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# taz.de -- SV Todesfelde in der Regionalliga Nord: Ein ganzes Dorf steigt auf
> Der SV Todesfelde hat lange und umsichtig an seinem Aufstieg in die
> Regionalliga Nord gearbeitet. Jetzt versucht man, nicht den Kopf zu
> verlieren.
Bild: Eine laue Sommerpartie: der SV Todesfelde, soviel ist sicher, wird zum er…
Hamburg taz | Am späten Sonntagmittag ist auf der Dorfstraße im
schleswig-holsteinischen Todesfelde kaum etwas los. Nur zwei Rentnerinnen
spazieren mit ihren Rollatoren an der örtlichen Landschlachterei Rögner
entlang, zwei Kinder fahren mit dem Fahrrad auf dem Gehweg vor dem
Landgasthof „Zur Eiche“ um die Wette. Das 1.000-Einwohner:innen-Dorf wirkt
ansonsten wie ausgestorben. Am Ortsende jedoch stehen Dutzende Menschen in
einer Schlange vor dem Kassenhäuschen des Sportplatzes.
Viele haben einen gelb-blauen Schal um und sind in sichtlich ausgelassener
Stimmung. Grund genug haben sie dafür: Ihr örtlicher Sportverein hat heute
sein letztes Saisonspiel, doch schon vor dem Anpfiff gegen Werder Bremens
zweite Mannschaft ist klar, dass in der kommenden Saison auf den
Todesfelder Sportplatz nicht mehr Nordmark Satrup oder Hohenweststedt zu
Gast sein werden. Der [1][kleine SV Todesfelde] spielt künftig in der
[2][viertklassigen Regionalliga Nord]. Dann werden einige Vereine in die
dünnbesiedelte Mitte Schleswig-Holsteins anreisen müssen, die in besseren
Zeiten auch schon mal in der 2. Bundesliga kickten: der VfB Lübeck etwa
oder der VfB Oldenburg.
Der Aufstieg in die Regionalliga Nord ist der größte Erfolg in der
Geschichte des Dorfvereins. Die viertklassige Regionalliga Nord umfasst
Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen. Während der Meister
aus der niedersächsischen Landesliga, die Kickers aus Emden, direkt
aufsteigen durfte, ging es für die anderen drei Landesmeister in der
Relegation um die verbliebenen zwei Aufstiegsplätze. Weil Altona 93 im
ersten Relegationsspiel gegen Bremen knapp verloren hatte, genügte
Todesfelde am vergangenen Mittwoch in Hamburg ein Sieg, um schon nach einem
Spiel sicher aufsteigen zu können.
## Unbeeindruckt in Altona
Die lautstarke Altonaer Kulisse vor mehr als 4.100 Zuschauer:innen ließ
das Team sichtbar unbeeindruckt, Todesfelde spielte extrem diszipliniert
und körperlich robust. Besonders beeindruckte indes die Effizienz: Aus kaum
mehr als sechs Torchancen schoss der Dorfklub fünf Tore – mit einem äußerst
verdienten 5:3-Sieg verließ die Dorfmannschaft am späten Mittwochabend
feiernd die Großstadt. „Die Krönung haben wir uns verdient“, sagte Trainer
Dirk Hellmann nach dem Abpfiff.
Die Partie am Sonntagnachmittag gegen den Mitaufsteiger aus Bremen, die
Todesfelde mit 0:3 verliert, ist entsprechend eine laue Sommerpartie ohne
hitzige Situationen – nur der Rahmen für die Abschlussfeier einer
erfolgreichen Saison. Rund 1.000 Zuschauer:innen verfolgen die Partie,
so viele also etwa, wie das Dorf Einwohner:innen hat. „45 Fanschals
habe ich heute verkauft“, sagt kurz vor der Halbzeit sichtlich zufrieden
der Mann am Tisch abseits des Platzes, wo es Fan-Utensilien des Vereins zu
kaufen gibt. Direkt daneben, in der „Nordkurve“ – eine dreireihige, kaum
zehn Meter lange überdachte Tribüne – stimmen zwei Dutzend
Zuschauer:innen auf den Ort gemünzte Lieder an. Zwei Trommeln untermalen
das Gegröle. In der Halbzeit dröhnen Ballermann-Hits aus den Lautsprechern.
