# taz.de -- Russlands Allianzen: Gut geölte Beziehungen | |
> Russland erhält wegen seines Kriegs gegen die Ukraine aus der UN mehr | |
> Gegenwind. Isoliert ist das Land dennoch nicht – dank seiner Ressourcen. | |
Bild: Ein bisschen Abstand: Putin und Erdogan am 13. Oktober in Kasachstan | |
ISTANBUL taz | Schaut man auf das Ergebnis der Abstimmung in der | |
UN-Generalversammlung über die Annexion der Ostukraine, scheint Russland | |
auf der Welt ziemlich allein zu stehen: Nur Nordkorea, Belarus, Syrien und | |
Nicaragua stellten sich bei der Abstimmung am Mittwochabend an seine Seite, | |
während 143 Länder die Annexion verurteilten und 35 Länder, darunter China, | |
sich der Stimme enthielten. Das sind sogar zwei Länder mehr, die die | |
Politik von Präsident Wladimir Putin verurteilten, als noch bei der | |
[1][Resolution zur Verurteilung des Überfalls auf die Ukraine]. Wächst der | |
weltweite Widerstand gegen Putin? | |
Die letzten Wochen haben gezeigt, dass die geopolitische Situation doch | |
sehr viel komplexer ist, als rein deklamatorische Abstimmungen in der | |
UN-Vollversammlung nahelegen. Mitte September nahm Putin als angesehener | |
Staatsmann an dem Gipfeltreffen des asiatischen Staatenbundes SCO, der | |
sogenannten Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, in Samarkand | |
(Usbekistan) teil. Dort geben Russland und China den Ton an, aber neben den | |
zentralasiatischen Staaten sind auch Indien und Pakistan mit dabei – | |
Länder, die der Westen gerne an seiner Seite sehen würde. | |
Als Gast war auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan vor Ort und | |
traf sich dort zu einem bilateralen Treffen mit Putin. Am Donnerstag fand | |
erneut ein Treffen von Erdoğan mit Putin statt, dieses Mal in der | |
kasachischen Hauptstadt Astana, am Rande eines Gipfels für Zusammenarbeit | |
und vertrauensbildende Maßnahmen in Asien. Erdoğan warb bei dem Gespräch | |
erneut für eine diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg und machte sich | |
außerdem für die Verlängerung des im Juli abgeschlossenen Abkommens für | |
Getreideexporte aus ukrainischen Häfen stark. | |
Erdoğan ist kein Unterstützer des russischen Überfalls auf die Ukraine, die | |
Türkei hat alle UN-Resolutionen gegen den Angriff und jetzt die Annexion | |
mitgetragen. Aber Erdoğan sperrt sich bei den wirtschaftlichen Sanktionen | |
des Westens gegen Russland. Die Türkei profitiert davon, aber über die | |
Türkei könnten auch andere europäische Länder zukünftig wieder etwas mehr | |
Gas aus Russland beziehen. Putin hat Erdoğan bei dem Treffen in Astana | |
vorgeschlagen, die Türkei durch eine weitere Pipeline durchs Schwarze Meer | |
zu einem Verteilzentrum für russisches Gas zu machen, Gas, das durch die | |
Ostsee und die Ukraine nicht mehr fließt. | |
## Öl für Putin | |
Erdoğan kompensiert diese Zusammenarbeit diplomatisch immerhin durch seine | |
Vermittlungsbemühungen, die – wie bei den Getreidelieferungen und dem | |
Gefangenenaustausch – auch der Ukraine zugutekommen. Saudi-Arabien und die | |
Vereinigten Arabischen Emirate hingegen, Schwergewichte in der Organisation | |
erdölexportierender Länder (Opec) und jahrzehntelange strategische Partner | |
der USA und Europas, haben den Westen erst vor wenigen Tagen schwer | |
brüskiert. | |
Beim letzten Opec-plus-Treffen vor einer Woche, also mit Russland, setzten | |
Saudi-Arabien und Russland gemeinsam durch, dass die Ölfördermenge | |
gedrosselt wird, um die Preise hochzuhalten. Anschließend reiste der Chef | |
der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Muhammad bin Sajid, auch noch | |
persönlich nach Moskau, um herzlich mit Putin die neue strategische Allianz | |
der arabischen Ölförderländer mit Russland zu feiern. | |
Das stärkt Putin enorm und sichert ihm auch weiterhin hohe Öleinnahmen für | |
seine Kriegskasse, ist aber vor allem ein Affront gegen den US-Präsidenten | |
Joe Biden. Der Opec-Russland-Beschluss führt wie beabsichtigt wieder zu | |
höheren Ölpreisen und macht damit auch das Benzin an den US-Tankstellen | |
teurer. Kurz vor den US-Zwischenwahlen im November ist das ein schwerer | |
Schlag für Biden, der zuvor extra [2][zu Saudi-Arabiens starkem Mann | |
Mohammed bin Salman gereist war], obwohl er den wegen des Mordes an dem | |
saudischen Journalisten Jamal Khashoggi eigentlich boykottieren wollte. | |
Hat alles nichts genutzt, die Scheichs vom Golf haben sich für die | |
russische Seite entschieden, weil sie glauben, dass die Absatzmärkte für | |
ihr Erdöl eben zukünftig vor allem im Osten liegen werden. So isoliert, wie | |
viele im Westen gerne glauben, ist Putins Russland also ganz und gar nicht. | |
13 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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