Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Querdenker“ bei Weimar: Sommercamp mit alternativen Fakten
> In einer Veranstaltung mobilisieren „Querdenker“ für andere Schulformen.
> Überschneidungen gibt es mit Rechtsextremen.
Bild: Querdenken-Demo im Jahr 2021 – in der Pandemie gab es viel Zulauf für …
Hamburg taz | Konfliktlösende Meditation und schamanisches Tanzritual,
Kinderyoga und Jonglierkurs. Das breite Programm des „Sommercamps auf der
Burg“ verspricht für die ganze Familie eine alternative Selbsterfahrung.
Inputs zu Rohkost und Freitausch sowie „Liebe schafft Leben“ stehen ebenso
vom 23. bis 25. Juni im Programm.
Das zentrale Angebot des Camps am Hotel Pfiffelburg nahe Weimar richtet
sich allerdings an Suchende nach Bildungsformaten jenseits staatlicher
Schulen. Das klingt zunächst harmlos, relevant ist allerdings, wer hinter
den Angeboten steckt.
So spricht [1][Ricardo Leppe gleich] zweimal auf der Hauptbühne zur „Schule
der Zukunft“. Schon vor der Pandemie fand der Gedächtniskünstler und
Zauberer Leppe mit seinem Bildungsangebot größeres Interesse.
Die Sorge um die eigenen Kinder an Schulen, die wegen staatlicher
Pandemiemaßnahmen vom verpflichtenden Maskentragen und Tests zu Impfungen
reichte, [2][führte zu starkem Zulauf.] Leppes Youtubekanal „Wissen Schafft
Freiheit“ hat 46.100 Abonnent*innen. Der vermeintlich alternative Aufklärer
aus Österreich betonte unlängst: „Glaubt’s nicht, was die euch da draußen
sagen, ich hab’ noch kein einziges Thema gefunden, wo sie uns nicht
belügen.“
## Gängige Unterrichtsinhalte seien nicht notwendig
Dem Motto folgend muss der staatliche Bildungsauftrag unterlaufen werden,
eigene Schulen mit eigenem Lernprogramm entwickelt und aufgebaut werden. In
Vorträgen hebt Leppe denn auch hervor, in der „Schule der Zukunft“ würden
ein bis zwei Stunden Unterricht genügen. Gängige Unterrichtsinhalte seien
nicht notwendig, aber es würde mehr Wissen über Natur- und Pflanzenwelt
angeboten.
Die Kinder sollten zudem auch voneinander lernen. Nicht alles davon ist
Humbug, aber im Gesamtpaket deutet dieser Ansatz auf eine
wissenschaftsfeindliche Grundhaltung hin. Zudem wird im Programm des
bevorstehenden Sommercamps auch ein biologistischer Ansatz – sexistisch und
transfeindlich – deutlich: „Wahre Männer braucht die Welt!“
Leppes Formulierungen für das eigene Konzept bewegen sich im Vagen. Bekannt
ist inzwischen, dass er dem [3][russischen Anastasia-Kult] nahesteht. Eine
sehr wohlwollende Rezeption der Anastasia-nahen „Schetinin-Schule“
schimmert durch. Diese vertritt eine autoritäre Pädagogik mit klarem
bipolaren Geschlechtsbild und völkischen Elementen. Unterrichtsfächer wie
Geschichte werden dort als „erfundene Wissenschaften“ dargestellt.
## Mobilisierung läuft eher still ab
Im deutschsprachigen Raum taucht das Konzept auch als [4][LAIS-Schule,
ISKA, KiEP oder School of Bliss] auf. Im Juni erklärte das Bundesamt für
Verfassungsschutz, die Anastasia-Bewegung als rechtsextremen
[5][„Verdachtsfall“ zu beobachten]. „Die Ideologie der Anastasia-Bewegung
ist dazu geeignet, auch Personen zu radikalisieren, die zuvor nicht in
extremistischen Zusammenschlüssen aktiv waren“, sagte
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang der taz.
