# taz.de -- Seltene Erden: Knapp, teuer und verschwendet | |
> Seltenerdmetalle sind Bestandteil in Handys, Laptops und Windrädern. Ihre | |
> Gewinnung in Minen ist teuer. Trotzdem werden die Metalle nicht recycelt. | |
Bild: Mine für seltene Erden in Bayan Obo. | |
Geklagt hat die deutsche Industrie schon lange, in diesem Jahr nun will sie | |
handeln und wohl noch im Januar die "Allianz zur Rohstoffsicherheit" | |
vorstellen. Unternehmen, die auf Metalle und Mineralien angewiesen sind, | |
wollen die günstige und garantierte Versorgung mit Rohstoffen gemeinsam | |
sicherstellen. | |
Wie genau das gehen und wer mitmachen soll, ist bislang noch unklar. Nur | |
eine Personalie hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schon | |
verkündet: Geschäftsführer der Allianz soll Dierk Paskert werden, bislang | |
Vorstandsmitglied des Münchner Energiekonzerns Eon. | |
Jahrelang war die Versorgung von Thyssen, Bosch, Siemens und Co mit Stahl, | |
Lithium oder Kupfer eine Selbstverständlichkeit. Seit jedoch Konkurrenten | |
vor allem in China mit ihnen wetteifern und zahlreiche Rohstoffe als | |
Spekulationsobjekte an den Finanzmärkten großen Preisschwankungen | |
unterliegen, ist das anders. | |
Erfolgreich lobbyierten die Unternehmen mit ihren Sorgen bei der Politik: | |
EU-Kommission und Bundesregierung verfassten Rohstoffinitiativen. Richtig | |
Fahrt gewann das Thema, als eine bestimmte Gruppe von Metallen ins Visier | |
rückte: die Selterdmetalle. | |
## Nur winzige Konzentrationen | |
Die leistungsstarken Dauermagneten der Windräder von Siemens zum Beispiel | |
bestehen zu rund 30 Prozent aus den Seltenerdmetallen Neodym und | |
Dysprosium. Ihren irreführenden Namen - weder selten noch Erde - haben sie | |
erhalten, weil sie zum Beispiel in Mineralien vorliegen, die früher auch | |
als Erden bezeichnet wurden. Einige von ihnen kommen insgesamt häufiger in | |
der Erdkruste vor als Silber oder Blei, gefunden werden sie aber meist nur | |
in winzigen Konzentrationen. | |
Die Lagerstätten sind über den ganzen Globus verteilt, trotzdem hat sich | |
China heute quasi ein Monopol an der Erzeugung aufgebaut. 97 Prozent der | |
Seltenerdmetalle stammen von dort. | |
Ihre Gewinnung ist schwierig: Sie können nicht einfach aus Bergwerken | |
gebaggert werden wie Kohle. Sie treten gemeinsam mit anderen Erzen und | |
Mineralien auf. Um Selterdmetalle zu gewinnen, werden sie hoch erhitzt und | |
mit Salz-, Schwefelsäure oder anderen aggressiven Chemikalien dazu | |
gebracht, sich zu separieren. Das hat Folgen für die Umwelt, die man in | |
Bayan Obo in der Inneren Mongolei - einem autonomen Gebiet im Norden Chinas | |
- besichtigen kann. | |
## Größte Erzmine der Welt | |
In der größten Erzmine der Welt wird Eisen abgebaut und mit ihm die | |
Seltenen Erden. Das bringt nicht nur giftige Chemikalien mit sich, die sich | |
rundherum in den Böden, dem Grundwasser und der Luft wiederfinden. Die | |
Gegend ist zudem radioaktiv verseucht, ist in den Mineralien doch immer | |
auch strahlendes Thoriumdioxid oder Uranoxid enthalten. | |
Die extremen Umweltbelastungen erklären auch zu großen Teilen das | |
chinesische Monopol. Noch bis vor gut zehn Jahren steuerten die USA mit | |
