# taz.de -- Rechter Protest vor Brasiliens Wahlen: Spiel mit dem Putschgedanken | |
> Wenige Wochen vor der Wahl in Brasilien rief der rechte Präsident | |
> Bolsonaro seine Anhänger*innen auf die Straße. Ob ihm das nutzt, ist | |
> fraglich. | |
Bild: Mobilisierte Zehntausende: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro am Strand… | |
BERLIN taz | Viele Städte Brasiliens glichen am Mittwoch einem Meer aus | |
Gelb und Grün. Zehntausende Brasilianer*innen, zumeist in den Landesfarben | |
gekleidet, waren am Nationalfeiertag bei rechtsradikalen Protesten auf die | |
Straße gegangen Es war eine bunte Mischung aus Evangelikalen, Farmer*innen, | |
Aktivist*innen, Lastwagenfahrer*innen. Was alle verband: Die Unterstützung | |
für Präsident Jair Bolsonaro. | |
Neben rechtsradikalen Protesten fanden an diesem 7. September, wo die | |
Unabhängigkeit von Portugal vor 200 Jahren gefeiert wurde, wie jedes Jahr | |
Militärparaden statt. Bolsonaro, selbst Hauptmann der Reserve, ließ sich | |
dort frenetisch feiern und machte die Zelebrationen zu einer großen | |
Wahlkampfshow. | |
Bereits [1][im vergangenen Jahr] gingen Anhänger*innen Bolsonaros am 7. | |
September auf die Straße. Einige forderten damals ganz unverhohlen eine | |
Militärintervention, andere die Schließung des Parlaments. In diesem Jahr | |
hatten die Proteste eine noch größere Brisanz – denn am 2. Oktober wird | |
gewählt. | |
Amtsinhaber Bolsonaro liegt in allen Umfragen derzeit klar hinter seinem | |
sozialdemokratischen Herausforderer Luiz Inácio da Silva, besser bekannt | |
als Lula. Und so säht Bolsonaro seit Monaten [2][Zweifel] am elektronischen | |
Wahlsystem. Mehrfach hatte er erklärt, nur Gott könne ihn von der | |
Präsidentschaft entfernen. Viele befürchten, Bolsonaro werde im Fall einer | |
Wahlniederlage mit allen Mitteln versuchen, sich an der Macht zu halten. | |
## Trotz Gewaltdrohungen blieb es friedlich | |
Auch am Mittwoch machte Bolsonaro klar, wo er steht. In seiner ersten Rede | |
des Tages zählt der rechtsradikale Präsident in der Hauptstadt Brasília die | |
Daten wichtiger Ereignisse auf, unter anderem des Militärputsches von 1964, | |
und erklärte: „Die Geschichte kann sich wiederholen.“ | |
Am Nachmittag sprach Bolsonaro am weltbekannten Copacabana-Strand in Rio de | |
Janeiro. Dort attackierte er den Obersten Gerichtshof, ebenso seinen | |
Herausforderer Lula. Doch insgesamt war Bolsonaro zahmer als im letzten | |
Jahr, als er Richter*innen wüst beschimpfte und erklärte, keine Urteile | |
des Obersten Gerichtshofes mehr akzeptieren zu wollen – für viele eine | |
klare Putschdrohung. | |
Im Vorfeld der Proteste fürchteten viele Bilder wie am 6. Januar 2021 in | |
Washington. An diesem Tag stürmten radikalisierte Anhänger*innen des | |
ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump das Kapitol. In sozialen Medien | |
forderten Bolsonaro-Anhänger*innen ihre Mitstreiter*innen dazu auf, | |
sich auf „einen Krieg“ vorzubereiten. | |
Und in mehreren Städten hingen riesige Plakate mit dem Aufdruck: „Jetzt | |
oder nie – 7.September“. Auch auf den Protesten waren viele | |
antidemokratische Banner zu sehen, einige Protestierende forderten ganz | |
offen eine Intervention der Streitkräfte. Doch es blieb weitestgehend | |
friedlich. | |
## Auf der Straße war nur, wer ohnehin für Bolsonaro stimmt | |
Bolsonaro hatte versprochen, Millionen Menschen auf die Straße zu bringen – | |
das schaffte er nicht. Doch es kamen mehr Anhänger*innen als im | |
vergangenen Jahr. Das ist wichtig für Bolsonaro: Er wollte ein Zeichen der | |
Stärke in Krisenzeiten senden und Bilder produzieren, die zeigen, dass „das | |
Volk“ hinter ihm stehe. | |
Doch es war vor allem seine radikale Wählerbasis, die protestierte – also | |
jene Brasilianer*innen, die bei der Wahl am 2. Oktober sowieso für ihn | |
stimmen werden. Ob er durch die Proteste neue Wähler*innen gewinnen | |
wird, ist fraglich. | |
Auch wenn Bolsonaro gerne Putschdrohungen verbreitet und mit dem | |
Autoritarismus flirtet, glauben die meisten Analyst*innen, dass es keinen | |
Rückhalt für ein autoritären Bruch gibt. Die große Mehrheit der Bevölkerung | |
sei dagegen, die Medien berichten mittlerweile überaus kritisch und die | |
demokratischen Institutionen weisen Bolsonaro immer wieder in die | |
Schranken. | |
Auch im Militär ist Bolsonaro nicht unumstritten: Obwohl er gerade in den | |
unteren Rängen viele Anhänger*innen hat, ist es unwahrscheinlich, dass | |
sich die Generäle auf ein antidemokratisches Abenteuer einlassen werden. | |
Und das, obwohl sie von Bolsonaro mit Macht und einflussreichen Posten in | |
der Regierung ausgestattet wurden. Auch Verfassungsrichter Gilmar Mendes | |
äußerte sich am Mittwoch zu diesen Diskussionen. „Sie sehe die Möglichkeit | |
eines Putsches nicht“, sagt er. „Die Demokratie hat großen Rückhalt in | |
Brasilien.“ | |
8 Sep 2022 | |
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[1] /Brasiliens-Praesident-laesst-demonstrieren/!5799658 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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