# taz.de -- RT im Baltikum in der Kritik: Sendeschluss | |
> In Lettland geht die Medienbehörde gegen Russia Today vor. Dem | |
> Medienunternehmen wird unzulässige Propaganda in Wladimir Putins | |
> Interesse vorgeworfen. | |
Bild: Hat die Kontrolle über Russia Today: Dmitri Kiseljow (li.) steht für ru… | |
Lettland zieht bei dem russischen Auslandssender Russia Today (RT) den | |
Stecker. Betroffen sind neben den Diensten in englischer, arabischer und | |
spanischer Sprache auch der Dokumentationskanal sowie alle HD-Versionen der | |
Sender. | |
Die Sender würden abgeschaltet, da sie unter der Kontrolle von Dmitri | |
Kiseljow stünden. Dieser sei 2014 von der Europäischen Union (EU) mit | |
Sanktionen belegt worden, da er eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der | |
Kreml-Propaganda in Zusammenhang mit der [1][Annexion der Krim durch | |
Russland] sowie den militärischen Kampfhandlungen in der Ostukraine | |
gespielt habe, sagte der Chef der lettischen Medienaufsichtsbehörde NEPLP, | |
Ivars Abolins, zur Begründung. Zudem sei Lettland in den Programmen | |
fortwährend als gescheiterter Staat verunglimpft worden. | |
Bereits im vergangenen Jahr hatte die NEPLP zehn russische Sender, darunter | |
Rossija RTR, wegen systematischer Hassrede und kriegerischer Hetze gegen | |
die Ukraine kaltgestellt. In dem Zwei-Millionen-Einwohner-Staat Lettland, | |
der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 unabhängig wurde, stellen | |
die Russ*innen mit knapp 27 Prozent der Bevölkerung die größte Minderheit. | |
Besagter [2][Kiseljow ist das Enfant terrible des russischen Journalismus]. | |
Seit 2013 ist der 66-Jährige Generaldirektor der russischen internationalen | |
Informationsagentur Rossija segodnja (Russand heute). Zu diesem | |
Medienunternehmen, das der russische Staat zwischen 2018 und 2020 mit mehr | |
als 288 Millionen US-Dollar alimentierte, gehört auch RT. Die Mission der | |
Agentur sei die Wiederherstellung einer gerechten Beziehung zu Russland als | |
wichtigem Land für den Frieden, das gute Absichten habe, sagte Dmitri | |
Kiseljow bei seiner Berufung. | |
Für den 66-Jährigen bedurfte es jedoch nicht erst der völkerrechtswidrigen | |
Annexion der Krim, um seinen Hasstiraden gegen den Nachbarn Ukraine und die | |
EU freien Lauf zu lassen. Im Dezember, als in Kiew Tausende gegen die | |
Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit Brüssel demonstrierten, | |
ließ er seine Zuschauer*innen wissen, dass Schweden, Polen und Litauen die | |
Ukraine benutzten, um einen Krieg gegen Russland anzufachen. Nach der | |
Absetzung des damaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch infolge der | |
Massenproteste bezeichnete er die Ukraine als ein virtuelles Land, das | |
nicht mehr existiere. Anlässlich des 60. Geburtstages von Wladimir Putin | |
feierte Kiseljow den Dauerpräsidenten als jemanden, dessen Taten einzig und | |
allein mit denen Stalins verglichen werden könnten. Allerdings seien die | |
Methoden jetzt vollkommen andere. | |
## Unverdeckte Homophobie | |
Eins der bevorzugten Ziele für Kiseljows verbale Ausfälle ist auch die | |
LGBTQ-Community. 2012 gab er im Sender Rossija 1 zu Protokoll, man solle | |
die Herzen verstorbener Schwuler in der Erde verscharren oder verbrennen. | |
Das sei schließlich weltweite Praxis. In den meisten Ländern dürften | |
Homosexuelle ja auch kein Blut spenden. Zu Morden an Homosexuellen steuerte | |
er die Erkenntnis bei, diese würden bestimmte Situationen selbst | |
provozieren und sich dann noch als Opfer darstellen. Sie wollten der | |
Mehrheit der Bevölkerung die Werte einer Minderheit aufzwingen. Und dem | |
stelle sich die Gesellschaft eben entgegen. | |
Eine Reaktion Kiseljows auf den NEPLP-Bann, dessen Klage auf Aufhebung der | |
EU-Sanktionen gegen ihn der Europäische Gerichtshof 2015 abschlägig | |
beschieden hatte, ließ nicht lange auf sich warten. Das sei ein Beleg für | |
die Dummheit, Inkompetenz und Russophobie derer in Lettland, die solche | |
Entscheidungen treffen. Die Letten müssten sich bei RT entschuldigen und | |
den Sendebetrieb wieder erlauben, sagte er dem Radisender Govorit Moskwa. | |
In eine ähnliche Richtung ging auch eine Stellungnahme der Internationalen | |
Journalisten-Föderation (IFJ). Das Verbot von RT durch NEPLP verletze die | |
Pressefreiheit und das Recht der Bürger*innen auf Medienpluralismus. Das | |
sei ein klarer Akt von Zensur. „Wir fordern daher, die Entscheidung des | |
NEPLP unverzüglich aufzuheben“, sagte IFJ-Generalsekretär Anthony | |
Bellanger. | |
Unterdessen erwägt Lettlands Nachbar Litauen ebenfalls, RT den Saft | |
abzudrehen. Dafür bedürfe es aber zunächst einer Stellungnahme des | |
Außenministeriums, heißt es in einer Erklärung der litauischen | |
Medienaufsichtsbehörde LRTK von vergangener Woche. | |
5 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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