# taz.de -- Regisseur „Fritz Lang“ als Filmfigur: Auch er ein Getriebener | |
> Ein Regisseur auf der Suche nach Inspiration: Gordian Mauggs Spielfilm | |
> „Fritz Lang“ ist visuell geschickt – dramaturgisch eher nicht. | |
Bild: Montage: Fritz Lang (Heino Ferch) mit Filmausschnitt aus „M“ | |
„Wer weiß denn, wie es in mir aussieht? Wie es schreit und brüllt herinnen? | |
Wie ich’s tun muss! Will nicht! Muss! Will nicht! Muss!“ Aus dem Mann | |
spricht die tiefe Qual. Den von Peter Lorre als Kindermörder legendär | |
gemachten Monolog kann man nie vergessen. | |
Die akzentuierte, leicht wienerisch gefärbte Stimme Lorres war perfekt für | |
Fritz Langs Soundpremiere: In „M“, der 1931 als einer der ersten deutschen | |
Tonfilme herauskam, demonstrierte der für megalomanen Stummfilm-Kintopp wie | |
„Metropolis“ bekannte Lang sein umfassendes Talent als Regisseur von | |
psychologisch anspruchsvollen Dramen. Gemeinsam mit Ehefrau und Koautorin | |
Thea von Harbou bewies er ein sicheres Gefühl für Dialoge – am liebsten | |
zwischen Kaputten und Verzweifelten. | |
Lang war selbst ein Getriebener, das behauptet Regisseur Gordian Maugg im | |
Film „Fritz Lang“, einer, dessen Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg | |
und als betrügender Ehemann mit Trauma-Erlebnis ihn beruflich und | |
thematisch beeinflussten. Mauggs Protagonist, gespielt von Heino Ferch, | |
stößt auf der Suche nach einem Sujet für den ersten „Talkie“, der seinen | |
Ruf als Meisterregisseur zementieren soll, nach nächtlicher | |
Drogen-und-Hurenroutine auf Zeitungsberichte über den Düsseldorfer | |
Serienmörder Peter Kürten (Samuel Finzi). | |
Lang reist in die Rheinstadt, um die Ermittlungen zu beobachten, und trifft | |
dort den findigen Berliner Kriminalrat Gennat (Thomas Thieme), der ihn nah | |
ans Geschehen lässt. Man kennt sich von früher: Maugg hat Gennat kurzerhand | |
zu jenem Beamten gemacht, der Jahre vorher den nie ganz aufgeklärten Tod | |
von Langs erster Ehefrau Lisa zu Protokoll nahm. | |
Das ist nicht der einzige Kunstgriff: Maugg hat Originalausschnitte aus „M“ | |
und bewegte Bilder aus historischen Filmen in die Geschichte collagiert. | |
Die Kameramänner Lutz Reitemeier und Moritz Anton fanden mithilfe | |
exzellenter Beleuchtung dafür einen homogenen, überzeugenden Look – im | |
4:3-Format mischen sich die alten mit den neuen Aufnahmen und sind allein | |
durch die handelnden Personen unterscheidbar. | |
So rund der Film visuell ist, so holperig ist er in Dramaturgie und | |
Besetzung. Ferch spielt den Österreicher Lang stoisch und akzentfrei – | |
überhaupt hat niemand, ob Berliner Bulle oder Düsseldorfer | |
Droschkenkutscher, auch nur den Hauch einer mundartlichen Färbung, allein | |
Thieme darf kurz berlinisch bollern – dabei ist die Sprache in dieser | |
Geschichte des ersten Tonfilms so wichtig. | |
Der gebürtige Bulgare Finzi erinnert mit seinem feinen Akzent und seiner | |
Sprechweise zwar an Peter Lorre, aber eben nicht an einen aus Mülheim | |
stammenden, bildungsfernen Arbeitersohn Kürten. Zudem klingen manche Zeilen | |
mehr nach Fernsehkrimi als nach Milieu: „Wer sind Sie und was wollen Sie | |
von mir?“ | |
Die formal schicke Idee, dem Werk durch Originalmaterial Authentizität zu | |
verleihen, funktioniert nur begrenzt. Wenn etwa Langs dramaturgisch völlig | |
unerhebliche Reise von Berlin nach Düsseldorf durch Original-Zugszenen aus | |
den 20ern ausgekleidet und damit viel zu bedeutend wird, verschwimmt die | |
Absicht: Braucht man wirklich historische Bahnreisebilder, wenn Lang alias | |
Ferch ja doch nicht in dem Zug sitzen kann? | |
Vor allem aber schaffen es Maugg und Ferch nicht, sich Lang als Menschen zu | |
nähern, tatsächlich zu erklären, was den arbeitswütigen Monokelträger mit | |
der Schwäche für Kokain umtrieb: Das hat Maugg nicht geschrieben und Ferch | |
nicht gespielt. Vater-Sohn-Konflikt, dann der Krieg mit seinen Schrecken, | |
und die nie geklärte Frage nach der Schuld am Tod von Langs erster Frau. | |
Doch diese Szenen bleiben Behauptungen. Sie tauchen wie zufällig auf, | |
während die Stadt einen Mörder sucht – und Fritz Lang eine Inspiration. | |
13 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
## TAGS | |
Film | |
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