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# taz.de -- Radeln in der Olympiastadt: Remco Rüttenauer fährt bei Rot
> Unser Olympia-Reporter leiht sich ein Rad aus und passt sich in
> Windeseile dem Verkehr in Paris an.
Bild: Spaß für 5 Euro: Mit dem 20-Kilo-Schleifer auf der olympischen Strecke
Endlich sitze ich auf dem Rad. Fünf Euro musste ich zahlen, um eines der
zahlreichen Räder besteigen zu dürfen, die man in Paris beinahe an jeder
Straßenecke ausleihen kann. Jetzt darf ich einen Tag lang durch die Stadt
radeln. Und wenn ich das Rad immer vor Ablauf einer halben Stunde an einer
der Stationen zurückgebe und es abmelde, kommen keine weiteren Kosten dazu.
Ob das jetzt billig ist oder eher teuer, weiß ich nicht. Das Rad ist
jedenfalls wesentlich günstiger als bei Uber oder anderen Plattformen, über
die man in [1][Paris E-Bikes am Straßenrand ausleihen kann]. Und es ist
gesünder. Wer das 5-Euro-Ticket löst, kriegt nur Räder, die es mit
Muskelkraft anzutreiben gilt.
Schon bei meiner ersten Fahrt gelingt es mir nicht, das Rad rechtzeitig vor
Ablauf der Halbstundenfrist zurückzugeben. Die Stationen in der Nähe der
olympischen Wettkampfstätten, die ich ansteuere, sind pickepackevoll. Hätte
man ahnen können. Habe ich aber nicht. Auf dem Display meines Leihrades
steht 32 Minuten, als ich es abgebe. Die Fahrt kostet mich also 1 Euro
extra.
Das ist es mir wert, auch wenn ich als Olympiajournalist während der Spiele
umsonst mit der U-Bahn fahren darf. Ich will ja schließlich endlich in
Erfahrung bringen, wie es sich anfühlt, das Radeln in Paris, jener von
Verkehrswendeaktivist:innen so sehr besungenen Stadt, in der immer
mehr Autospuren zu Radwegen umgewidmet werden.
## Die Kette schleift
Und es ist in der Tat ein irres Gefühl, an den Sehenswürdigkeiten, denen in
diesen Tagen so gehuldigt wird, als seien sie die wahren Stars der Spiele,
vorbeizuradeln. Am Tag vor dem Straßenrennen der Radprofis gerate ich sogar
einmal auf deren Strecke, für die gerade die Zäune aufgestellt werden.
Dass die Schaltung nicht richtig funktioniert, die Kette am Kettenkasten
schleift und es sowieso anstrengend ist, dieses mindestens zwanzig Kilo
schwere Gefährt zu bewegen, macht mir plötzlich nichts mehr aus. Für einen
kleinen feinen Moment bin ich Remco Rüttenauer.
Dann biege ich wieder in [2][den Pariser Alltagsverkehr] ein. Schnell merke
ich, dass man als Radler hier an roten Ampeln nicht stehen bleibt. Von den
anderen werde ich als Hindernis wahrgenommen. Bald ignoriere auch ich die
roten Ampeln und meckere auf gut Bairisch, wenn ich sehe, dass jemand bei
Rot angehalten hat. „Typisch Touris!“, denke ich und sage laut „Auf
geht’s!“ zu der jungen Frau vor mir. „Chill mal!“, ruft die in bestem
Neudeutsch zurück. Wusste ich es doch, eine Touristin.
Keiner der Tausenden Polizisten, die gerade in Paris patrouillieren, um den
Olympiagästen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, hat etwas gegen die
Anarchie, die im Pariser Radverkehr herrscht. Nur einmal, als ich die für
offizielle Olympiafahrzeuge reservierte Spur befahre, werde ich
zurückgepfiffen und weiche auf den Gehweg aus. Das scheint in Ordnung zu
sein. Mir soll es recht sein. Bei der nächsten Ampel biege ich links ab.
Bei Rot natürlich.
4 Aug 2024
## LINKS
[1] https://parisavelo.fr/
[2] https://www.youtube.com/watch?v=QvzM_eRKubQ
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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