| # taz.de -- Publizieren um jeden Preis: Abzocke mit Fake-Zeitschriften | |
| > Tausende Wissenschaftler publizieren in scheinwissenschaftlichen | |
| > Zeitschriften. Oftmals zahlten sie den Verlagen noch hohe Beträge dafür. | |
| Bild: Wissenschaftler demonstrieren gegen „Alternative Fakten“ | |
| Seoul taz | Das Phänomen „Fake-News“ hat in den letzten Jahren eindrückli… | |
| unter Beweis gestellt, wie unseriöse bis bewusst wahrheitswidrige | |
| Medienberichte die Glaubwürdigkeit einer gesamten Branche erschüttern | |
| können. Einen ähnlich tiefgreifenden Vertrauensbruch dürfte nun dem | |
| Wissenschaftsbetrieb bevorstehen. | |
| Denn mehr als fünftausend deutsche Wissenschaftler haben nachweislich in | |
| scheinwissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht, die systematisch | |
| fundamentale Mechanismen gängiger Qualitätssicherung missachten. Dies haben | |
| Recherchen eines internationalen Journalistenprojekts ans Tageslicht | |
| gebracht, das hierzulande durch den NDR, WDR und dem Magazin der | |
| Süddeutschen Zeitung vertreten wird. Besonders pikant: Ein Großteil der | |
| pseudowissenschaftlichen Studien seien durch öffentliche Gelder finanziert | |
| worden, heißt es. | |
| Das Phänomen scheinwissenschaftlicher Verlage ist jedoch längst nicht neu, | |
| bereits vor Jahren haben deutsche Hochschulen selbst alarmierend vor deren | |
| Misspraktiken gewarnt. Die nun offengelegten Recherchen verdeutlichen | |
| jedoch das bisher ungeahnte Ausmaß der Fake-Verlage: Weltweit sind laut der | |
| Investigativrecherche 400.000 Wissenschaftler darin verbandelt. Die Anzahl | |
| solcher Publikationen bei fünf der wichtigsten Verlage hat sich den | |
| Recherchen zufolge seit 2013 weltweit verdreifacht, in Deutschland gar | |
| verfünffacht. | |
| Die Journale werden zumeist von Unternehmen in Afrika, Südasien, der | |
| Golfregion oder der Türkei geführt. Sie sind vor allem eine | |
| Folgeerscheinung des massiv gestiegenen Publikationsdrucks unter | |
| Professoren und dem akademischen Mittelbau. Oftmals entscheidet schließlich | |
| die Anzahl veröffentlichter Arbeiten über Stellenvergaben und | |
| Beförderungen. | |
| ## „Derartige Machenschaften stoppen“ | |
| Gezielt würden die unseriösen Anbieter Wissenschaftler mit Lock-E-Mails | |
| anschreiben. Darin behaupten sie, Forschungsergebnisse wie international | |
| üblich vor Veröffentlichung anderen renommierten Wissenschaftlern zur | |
| Prüfung vorzulegen. Den Recherchen zufolge geschieht dies jedoch de facto | |
| nicht. Eingereichte Studien werden ohne Gegenkontrolle innerhalb weniger | |
| Tage publiziert. Diese würden oftmals nicht wissenschaftlichen Standards | |
| entsprechen, weisen jedoch scheinbar ein wissenschaftliches Gütesiegel vor. | |
| Ob die betroffenen Wissenschaftler dabei unwissende Betrugsopfer oder | |
| nutznießerische Täter sind, lässt sich nicht verallgemeinern. Manche | |
| Forscher zumindest hätten die Dienste der dubiosen Verlage gezielt | |
| aufgesucht, um ihre Studien zeitnah zu veröffentlichen, ohne sich der | |
| Kritik unter Fachkollegen zu stellen. Dabei zahlten sie teils hohe Summen | |
| an die Journale. | |
| Die Reaktionen deutscher Wissenschaftsinstitute fielen dementsprechend | |
| desaströs aus: So nannte die Helmholtz-Gemeinschaft die | |
| scheinwissenschaftlichen Verleger „eine äußerst negative und problematische | |
| Erscheinung des wissenschaftlichen Publikations- und Kommunikationssystems, | |
| gegen die mit allen rechtlichen Möglichkeiten konsequent vorgegangen werden | |
| muss“. Solche Verlage gefährdeten „nicht nur den Ruf einzelner | |
| Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“, sondern auch „das Vertrauen in | |
| die Wissenschaft selbst“. | |
| Die Fraunhofer-Gesellschaft sagte in einer Stellungnahme: „Die Schaffung | |
| eines Bewusstseins für derartige unlautere Praktiken und ihre Konsequenzen | |
| ist ein wichtiger Schritt, um derartige Machenschaften zu stoppen.“ | |
| Wie fragil es um die Qualitätskontrolle des wissenschaftlichen Betriebs | |
| steht, lässt sich ausgerechnet im bildungshungrigen Südkorea beobachten: | |
| Die koreanische Staatsanwaltschaft [1][ermittelte bereits Ende 2015 gegen | |
| mehr als 200 Professoren an insgesamt 50 Universitäten], bereits | |
| publizierte Bücher anderer Autoren unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht | |
| zu haben. Besonders dreist: Die Angeklagten hätten lediglich die | |
| Umschlagtitel ausgewechselt. Dabei soll es sich um eine „seit den 80er | |
| Jahren gängige Praxis“ handeln, und zwar unter der Ägide der | |
| Wissenschaftsverlage, die verstaubte Publikationen als neu angepriesen und | |
| die Originalautoren mit Tantiemen ruhiggestellt haben. | |
| 19 Jul 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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