# taz.de -- Rechtsextremismus-Experte über Brandanschlag: „Verstärkte recht… | |
> Nach dem Tod einer Syrerin in Folge eines Brandanschlags in Berlin-Pankow | |
> verweist Andreas Ziehl auf Aktivitäten der lokalen rechte Szene. | |
Bild: Der Feuerwehreinsatz Ende Januar nach dem Brandanschlag auf ein Haus, in … | |
taz: Herr Ziehl, Sie archivieren für die Berliner Register in Pankow | |
rechtsextreme Aktivitäten und Straftaten. Im Ortsteil Französisch-Buchholz | |
ist eine syrische Mutter von sechs Kindern gestorben nach einem | |
Brandanschlag auf eine Unterkunft, in der viele Geflüchtete leben. Im Raum | |
steht auch ein rechtsextremes Tatmotiv. Inwiefern gibt es in der Gegend | |
eine aktive, rechtsextreme Szene? | |
Andreas Ziehl: In Buch gab es immer wieder extrem rechte Organisationen. | |
Die NPD ist mittlerweile zwar komplett bedeutungslos, aber dafür ist der | |
„III. Weg“ führender Akteur in Pankow. Quantitativ gibt es keine Zunahme: | |
Es handelt sich dabei um dieselben paar Neonazis, die vorher bei NPD und | |
freien Kameradschaften waren. | |
Laut Polizei liegen bisher keine Hinweise auf ein rechtes Tatmotiv vor. Die | |
Ermittler sind aber im Kontakt mit dem Staatsschutz, der für politische | |
Kriminalität zuständig ist. Gab es in der Gegend um den Tatort vermehrte | |
rechte Aktivitäten? | |
Die Bahnhofstraße in Französisch-Buchholz zieht sich bis nach Blankenburg, | |
wo es in den letzten zwei Jahren durchaus verstärkte rechtsextreme | |
Aktivitäten gab. Im November letzten Jahres etwa ging der „III. Weg“ auf | |
eine sogenannte Kiezstreife, um rassistische Stimmung zu schüren. Das war | |
zuvor schon eine Kampagne der NPD, die bereits 2015 durch Blankenburg | |
patrouillierten. Damals ging es um ein leerstehendes Gebäude, in dem | |
geflüchtete Obdachlose untergekommen waren. | |
Was war darüber hinaus in jüngerer Zeit auffällig? | |
Es gab zunehmend mehr Propaganda: Zuerst fing es 2021 mit rassistischen | |
Aufklebern gegen Roma und Sinti und gegen Schwarze an. Im letzten Jahr gab | |
es in Karow bis hoch nach Buchholz vermehrt Schmierereien gegen | |
Antifaschismus. Dahinter steckt vermutlich eine kleine Gruppe von Leuten, | |
die versuchen, Dominanz durch rechte Inhalte zu schaffen. | |
Würden Sie diesem Personenkreis auch militantere Aktionen wie einen | |
Brandanschlag zutrauen? | |
Das kann ich nicht sagen. Aber andere Fälle zeigen: Auch Nachbarn oder | |
Personen, die keinen Kontakt zur rechtsextremen Szene haben, fühlen sich | |
durch rechte Sprühereien oder Propaganda ermächtigt, rechtsextreme Taten zu | |
vollstrecken. Es gibt hier schon ein rechtes Milieu und hohe | |
Zustimmungswerte für die AfD. | |
Ebenso ist ein Parteibüro der AfD in der Nähe, wo es regelmäßig | |
Veranstaltungen gibt … | |
Und bei der Wahl hat die AfD in Pankow leichte Gewinne gemacht, in Karow | |
oder Buch holt sie in einzelnen Wahllokalen auch mal die meisten Stimmen. | |
Was erwarten Sie von den Ermittlungen? | |
Wichtig ist, einen Fokus darauf zu richten, ob die Tat einen rassistischen | |
Ursprung haben kann. Es ist gut, dass es am Montag eine Kundgebung | |
gemeinsam mit den Betroffenen gab, um darauf aufmerksam zu machen. | |
Die Frau ist an den Brandfolgen vor elf Tagen verstorben. Hätten die | |
Polizei schneller darüber informieren müssen? | |
Eine Mitteilung, wie es sie am Montag erst nach großem öffentlichem Druck | |
gab, wäre natürlich zeitnah besser gewesen. Aber das muss auch nicht | |
böswillig sein: Ich weiß nicht, wie die internen Abläufe sind und ab wann | |
man in den Behörden Kenntnis vom Tod hatte. Immerhin haben alle größeren | |
Medien den Fall mittlerweile aufgegriffen – das spricht für eine gewachsene | |
Sensibilisierung. Aus Betroffenensicht gibt es natürlich trotzdem ein | |
Ohnmachtsgefühl, dass die Öffentlichkeit erst drauf gestoßen werden muss. | |
Gab es in der Gegend zuvor auch größere Straftaten wie körperliche | |
Angriffe, rassistische Pöbeleien oder sonstige rechte Gewalt? | |
Gerade in diesen Außenstadtbereichen mit vielen Einfamilienhäusern gibt es | |
wenige Übergriffe. Angriffe passieren meist dort, wo viele Menschen | |
zusammen kommen und wo es zum Beispiel offenes queeres oder jüdischen Leben | |
gibt. Dennoch gibt es auch Vorfälle in Französisch-Buchholz: [1][2019 | |
versuchten Betrunkene] etwa, sich Zugang zu einer Geflüchtetenunterkunft zu | |
verschaffen, konnten aber von der Security abgehalten werden. 2020 wurde | |
ein Mann [2][rassistisch von einem Busfahrer beleidigt] und gestoßen. Die | |
daraufhin gerufene Polizei fand, dass „Islamist“ keine Beleidigung sei. In | |
den Jahren davor gab es in Blankenburg einen [3][queerfeindlichen Angriff | |
auf drei Männer in Blankenburg 2017], bei dem sie verletzt und beraubt | |
wurden und 2016 wurde [4][ein Geflüchtetenunterstützer tätlich | |
angegriffen]. | |
21 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berliner-register.de/vorfall/b9f4b839-193f-436d-9cf6-071893a816… | |
[2] https://www.berliner-register.de/vorfall/7f2844fe-643f-4285-bda9-8419edaee8… | |
[3] https://www.berliner-register.de/vorfall/1c5a26a3-dc77-4d5e-80c1-68b4845ac5… | |
[4] https://www.berliner-register.de/vorfall/dcec6730-81c4-4cf7-a1df-923dc0ec82… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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