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# taz.de -- Regionalligist mit Aspirationen: Liebhaberprojekt gibt Hoffnung
> Das Regionalliga-Spitzenspiel gegen Drochtersen/Assel haben die Kickers
> Emden 0:1 verloren. Dank eines Fußball-Unternehmers herrscht
> Aufbruchstimmung.
Bild: Euphorie im Stadion: Fans der Kickers Emden werden angefeuert
Emden taz | Dick eingepackt in Mütze und Schal geht Henning Rießelmann am
Freitagabend gut eine halbe Stunde vor Spielbeginn vor der Gegengerade des
Ostfriesland-Stadions entlang. Der sportliche Leiter von Kickers Emden kann
zufrieden sein. Die Stehplatztribüne ist schon prall gefüllt, beim Anpfiff
werden trotz Sturms 2.100 Zuschauer das Spitzenspiel der Regionalliga Nord
gegen Drochtersen/Assel verfolgen.
Die ihn von oben erkennen, wissen: Ohne Rießelmann wären die meisten von
ihnen heute nicht hier, würde es nicht diese Tribüne, ja wahrscheinlich
nicht einmal dieses Spiel geben. Als er den Job des sportlichen Leiters im
Sommer 2023 übernahm, war der Verein gerade wieder in die Oberliga
abgestiegen.
„Wir haben vor 350 Zuschauern angefangen und haben jetzt 3.000 Zuschauer im
Schnitt“, sagte der 41-Jährige einen Tag vor dem Spiel der taz. „Das
überträgt sich auch auf die Mannschaft. Da herrscht eine gute Energie, das
ist einfach etwas Besonderes“.
Mit „wir“ meint er die Mitstreiter aus seiner Agentur Onside, die als
strategischer Partner bei den Kickers eingestiegen ist. 49 Prozent hat sie
an der GmbH erworben, in die die erste Herrenmannschaft im Mai
ausgegliedert wurde.
## Fans frühzeitig einbezogen
Onside verdient sein Geld damit, für zahlreiche Profiklubs Trainingslager
und Testspiele zu organisieren. Zum Engagement bei Kickers Emden sagt
Rießelmann: „Wir machen kein Investment und wir stecken da auch kein Geld
rein, sondern wir suchen mit unserem Netzwerk Sponsoren, die den Verein auf
breitere Füße stellen, sodass wir ihn wirtschaftlich wieder gesund machen.“
Rießelmann legt Wert darauf, dass er und sein Team das Projekt Kickers
Emden als Hobby nebenher betreiben und lediglich die Expertise und Kontakte
der Agentur nutzen. „Meinem Team und mir liegt es, einen Verein
umzukrempeln und neu aufzustellen“, sagt er. Das fange bei der
Infrastruktur an und höre beim Spielerkader auf. „Das macht uns einfach
Spaß, weil wir fußballverrückt sind.“
Kurzfristig sei es wichtig gewesen, ein guter Gastgeber im Stadion zu
werden und in der Regionalliga wettbewerbsfähig zu sein. Beides ist
gelungen: Das Stadion mit neuen Tribünen, saniertem Rasen, neuem VIP-Zelt,
LED-Bande und erweitertem Gastro-Angebot ist kaum wiederzuerkennen. Die
stark verjüngte und weitgehend mit entwicklungsfähigen Spielern aus der
Region bestückte Mannschaft hat den [1][Wiederaufstieg souverän geschafft]
und steht nach elf Spieltagen auf Platz 2 der [2][Regionalliga].
Möglich gemacht hat das – neben der ehrenamtlichen Arbeit im Verein – die
Unterstützung von über 50 neuen Sponsoren und eine gewitzte
Retter-Kampagne, mit der der von der Presse mit 300.000 Euro angegebene
ursprüngliche Schuldenberg um 70.000 Euro verkleinert werden konnte.
Eigentlich müsste in einer Fußballgeschichte jetzt das große „Aber“ folg…
– üblicherweise als Einspruch der Fans gegen Ausgliederung und externen
Einfluss. Das bleibt in diesem Fall aus, weil Rießelmann die aktiven Fans
frühzeitig einbezogen hat. „Vor zwei Jahren haben wir uns hier im Block mit
zwei Kästen Bier und 40, 50 Leuten mit Henning zusammengesetzt“, sagt
Philipp Hardtke von der Ultra-Gruppe Block 5 kurz vor Spielbeginn der taz.
Jeder hat seine Fragen, Bedenken und Ängste mitteilen können. Danach sei
vielen schon eine Last vom Herzen gefallen. „Es hat sich bewahrheitet, dass
er einfach fußballverrückt ist und man in der Regionalliga nicht von einem
Investment reden kann“, sagt Hardtke. „Wir sind alle glücklich: Die
Mannschaft ist super, das Umfeld ist klasse und die Sponsoren ziehen mit.“
Hardke selbst sitzt im Vorstand, ist Fanbetreuer und für die
Spieltag-Organisation zuständig. Der ehemalige Block-5-Vorsänger hat seit
über 20 Jahren fast kein Spiel der Kickers verpasst. „Ich habe die Höhen,
die Tiefen, die Regionalliga, die Dritte Liga und die Insolvenz miterlebt.
Momentan haben wir die beste Phase, weil sie einfach seriös untermauert
ist. Wir spekulieren nicht mit Geld, das nicht da ist, sondern sind
wirklich bodenständig“, sagt Hardtke.
Es ist tatsächlich so etwas wie Aufbruchstimmung spürbar an diesem
ungemütlichen Abend in Emden – in den Gesprächen auf der zugigen
Pressetribüne, in den Wechselgesängen zwischen Block 5 und der Gegengerade
und im Small Talk nach dem Spiel im gut gefüllten VIP-Zelt.
## Erinnerung an Drittliga-Zeiten
Daran ändert auch die unglückliche 0:1-[3][Niederlage der überlegenen Emder
gegen Drochtersen/Asse]l nichts – immerhin die dritte Heimniederlage in
Folge. Tabellenplatz 2 wurde trotzdem behauptet, nicht schlecht für eine
Mannschaft, in der noch neun Spieler der Aufstiegsmannschaft in der
Startelf stehen und die als Ziel den Klassenerhalt ausgegeben hat.
Doch bei aller neuen Bodenständigkeit sind auch im aufgepeppten
Ostfriesland-Stadion die [4][Erinnerungen an alte Drittliga-Zeiten] noch
lebendig. „Davon träumen die Leute, davon haben sie jahrelang gezehrt“,
sagt Rießelmann. „Das war eine schöne Zeit in Emden, und wir schauen
einfach mal, dass wir diese Zeiten vielleicht irgendwann nach Emden
zurückholen können.“
Er will dabei keinen Druck aufbauen oder ein Zeitfenster festlegen. „Aber
wir versuchen alles, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass wir
irgendwann wieder ans Profitum anknüpfen können“, sagt Rießelmann.
30 Sep 2024
## LINKS
[1] /SV-Todesfelde-in-der-Regionalliga-Nord/!6011563
[2] /Verdacht-der-Spielmanipulation/!6032941
[3] https://www.kickers.de/
[4] /Kickers-Emden-in-Turbulenzen/!5104156
## AUTOREN
Ralf Lorenzen
## TAGS
Emden
Fußball
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Aufstieg
Fans
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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