# taz.de -- Rechter „Sturm auf Connewitz“: Berufung abgelehnt | |
> Zusammen mit hunderten Neonazis hatte ein Rechtsreferendar in Leipzig | |
> einen linken Stadtteil gestürmt. Das Urteil gegen ihn wurde nun | |
> bestätigt. | |
Bild: Rechter Ansturm: Verwüstung in Leipzig Connewitz am 11. Januar 2016 | |
LEIPZIG taz | Weil ein sächsischer Rechtsreferendar dabei war, als rund | |
[1][250 bewaffnete Neonazis den linksgeprägten Leipziger Stadtteil | |
Connewitz angriffen], droht dem Nachwuchsjuristen das vorzeitige Ende | |
seiner Ausbildung. Das Landgericht Leipzig bestätigte am Dienstag in | |
zweiter Instanz ein Urteil wegen besonders schwerem Landfriedensbruch gegen | |
den 27-jährigen Brian E., der aktuell seinen juristischen | |
Vorbereitungsdienst am Landgericht Chemnitz absolviert. | |
Wegen des laufenden Verfahrens durfte E. im November 2018 sein | |
Referendariat bereits nur unter Auflagen beginnen. Sollte er rechtskräftig | |
zu einer Strafe von mehr als zwölf Monaten verurteilt werden, wäre seine | |
Ausbildung vorzeitig beendet. Vier Wochen nach Ausbildungsbeginn | |
verurteilte das Leipziger Amtsgericht Brian E. dann tatsächlich wegen | |
seiner Beteiligung am [2][“Sturm auf Connewitz“] zu einer Strafe von einem | |
Jahr und vier Monaten auf Bewährung. | |
Dagegen legte der Referendar Berufung ein. Diese wurde nun vom Landgericht | |
Leipzig verworfen. Frühere Verhandlungstermine platzten, weil der | |
Angeklagte sich mehrfach krank gemeldet hatte. | |
Brian E. erklärte vor der Entscheidung am Dienstag, er habe an dem Abend in | |
Connewitz ein Zeichen gegen linke Gewalt setzen wollen, nachdem er zuvor | |
von einer geplanten Demonstration in dem alternativen Stadtteil gehört | |
hätte. Vor Ort sei er auf eine Gruppe getroffen, der er sich spontan | |
angeschlossen habe. | |
## Geschmackloser Vergleich im Gerichtssaal | |
Mehrmals beteuerte er, wie erschrocken er gewesen sei, als sich die | |
Menschen um ihn vermummten und mit Waffen und Gegenständen auf Autos und | |
Schaufenster einschlugen oder Passanten angriffen. Er beschrieb eine | |
Gruppe, die so dicht gedrängt gewesen sei, dass es dem Hobbykampfsportler | |
weder physisch noch psychisch möglich gewesen sei, sich zu entfernen. | |
Staatsanwaltschaft und Gericht folgten dieser Schilderung allerdings nicht. | |
Brian E. habe sich bewusst der Gruppe angeschlossen, obwohl für ihn klar zu | |
erkennen gewesen sei, dass Gewalttätigkeiten wahrscheinlich waren, erklärte | |
die Staatsanwältin. Die Schilderungen des Angeklagten, es sei ihm unmöglich | |
gewesen, sich zu entfernen, bezeichnete die Staatsanwältin als | |
unglaubwürdig. | |
Der Angeklagte sah das anders – und zog einen geschmacklosen Vergleich. | |
„Sagen Sie den Frauen, die in der Kölner Silvesternacht bedrängt wurden | |
auch, sie hätten doch einfach gehen können?“, fragte der Rechtsreferendar | |
in seinem umfassenden Schlusswort lautstark. Er betonte, kein [3][Neonazi] | |
zu sein, auch wenn seine politischen Ansichten vielleicht nicht der | |
Mehrheitsmeinung entsprechen würden. Sein Verteidiger führte mehrfach an, | |
in der Verhandlung gehe es vorrangig um Gesinnung und Vorurteile gegenüber | |
dem Referendar. | |
Ein Grund dafür war ein Antrag der Staatsanwaltschaft, den Oberkörper des | |
Angeklagten zu begutachten. Auf einem Foto des Referendars ist eine | |
großflächige Tätowierung zu sehen, in die mehrere Hakenkreuze und das in | |
der rechtsextremen Szene verbreitete Symbol der „schwarzen Sonne“ | |
eingearbeitet sind. Der Präsident des Oberlandesgerichts Dresden – | |
verantwortlich für die sächsischen Rechtsreferendare – stellte nach | |
Bekanntwerden des Bilds Strafanzeige gegen Brian E. | |
Weil das Foto anscheinend auf einer Kampfsportveranstaltung in Österreich | |
entstanden ist, wurde das Verfahren inzwischen an die dortigen Behörden | |
abgegeben. Laut einer Sprecherin der ermittelnden Staatsanwaltschaft droht | |
dem Nachwuchsjuristen dort eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren wegen | |
»nationalsozialistischer Wiederbetätigung«. | |
3 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Grossangriff-auf-einen-Stadtteil/!5265306 | |
[2] /Prozesse-gegen-rechte-Hooligans/!5590164 | |
[3] /Schwerpunkt-Neonazis/!t5008534/ | |
## AUTOREN | |
Aiko Kempen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Neonazis | |
Leipzig-Connewitz | |
Rechte Gewalt | |
Landgericht | |
Connewitz | |
Leipzig-Connewitz | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Siedler | |
NPD | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gewalt-Nacht in Connewitz: „Das war Wahnsinn“ | |
Nicht nur verletzte Beamte: Nach der Connewitz-Nacht klagen Feiernde über | |
rabiaten Polizeieinsatz. Die taz zeigt ein Video des Angriffs auf | |
Polizisten. | |
Gewalt in Leipzig-Connewitz an Silvester: Eskalation mit Ansage | |
In Leipzig werden PolizistInnen angegriffen – und eine neue Debatte über | |
linke Gewalt entbrennt. Einiges bleibt widersprüchlich. | |
Baseballschlägerjahre in Ostdeutschland: Sie waren nie weg | |
Die Akzeptanz, die es heute gegenüber rechten, rassistischen Einstellungen | |
gibt, ist den 1990er Jahren gesät worden. Jetzt profitiert die AfD davon. | |
Völkische Expansion: Neonazis suchen Lebensraum | |
In Mecklenburg und in der Lüneburger Heide setzen sich rechte Siedler fest. | |
Wie kann man damit umgehen? | |
NPD-Demonstration gegen Journalisten: Ich bin die „linke Sau“ | |
Die NPD darf am Samstag nun doch in Hannover aufmarschieren. Ich weiß, was | |
die Bedrohung bedeutet: Ich bin einer der angefeindeten Journalisten. |