damit
gerechnet“, sagt er. Er käme gar nicht mehr hinterher, all die Nachrichten
und Kommentare zu lesen. Auch an die taz wendeten sich Leser:innen, um zu
fragen, wie sie John H. finanziell unterstützen können. „Mich hat der
Artikel sehr erschüttert. Ich möchte mich aus Solidarität mit an den
Anwaltskosten beteiligen“, schreibt eine Leserin per E-Mail.
John H. habe erst „ein schlechtes Gewissen“ gehabt, Geld von fremden
Menschen anzunehmen. Doch als sich die Anfragen häuften, erstellte er
schließlich einen [2][Paypal-Spendenlink]. Dieser wurde vielfach in den
sozialen Medien geteilt. Inzwischen sind über 4.000 Euro zusammengekommen.
Wahrscheinlich könne er damit einen Großteil seiner Anwaltskosten bezahlen.
Sollte etwas übrigbleiben, wolle er es spenden. „Diese Solidarität ist echt
krass“, sagt er.
Er sei überwältigt und habe sich daher doch dafür entschieden, Beschwerde
gegen die Einstellung einzulegen. Am Dienstag hat seine Anwältin offiziell
die Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft eingereicht. „Ich weiß,
dass es wahrscheinlich nichts bringt“, sagt er. Aber er wolle seine
rechtlichen Mittel ausschöpfen – „aus Prinzip“.
19 Jun 2021
## LINKS
[1] /Verfahren-gegen-Polizisten-eingestellt/!5774807
[2] https://paypal.me/pools/c/8Akfv1VpRd
## AUTOREN
Sarah Zaheer
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland
Polizeigewalt
Polizei Hamburg
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Schwerpunkt Rassismus
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