Mit dem Verein „Wissen schafft Freiheit“ fördern Ricardo Leppe und sein
Bruder Elias Leppe die Gründung eigener Schulen. In Baden-Württemberg hat
der Verein, mit Sitz in Gloggnitz, die meisten Gruppen. Auf der Webseite
erklärt der Verein gleich: „Die Gruppen sind nicht öffentlich.“ Auf dem
Programm in Pffiffelbach steht: „Rechtliches zur Schulgründung“.
Obgleich bis zu 700 Teilnehmende mit Familien erwartet werden, geht die
Mobilisierung eher still vonstatten. Vielleicht liegt das am Standort. „Das
Hotel ‚Pfiffelburg‘ hat sich als Treffpunkt extrem rechter Strukturen, wie
etwa der Thüringer AfD, aber auch von Reichsbürgern etabliert“, warnt
Katharina König-Preuss, Linken-Landtagsabgeordnete. „Die Pfiffelburg
bedient ein spezielles Spektrum von Personen und Organisationen, die in
vielen anderen Hotels und Kongresszentren aufgrund ihrer gefährlichen
Ideologie als Mieter abgelehnt werden. In der Pfiffelburg hingegen gibt es
keine Hemmnisse, sie werden gar willkommen geheißen“, so König-Preuss.
Die Gesundheit solle Freiheit verschaffen, dazu trägt Elias Leppe vor. Auch
über Erfahrungen mit der „Germanischen Heilkunde“ soll berichtet werden.
Die Heilkunde, die auch als „Germanische Neue Medizin“ bezeichnet wird,
bewirbt Ricardo Leppe auf der Webseite. Gründer Dr. med. Ryke Geerd Hamer,
dem schon 1986 die Approbation entzogen wurde, [6][behauptete, dass
Erkrankte nur ihren „inneren Konflikt lösen“] müssten, um die jeweilige
Krankheit zu überwinden – so kämen sie ohne medizinische Behandlung aus.
Der 2017 verstorbene Hamer faselte zudem vom Einfluss „jüdischer Logen“,
die eine „[7][beispiellose Erkenntnisunterdrückungskampagne]“ durchführten
und dass die „dumme alte Schulmedizin“ eigentlich „eine jüdische Medizin…
sei.
22 Jun 2023
## LINKS
[1] /Querdenker-wollen-selbst-lehren/!5777380
[2] /Freie-Schule-in-Hamburg-beantragt/!5773020
[3] /Voelkische-Anastasia-Bewegung/!5939445
[4] /Verletzungen-der-Schulpflicht/!5807476
[5] /Voelkische-Anastasia-Bewegung/!5939445
[6] /Querdenker-wollen-selbst-lehren/!5777380
[7] /Querdenker-planen-Demo-in-Hannover/!5930491
## AUTOREN
Andreas Speit
Andrea Röpke
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Coronaleugner
"Querdenken"-Bewegung
Reichsbürger
GNS
Verschwörungsmythen und Corona
Pflegenotstand
Schwerpunkt Coronavirus
Kolumne Der rechte Rand
## ARTIKEL ZUM THEMA
Madlen Schenk rappt über Pflegenotstand: Wütend auf die Impfpflicht
Die Krankenpflegerin Madlen Schenk will Sprachrohr für Pflegekräfte sein.
Allerdings rappt sie auch von "Impfzwang" und "Maskenscheiß".
Prozess gegen Coronaleugner Bhakdi: Im Zweifel für den Schwurbler
„Querdenken“-Ikone Sucharit Bhakdi war wegen Volksverhetzung angeklagt.
Davon hat ihn das Gericht am Dienstag freigesprochen.
„Querdenker“ planen Demo in Hannover: Immer noch überall Verschwörung
Am Samstag wollen „Querdenker*innen“ in Hannover demonstrieren. Was ist ihr
Thema nach dem Ende der Corona-Maßnahmen?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.