| # taz.de -- Pariser Terrornacht 2015: Die Suche nach dem Sohn | |
| > Wie der taz-Olympiareporter Augenzeuge des islamistischen Terrors vor | |
| > neun Jahren wurde und warum ihn das lange Zeit nicht losgelassen hat. | |
| Bild: Verwirrung im Stade de France: Zuschauer im Innenraum in der Terrornacht … | |
| Plötzlich sind sie wieder da, die Bilder vom November 2015. [1][Als ich das | |
| Stade de France verlasse] und Richtung Vorortbahn gehe, bleibt mein Blick | |
| haften an einer kleinen Brüstung, kurz bevor es in den Bahnhof geht. Eine | |
| dreckige Ecke. Ich kenne sie. Dort hatte ich an jenem Tag, an dem Paris von | |
| den Massenmördern des sogenannten Islamischen Staats terrorisiert worden | |
| ist, Schutz gesucht. Kinder kauerten dort nach dem Länderspiel der | |
| französischen Nationalmannschaft gegen Deutschland am Boden. | |
| Ihr Betreuer stand mit ausgebreiteten Armen vor den Zwergen, als hätte er | |
| eiserne Flügel, mit denen er die Kinder beschützen könnte. Hinter der | |
| Gruppe hatte sich eine Gruppe von Polizisten in Stellung gebracht – Gewehre | |
| im Anschlag, merkwürdig alte Waffen, die aussahen wie Requisiten für einen | |
| Film über den Ersten Weltkrieg. Es ist eines der Bilder von jenem Tag, die | |
| sich eingebrannt haben in mein Gedächtnis. Wegen dieser Eindrücke war ich | |
| lange nicht in der Lage, ein Fußballstadion zu betreten. | |
| Als ich damals das Stadion, das drei Selbstmordattentäter in die Luft jagen | |
| wollten, verlassen habe, war das ganze Ausmaß des Verbrechens noch lange | |
| nicht bekannt. 130 Menschen wurden von den Terroristen an diesem Abend | |
| getötet. [2][90 davon im Musikclub Bataclan], keine 400 Meter weg von dem | |
| Hotel, in das ich mich eingebucht hatte. Mein Sohn, damals 19, lebte zu | |
| jener Zeit in Paris. Mit ihm, der sich eine Karte für das Spiel besorgt | |
| hatte, war ich nach Abpfiff vor dem Stadion verabredet. Falls wir uns | |
| verlieren sollten, hatten wir vereinbart, uns in der Nähe meines Hotels zu | |
| treffen. | |
| ## Keine Fehlzündung | |
| Plötzlich knallte es. Wahrscheinlich eine Fehlzündung bei einem Moped. Eine | |
| Panik brach aus. Ich fand mich plötzlich im Inneren des Stadions wieder, | |
| ohne dass ich hätte sagen können, wie ich da hingekommen war. Ich | |
| versuchte, meinen Sohn zu erreichen. Nichts. Ich wollte ihm sagen, dass er | |
| auf keinen Fall zu meinem Hotel kommen soll. Meldungen geisterten durchs | |
| Netz, nach denen genau da die Terroristen immer noch unterwegs seien und | |
| wahllos um sich schossen. Immer wieder versuchte ich, meinen Sohn zu | |
| erreichen. Keine Rückmeldung. | |
| Ich hatte mich auf den Weg in mein Hotel gemacht. Am Gare du Nord wurde ich | |
| durch ein Spalier Soldaten geführt. Vor dem Bahnhof angekommen, hörte ich | |
| nichts als Schreie und Sirenen. Als ich ankam, nahm mich der ältere Herr, | |
| der Nachtwache schob, in den Arm. Er war froh, dass sein Gast wieder da | |
| war. Gemeinsam schauten wir uns im Fernsehen an, was geschehen war. | |
| Immer noch konnte ich meinen Sohn nicht erreichen. Dann endlich der | |
| erlösende Anruf. Sein Akku war leer, sagte er, nachdem er vom Apparat der | |
| Familie angerufen hat, bei der er damals wohnte. Während ich dies schreibe, | |
| werden meine Augen feucht. Morgen muss ich wieder ins Stade de France. | |
| Leicht wird mir es nicht fallen. | |
| 6 Aug 2024 | |
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| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Bataclan | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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