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# taz.de -- Snowboard-Veteranin siegt bei Olympia: Dem Zufall trotzen
> Mit der 36-jährigen US-Amerikanerin Lindsey Jacobellis gewinnt eine
> Snowbaordcross-Pionierin die Goldmedaille. Wichtig, sagt sie, sei mentale
> Stärke.
Bild: Snowboardcross-Pionierin Lindsey Jacobellis am Mittwoch
Zhangjiakou taz | Die Britin Charlotte Bankes konnte es nicht glauben.
Nachdem die beste Boarderin dieses Winters im Viertelfinale des
Snowboardcross-Wettbewerbs ausgeschieden war, wunderte sie sich, dass sie
ausgerechnet jetzt „das schlechteste Rennen überhaupt“ gefahren ist. Viel
besser erging es Titelverteidigerin Michela Moioli, die den letzten Weltcup
vor den Spielen gewonnen hatte, auch nicht. Sie schied im Halbfinale aus.
Jana Fischer, die einzige Deutsche, kam in ihrem Achtelfinale nur ein paar
Meter weit. Dann blieb sie am ersten Step Down, einer Art Treppenstufe im
Hang regelrecht stehen. „Ich weiß auch nicht so recht, was ich da
veranstaltet habe.“ Es kann eben viel passieren beim Rennen Frau gegen
Frau. Erfahrung hilft da sicher. Von der hat die US-Amerikanerin
[1][Lindsey Jacobellis] jede Menge. Im stolzen Boarderinnen-Alter von 36
Jahren hat sie Gold gewonnen.
In all ihren Rennen vom Achtelfinale an ist sie vorneweg gefahren, konnte
dem, was gerne Lotterie genannt wird, dem Kampf Brett an Brett, bei dem
frau schon mal Tuchfühlung aufnimmt mit einer ihrer drei Gegnerinnen, stets
ausweichen. Weil das nicht Kalkulierbare beim Snowboardcross eine große
Rolle spielt, passt diese Art des Wettbewerbs eigentlich gut in den Genting
Snow Park, wo die meisten Spaßsportevents bei diesen Spielen ausgetragen
werden. Denn Genting ist nicht etwa ein Ortsname, es ist der Name eines
malaysischen Mischkonzerns, der vor allem mit Spielkasinos ein
Milliardengeschäft gemacht hat. Dass hier oben in der Provinz Hebei
Wintersport betrieben wird, liegt also tief in tropischen Breiten
begründet, wo man die Idee hatte, in China Geschäfte im Schnee zu
entwickeln.
Schon seit Jahren wird bei Zhangjiakou an einem riesigen Skigebiet gebaut.
Am Ende sollen über 80 Pisten dort zu befahren sein. Und aussehen soll es
wie in den Alpen. Unzählige junge alpine Nadelbäume hat man gepflanzt, die
dafür sorgen, dass die Hügellandschaft ein wenig aussieht wie eine
überdimensionale Baumschule. Angeblich soll es Chinas Staatspräsident Xi
Jinping höchstselbst gewesen sein, der die Idee hatte, hier oben Skipisten
zu errichten. Ob er von der Disziplin Snowboardcross gewusst hat, als
Lindsey Jacobellis angefangen hat, Rennen zu fahren, ist nicht überliefert.
Man kann es aber durchaus für unwahrscheinlich halten.
## Bereits Goldgewinnerin 2006 in Turin
Heute ist sie jedenfalls stolz, zwei Dekaden an der Entwicklung des
Rennsport mitgewirkt zu haben. Eine Handvoll Frauen hätten sich zu Beginn
die Pisten heruntergestürzt, um der gerade entstehenden Funsportindustrie
schöne Bilder zu liefern. Boardercross nannte sich das, als die X Games,
ein kommerzielles Spaßsportunternehmen aus den USA, bei deren Wettkämpfen
neben Medaillen auch stattliche Prämien ausgezahlt wurden, das Snowboard
zum Kultgerät gemacht haben.
Weil das gut angekommen ist und sich Olympia verjüngen wollte, wurde
Snowboardcross bei den Spielen 2006 in Turin ins Programm aufgenommen. Da
hatte Lindsey Jacobellis schon dreimal Gold bei den X-Games gewonnen. In
Turin dann holte sie olympisches Silber. Knapp hinter der Schweizerin Tanja
Frieden und unglücklich, weil sie einmal kurz in den Schnee greifen musste.
Ob sie daran gedacht hat, als sie oben stand vor dem Finallauf? Nein, sagt
sie. Das habe sie in all den Jahren, in denen sie zehn
X-Games-Goldmedaillen und drei Weltmeistertitel holte, gelernt: „Man darf
nicht zurückschauen.“ Und man solle sich keine Gedanken darüber machen,
wofür man sowieso nichts könne. Stichwort Lotterie.
Das ist nicht immer leicht gewesen für sie, „zu verstehen, dass es nicht
klappt, obwohl du doch eigentlich weißt, dass du es draufhast“. Das ist es,
was sie jungen Athletinnen heute gerne mit auf den Weg gibt. „Mental
Health“, [2][die psychische Gesundheit von Athletinnen,] ist für sie ein
Anliegen, für das sie sich stark macht. Ihr Rat ist es, sich von Anfang an
ein stabiles System von Betreuenden aufzubauen. Sie selbst lässt sich seit
acht Jahren psychologisch betreuen.
Vielleicht fährt sie auch deshalb immer noch. „Ich bin noch hungrig“, sagte
sie. „Manchmal hasse ich es, manchmal ist es wahnsinnig stressig, aber wenn
es gut läuft, ist es einfach wunderbar.“ So wie an diesem Nachmittag im
Genting Snow Park.
9 Feb 2022
## LINKS
[1] /Sotschi-2014--Snowboard-cross/!5048487
[2] /Athletinnen-mit-psychischen-Belastungen/!5787548
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Olympische Winterspiele 2022
Snowboard
USA
Architektur
Snowboard
Snowboard
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