ihrer kalifornischen Mine Mountain Pass einen großen Teil der | |
Weltjahresproduktion bei. "Dann wollte die Umweltbehörde in Kalifornien | |
nicht mehr mit zusehen, wie radioaktive Abwasser in die Wüste geleitet | |
werden", erklärt Harald Elsner von der Deutschen Rohstoffagentur in | |
Hannover. "Sie entzogen der Mine die Abwassergenehmigung, die Produktion | |
musste geschlossen werden." | |
Ähnliches geschah mit der Seltenerdfabrik in Malaysia. Dort will der | |
australische Rohstoffkonzern Lynas die Gewinnung von Seltenerdmetallen | |
wieder aufnehmen. Allerdings verzögert sich der Start immer wieder, "weil | |
sie die Probleme mit der Radioaktivität nicht in den Griff bekommen", so | |
Elsner. | |
## Konkurrenz zu China | |
Offiziell errichtet Lynas sein Werk in Malaysia, weil dort zum einen | |
ausreichend das in großen Mengen benötigte Wasser zur Verfügung stehe und | |
zum anderen die Nähe zu den asiatischen Märkten gegeben sei. Allerdings | |
munkelt man in der Branche, auch die in Australien starke Partei der Grünen | |
sei ein Auslöser gewesen. In Staaten mit einer aktiven Umweltbewegung haben | |
es Produzenten Seltener Erden schwer. | |
Siemens plant ein Joint Venture mit Lynas. "Diese Partnerschaft wird eine | |
nachhaltige Lieferkette von der Mine bis zu der Endanwendung des Magneten | |
ermöglichen", teilt der Konzern mit. Wirklich nachhaltig, sind sich | |
Umweltexperten einig, wäre allerdings eine andere Rohstoffquelle: das | |
Recycling von Geräten, vor allem Elektrogeräten. | |
Denn Seltene Erden sind nicht nur in Windrädern enthalten. Auch in | |
Flachbildfernsehern, Computern und Handys stecken die begehrten Metalle. | |
Yttrium zum Beispiel sorgt zusammen mit Europium dafür, dass Bildschirme | |
rot leuchten können. Dank Terbium gibt es dort die Farbe grün. Bislang | |
lassen sich Seltene Erden in den Geräten nicht ersetzen, in all den | |
Strategiepapieren von Politik und Wirtschaft zur sicheren Versorgung mit | |
Rohstoffen tauchen die Seltenen Erden auf, neben anderen Exoten wie Indium | |
oder Lithium. | |
Umso erstaunlicher: "Das Thema seltene Rohstoffe ist beim Recycling bislang | |
vernachlässigt worden", sagt Ullrich Didszun, Vizepräsident für den Bereich | |
Elektronikschrott des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung | |
(bvse). Didszun ist Geschäftsführer des mittelständischen | |
Recyclingunternehmens RDE und auf Elektroschrott spezialisiert. | |
## Recyclingfähigkeit mitdenken | |
Metalle wie Kupfer, Gold oder Palladium, das in den Geräten in relativ | |
großen Mengen vorkomme, könne man fast zu 100 Prozent recyceln, sagt | |
Didszun. Doch die paar Gramm Seltenerdmetalle, die etwa in einem | |
Flachbildschirm enthalten seien, gingen verloren. Für ein | |
Recyclingunternehmen sei es schlicht zu teuer, die seltenen Materialien | |
zurückzugewinnen. "Mich hat auch noch kein Unternehmen nach | |
Recycling-Indium oder -Lithium gefragt", sagt der Unternehmer. | |
Um die Metalle in einen Kreislauf zu überführen, müsse man ganz vorne bei | |
der Produktion ansetzen: "Hersteller und Recyclingunternehmen müssen sich | |
zusammensetzen und gemeinsam schon beim Design die spätere | |
Recyclingfähigkeit mitdenken", fordert er. Der Trend sei gegenwärtig aber | |
