# taz.de -- Ramelows Vorschlag für Thüringen: Lieberknecht als Übergang | |
> Für den Weg aus der politischen Krise in Thüringen hat Bodo Ramelow einen | |
> Vorschlag: Ex-Ministerpräsidentin Lieberknecht als Übergangskandidatin. | |
Bild: Christine Lieberknecht könnte bald wieder Ministerpräsidentin werden | |
ERFURT dpa | Zur Lösung der Regierungskrise in Thüringen hat die Linke | |
überraschend vorgeschlagen, übergangsweise die frühere | |
CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht als Regierungschefin | |
einzusetzen. Die 61-Jährige soll demnach etwa 70 Tage lang eine „technische | |
Regierung“ mit drei Ministern bilden – bis ein neuer Landtag gewählt ist. | |
Ex-Regierungschef Bodo Ramelow sagte am Montagabend [1][nach einem Treffen | |
von Linkspartei, CDU, SPD und Grünen] in Erfurt, er wolle mit seinem | |
Vorschlag einen für alle akzeptablen, überparteilichen Weg eröffnen, als | |
„Beitrag zur Stabilisierung des Landes“. | |
Er selbst werde vorerst nicht für das Amt des Ministerpräsidenten | |
kandidieren, versicherte er. Das Land brauche nun eine Regierung, die | |
handlungsfähig sei. Zugleich machte der 64-Jährige klar, dass er bei | |
Neuwahlen wieder als Spitzenkandidat der Linken antritt. | |
Stimmt das Parlament mit der nötigen Zweidrittelmehrheit Neuwahlen zu, | |
bleiben dafür dann laut Landesverfassung 70 Tage Zeit. Nach Ramelows Plan | |
soll Lieberknecht mit „einem Justizminister, mit einer Finanzministerin und | |
einem Chef der Staatskanzlei“ die wichtigsten Aufgaben in Thüringen lösen. | |
Über den Vorstoß wollen Linke, CDU, SPD und Grüne an diesem Dienstag erneut | |
sprechen. | |
## Suche nach einem Ausweg | |
Die Fraktionen im Landtag suchen seit fast zwei Wochen nach einem Ausweg | |
aus der politischen Krise. Auslöser war das Debakel bei der | |
Ministerpräsidentenwahl am 5. Februar. An dem Tag hatte die Wahl des | |
FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU, FDP und maßgeblich der | |
AfD zum Ministerpräsidenten für ein politisches Beben gesorgt. [2][Drei | |
Tage später trat der 54-Jährige zurück]. Er ist seitdem geschäftsführend | |
ohne Minister im Amt, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt ist. | |
Thüringens Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow [3][twitterte einen Zeitplan | |
zu Ramelows Vorstoß]. Demnach soll sich Anfang März der Landtag auflösen | |
und Neuwahlen beschließen. Danach würde die technische Landesregierung mit | |
Lieberknecht an der Spitze eingesetzt. Anschließend soll nach Neuwahlen | |
eine neue Regierung gebildet werden. Dabei gehe die Linke wieder mit | |
Ramelow als Spitzenkandidat ins Rennen, betonte sie. | |
Thüringens SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee begrüßte Ramelows Vorstoß. | |
„Das ist ein sehr guter Vorschlag“, sagte Tiefensee. „Hoher Respekt für | |
Bodo Ramelow, dass er sich selbst zurückzieht, den Weg frei macht für eine | |
technische Regierung.“ | |
## Verhaltene Reaktion der CDU-Fraktion | |
Die Verhandlungsgruppe der Thüringer CDU-Fraktion reagierte verhalten. „Wir | |
glauben, dass das Wichtigste ist, dass am Ende eines Prozesses nicht die | |
AfD stärker werden kann, als sie jetzt schon ist“, sagte Thüringens | |
CDU-Vizechef Mario Voigt. Die CDU hatte bereits im Vorfeld signalisiert, | |
dass sie kein Interesse an Neuwahlen hat. Hintergrund dürfte auch sein, | |
dass sie laut Umfragen in der Wählergunst stark eingebüßt hat. Nun will sie | |
über Ramelows Vorschlag in ihren Gremien reden, kündigte Voigt an. | |
Auch die Grünen zeigten sich zunächst nicht begeistert von Ramelows | |
Vorstoß. Man präferiere weiterhin die Variante, „dass schnell eine | |
handlungsfähige Regierung unter Bodo Ramelow hergestellt wird“, sagte | |
Landessprecherin Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt. | |
Die Christdemokraten hatten es bislang abgelehnt, Ramelow aktiv in das Amt | |
des Regierungschefs mitzuwählen. Den Christdemokraten verbietet ein | |
Bundesparteitagsbeschluss jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD und den | |
Linken. | |
Die 61-jährige Lieberknecht war von 2009 bis 2014 Regierungschefin in | |
Thüringen und führte damals eine Koalition von CDU und SPD an. Nach der | |
Landtagswahl 2014 entschied sich die SPD für ein Bündnis mit den Linken und | |
den Grünen. So kam es zum Machtwechsel, obwohl die CDU damals stärkste | |
Fraktion im Landtag blieb. Lieberknecht wird schon seit vielen Jahren ein | |
gutes Verhältnis zu Ramelow nachgesagt. | |
Ramelow hatte zuletzt stets betont, er wolle sich erneut einer | |
Ministerpräsidentenwahl stellen, wenn es für ihn eine absolute Mehrheit | |
ohne AfD-Stimmen gibt – dafür sind mindestens vier Stimmen von CDU oder FDP | |
nötig. Zugleich hatte er vorgeschlagen, dass er nach seiner Wahl den Weg | |
für geordnete Neuwahlen frei macht – möglichst nach einer Verständigung | |
über den Landeshaushalt für 2021, um Thüringen bis zu einer Landtagswahl | |
handlungsfähig zu halten. | |
Für eine Auflösung des Thüringer Landtags sind 60 der 90 Stimmen nötig. | |
Rot-Rot-Grün hat zusammen 42 Stimmen, die CDU 21 und die FDP 5. | |
Nach dem Debakel um die Wahl Kemmerichs hat die Linke laut Umfragen in der | |
Wählergunst deutlich zugelegt, CDU und FDP sind dagegen deutlich abgesackt. | |
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach schrieb auf [4][Twitter], | |
Ramelow mache den Weg frei für einen „Befreiungsschlag“ in Thüringen. | |
„Jetzt sollte es nach einer Übergangszeit Neuwahlen geben, so dass klare | |
politische Verhältnisse entstehen. Die CDU darf nicht länger die | |
Regierungsbildung oder Neuwahlen blockieren.“ | |
Grünen-Chefin Annalena Baerbock schrieb auf Twitter: „Respekt. So geht | |
verantwortungsvolles Handeln im Sinne der Demokratie, liebe CDU.“ | |
18 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-politischem-Dammbruch-in-Thueringen/!5664864 | |
[2] /FDP-Ministerpraesident-in-Thueringen/!5662518 | |
[3] https://twitter.com/SusanneHennig/status/1229511096593199104 | |
[4] https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1229544726501773315 | |
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