# taz.de -- Schweiz stimmt über Atomausstieg ab: Eine Mehrheit will die Energi… | |
> Die Schweizer stimmen am Sonntag über ein Verbot von neuen AKWs ab. Die | |
> Chancen stehen gut, dass eine Mehrheit für den Ausstieg ist. | |
Bild: Das Schweizer Atomkraftwerk Beznau ist das dienstälteste kommerzielle AK… | |
Zürich rtr | Die Nuklearkatastrophe von Fukushima hat in vielen Ländern ein | |
radikales Umdenken beim Thema Atomenergie ausgelöst. Über Nacht wurde sie | |
zum Auslaufmodell. Deutschland preschte voran und peilt bis 2022 einen | |
vollständigen Atomausstieg an. In der Schweiz soll die Energiewende jetzt | |
in Gang gebracht werden: In der Alpenrepublik stimmen am kommenden Sonntag | |
als erstes Land seit Fukushima die Bürger darüber ab, ob der Bau neuer | |
Atomkraftwerke verboten und der Verbrauch fossiler Brennstoffe einschränkt | |
wird. Strom soll stattdessen vermehrt aus erneuerbaren Quellen wie Wasser, | |
Wind, Erdwärme, Sonne und Biomasse gewonnen werden. | |
Insgesamt soll sich der Energieverbrauch bis 2035 im Vergleich zum Jahr | |
2000 fast halbieren. In der jüngsten Umfrage des Berner Forschungsinstituts | |
GFS für den Schweizer Rundfunk sprechen sich 56 Prozent der Befragten für | |
die Energiewende aus. | |
Derzeit erzeugt die Schweiz mehr als ein Drittel ihrer Elektrizität mit | |
Atomkraft. Der überwiegende Teil stammt mit rund 60 Prozent aus | |
Wasserkraft. Lediglich vier Prozent kommen aus anderen erneuerbaren Quellen | |
wie Sonne und Wind. Den Ausfall durch den Abschied von der Atomkraft will | |
die Regierung neben dem Ausbau von erneuerbaren Energien auch über einen | |
geringeren Stromverbrauch kompensieren. Deutschland ist der Schweiz voraus: | |
Dort stammen bereits ein Drittel aus erneuerbaren Quellen. | |
Im Gegensatz zu Deutschland gibt es für Atomkraftwerke in der Schweiz kein | |
fixes Ablaufdatum, an dem sie vom Netz genommen werden. Vielmehr können sie | |
in Betrieb bleiben, solange die Aufsichtsbehörden sie als sicher einstufen. | |
Neue Werke soll es aber nicht mehr geben. | |
Die zur Abstimmung stehende Vorlage wird von weiten Teilen der bürgerlichen | |
und linksgrünen Parteien unterstützt, aber von Konservativen wie der | |
Schweizerischen Volkspartei (SVP) abgelehnt. „Wollen wir den Deutschen | |
jeden Blödsinn nachmachen“, fragt etwa Kurt Zollinger vom „Komitee zur | |
Rettung des Werkplatzes Schweiz“. | |
## Höhere Kosten befürchtet | |
Die Wirtschaft ist gespalten. Die Umstellung kostet nach Schätzungen der | |
Regierung jährlich rund eine Milliarde Franken. Ein vierköpfiger Haushalt | |
müsste demnach pro Jahr mit einer zusätzlichen Belastung von etwa 40 | |
Franken rechnen. Gegner der Vorlage befürchten weitaus höhere Kosten und | |
dass allein die Kleinkunden dafür aufkommen sollen. Auch sei die | |
Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Schweiz für ihre Grundversorgung | |
deutschen Kohle- oder französischen Atomstrom importieren oder den Bau von | |
Gaskombikraftwerke vorantreiben müsse. | |
„Wir werden nur Strom haben, wenn die Sonne scheint oder der Wind bläst“, | |
sagt Toni Brunner von der SVP. Es drohen auch Klagen der Bürger gegen den | |
Neubau von Windkraft- und Solaranlagen, weil sie die dafür nötigen | |
baulichen Eingriffe in die Landschaft ablehnen. Antoine Millioud von der | |
auf Energiefirmen spezialisierten Beteiligungsgesellschaft Aventron hofft | |
dennoch, dass mit dem Gesetz der Bau von Windenergieanlagen einfacher wird. | |
„So wie es jetzt ist, ist es unmöglich Windprojekte zu bauen.“ In der | |
Schweiz stehen derzeit gut 30 Windturbinen, in Deutschland sind es über | |
26.000. | |
Die Schweizer Strombranche unterstützt die Pläne. Den großen Stromkonzernen | |
wie BKW, Alpiq und der mehrheitlich im Besitz der Kantone stehenden Axpo | |
winkt bei einer Annahme der Vorlage eine finanzielle Unterstützung. | |
Diskutiert wird auch über direkte Staatshilfe und einen Verkauf von | |
Stauseen. | |
## Vorbild Deutschland | |
Alpiq und der Verluste schreibenden Axpo schwebt ein ähnlicher Weg vor wie | |
ihn die deutschen Konkurrenten EON und RWE gegangen sind: eine Aufspaltung. | |
Bereiche, die sich rechnen, sollen von den verlustbringenden getrennt | |
werden. Das Geschäftsmodell der Energiekonzerne war in den vergangenen | |
Jahren wegen der gefallenen Großhandelspreise für Strom in Europa ins | |
Wanken geraten. | |
Dass die Energiewende auch in der Schweiz funktionieren kann, zeigt sich in | |
Hohentannen, einer kleinen Landgemeinde auf einer Anhöhe zwischen Bodensee | |
und Alpsteingebiet mit 300 Einwohnern. Dort schmücken neben Gartenzwergen | |
auch kleine Windräder die Vorgärten und Solarzellen spiegeln sich auf den | |
Hausdächern. Seit Fukushima kauft Hohentannen keinen Atomstrom mehr, | |
sondern setzt voll auf erneuerbare Energien. | |
Die Energiewende im Kleinformat wird aktiv mit öffentlichen Zuschüssen | |
gefördert. Jedes neunte Haus produziert eigenen Strom mit Solaranlagen und | |
die Fläche der Photovoltaikanlagen entspricht inzwischen mehr als einem | |
Fußballfeld. | |
18 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Rupert Pretterklieber | |
John Miller | |
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