ein anderer. Immer mehr Metalle werden in winzigen Mengen zusammen verbaut. | |
Die bekomme man kaum mehr auseinander, kritisiert Didszun. | |
In einer Studie für die Fraktion der Grünen im Europa-Parlament bemängeln | |
die Umweltwissenschaftler des Freiburger Öko-Instituts, dass in Europa kaum | |
Wissen und Technologie verfügbar seien, um Seltene Erden zu recyceln. | |
Notwendig sei deshalb, ein europäisches Expertennetzwerk einzurichten, um | |
erst einmal die notwendigen Kompetenzen aufzubauen. Diese Sicht mag Didszun | |
nicht teilen. Er hat neben der fehlenden Wirtschaftlichkeit ein weiteres | |
Problem ausgemacht: Viele Elektrogeräte erreichen nämlich nie ein | |
Recyclingunternehmen. | |
## Elektroabfall verschwindet | |
Zwar gebe es keine genauen Zahlen darüber, wie viele alte Geräte | |
ordnungsgemäß in den Wertstoffhöfen der Kommunen oder im Handel landeten, | |
sagt Maria Elander von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Weil es den | |
Händlern nicht gesetzlich vorgeschrieben sei, alte Fernseher oder Computer | |
zurückzunehmen, offenbare sich ein Graubereich. "Hier ist mehr Transparenz | |
nötig", sagt Elander, "wir müssen wissen, wohin der Elektroabfall geht und | |
was mit ihm passiert". | |
Nach einer Studie des Umweltbundesamtes werden jährlich etwa 155.000 Tonnen | |
Elektroschrott illegal exportiert. Auf Müllkippen in afrikanischen oder | |
asiatischen Ländern werden die teils giftigen Inhaltsstoffe der Geräte | |
ausgeschlachtet. An ein Recycling von Seltenen Erden, Indium oder Lithium | |
ist dabei nicht zu denken. Landen die Geräte nicht auf einem illegalen | |
Frachttransport, so ist die Gefahr groß, dass sie in einer | |
Müllverbrennungsanlage enden. | |
Kupfer und Gold werden aus der Schlacke, die aus dem Ofen kommt, vielleicht | |
noch herausgeholt. Doch auch hier gehen die kleinen Mengen seltener | |
Metalle, die unter so hohen ökologischen und ökonomischen Kosten gewonnen | |
werden, unwiderbringlich verloren. | |
Die Abfallexpertin der Deutschen Umwelthilfe hält es daher für sinnvoll, | |
die Entsorgung von Elektrogeräten neu zu organisieren. So sollten die | |
Händler verpflichtet werden, alte Geräte von den Verbrauchern | |
entgegenzunehmen. Zudem brauche es neue Vorgaben für das Recycling. | |
"Bislang gibt der Gesetzgeber Quoten vor, die sich an Mengen orientieren", | |
sagt Elander. Notwendig seien aber auch Qualitätskriterien für das | |
Recycling sowie ein Anreiz, auch geringe Mengen verschiedener Materialien | |
aus dem Abfall herauszuholen. | |
So wird im neuen Jahr weniger die Industrie-Allianz von Bedeutung werden, | |
sondern eher die Novellierung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes. | |
Das regelt auch den Umgang mit Elektroabfällen - der ökologisch, sozial und | |
damit langfristig auch ökonomisch sinnvollsten Rohstoffquelle. | |
Der Text beruht auf dem kürzlich erschienenen Buch von Armin Reller und | |
Heike Holdinghausen: "Wir konsumieren uns zu Tode. Warum wir unseren | |
Lebensstil ändern müssen, wenn wir überleben wollen", Westend Verlag, 192 | |
Seiten, 12,99 Euro. | |
2 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
Heike Holdinghausen | |
## TAGS | |
Seltene Erden | |
China | |
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