Man habe hier viel Spaß dabei, gemeinsam große Ziele zu erreichen, erklärt
Vereinssprecher Sönke Ehlers. Über mehrere Jahre hinweg habe der Klub
darauf hingearbeitet, den Sprung in die semiprofessionelle Regionalliga zu
wagen. 2020 hatte der Verein schon einmal die Gelegenheit, an der
Aufstiegsrunde teilzunehmen. „Aber wir haben uns bewusst dagegen
entschieden, weil wir den Eindruck hatten, als Verein noch nicht bereit für
diesen großen Schritt zu sein.“ Das hat sich seither geändert. „Wir haben
in der Zwischenzeit die Pläne für das, was auf uns als Verein in der
Regionalliga zukommt, in der Schublade liegen.“ Die Vorgaben etwa, was
baulich am Stadion für die Zulassung zur Regionalliga getan werden muss,
könne man nun ohne Druck umsetzen.
„Alle packen mit an, haben Herzblut für den Verein“, sagt Ehlers. Das zeige
sich allein schon daran, dass sich ganze zwölf Leute aus dem Dorf
ehrenamtlich um den Sportplatz und die Pflege der Anlage kümmern. „Wir
haben bei vielen Aufgaben das Glück, das sich Leute mit Expertise
einbringen“, sagt Ehlers. Ein Mitglied etwa ist beruflich beim
Landeskriminalamt tätig und kümmert sich um das Sicherheitskonzept.
Möglich ist das auch geworden, weil einige lokale Unternehmer den Verein
ausreichend finanziell unterstützen. „Natürlich haben auch wir große
Sponsoren“, sagt Ehlers. „Das ist die Bedingung, um ambitioniert zu
spielen.“ Da sei der Verein aber breit aufgestellt, viele der finanziellen
Unterstützer seien schon seit vielen Jahren dabei. „Und sie kommen hier aus
der Region, haben also enge Bindung.“ Ein direkter Wiederabstieg würde also
nicht, wie es in der Vergangenheit schon bei vielen emporkommenden Vereinen
geschehen war, zum Kollaps führen. „Da haben wir unsere Hausaufgaben schon
gemacht“, sagt Ehlers.
## Gewappnet auch für den Abstieg
Das bestätigte jüngst auch Jens Martens. Der 68-Jährige ist in
Schleswig-Holstein ein Trainer-Urgestein, trainierte schon mal zu
Drittliga-Zeiten Holstein Kiel und übernahm im Frühjahr kurzzeitig den
vakanten Trainerposten des [3][Drittligisten VfB Lübeck]. Seit 2022
engagiert er sich aber auch als Sportchef beim SV Todesfelde. Nun kündigte
er seinen Rückzug an. „Meine Aufgabe war es, die Mannschaft reif für die
Regionalliga zu machen“, sagte er zur Begründung – die Aufgabe sei erfüll…
Dass der Dorfverein in der kommenden Saison auf der Liste der
Abstiegskandidaten ganz oben stehen wird, „dessen sind wir uns bewusst“,
sagt Ehlers. Aber in den Plänen, die nun aus der Schublade gezogen würden,
sei auch ein direkter Wiederabstieg eingepreist. Ein Auseinanderbrechen,
wenn der Erfolg ausbleiben sollte, will man im Dorf unbedingt verhindern.
Mahnende Beispiele von emporgekommenen Vereinen, die nach einem kurzen Hoch
wieder in der Versenkung verschwanden, gebe es schließlich überall im Land
zuhauf, so Ehlers.
„Der SV Todesfelde ist ein großes Team“, sagt Ehlers. Solange das so
bleibt, sei eine Etablierung des Dorfklubs in der Regionalliga zumindest
denkbar. Sicher dürfte hingegen sein, dass auch in der kommenden Saison
Todesfelde an späten Sonntagmittagen wie ausgestorben wirken wird. „Das
Dorf steht hier wirklich hinter dem Verein“, sagt Ehlers.
2 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.svtodesfelde.de/
[2] /Professionalitaet-der-4-Fussballliga/!5726270
[3] /Luebeck-in-die-Dritte-Liga-aufgestiegen/!5946061
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Fußball
Regionalliga
Schleswig-Holstein
Emden
Hamburg
VfL Osnabrück
DFB-Pokal
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