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# taz.de -- Prozess zum „Tiergartenmord“: Welcher Vadim war es?
> Zum Auftakt des Berliner „Tiergartenmord“-Prozesses schweigt der
> Angeklagte. Die Bundesanwaltschaft sieht russische Staatsstellen hinter
> der Tat.
Bild: Der Saal des Kriminalgerichts Moabit: Wer steckt hinter dem Mord im Berli…
Berlin taz | Unter starken Sicherheitsvorkehrungen begann am Mittwoch vor
dem Berliner Kammergericht ein diplomatisch höchst brisanter Mordprozess.
Angeklagt ist ein russischer Staatsbürger, der in einem Park der deutschen
Hauptstadt [1][einen georgischen Staatsangehörigen erschossen haben soll].
Was den Fall zu einem Politikum macht: Die Anklage geht davon aus, dass
staatliche russische Stellen hinter der Tat stehen.
Es ist ein komplizierter Fall. Schon wer sich eigentlich da vor dem für
Staatschutzsachen zuständigen 2. Strafsenat zu verantworten hat, ist
umstritten. Die Bundesanwaltschaft ist überzeugt davon, Vadim
Nikolajewitsch Krasikov angeklagt zu haben, geboren am 10. August 1965 in
der Region Chimketskiy in Kasachstan. Der Angeklagte bestreitet das. „Ich
heiße Vadim Andreevich Sokolov“, gibt er in einer kurzen, von seiner
Verteidigung verlesenen Erklärung zu Protokoll. Geboren worden sei er am
20. August 1970 im sibirischen Irkutsk.
Es könne sein, „dass ich mal den einen, mal den anderen Namen gebrauche“,
sagt der Vorsitzende Richter Olaf Arnoldi. „Das zeigt, dass ich nicht
festgelegt bin.“
Unstrittig ist immerhin, was am 23. August 2019 in der Parkanlage Kleiner
Tiergarten in Berlin-Moabit passiert ist: Um kurz vor 12 Uhr näherte sich
ein Mann auf einem Fahrrad von hinten dem Asylbewerber Selimchan
Changoschwili, einem Georgier tschetschenischer Abstammung. Als er ihn
erreicht hatte, schoss der Mann mit einer schallgedämpften 9-mm-Pistole des
Typs „Glock 26“ seitlich in den Oberkörper Changoschwilis.
## „Verwendung“ als Auftragskiller?
Doch der erste Schuss verletzt ihn nur. Der Täter schoss noch zweimal,
jetzt in den Kopf seines auf dem Boden liegenden Opfers. In der von
Bundesanwalt Ronald Georg verlesenen Anklageschrift heißt es dazu, die
beiden Kopfschüsse hätten „zur Zerstörung zentraler vitaler Strukturen und
dadurch zu einem sofortigen Regulationsversagen“ geführt – eine schrecklich
bürokratische Beschreibung für das Sterben eines Menschen.
Kurz nach der Tat wurde Krasikov alias Sokolov festgenommen. Die Polizei
war von zwei Jugendlichen alarmiert worden, die beobachtet hatten, wie er
sich in einem Gebüsch unweit des Tatortes umgezogen und anschließend ein
Fahrrad, eine Perücke, Kleidung und einen Beutel in die Spree geworfen
hatte. In dem Beutel befand sich die Tatwaffe.
Welche Identität der Angeklagte besitzt, ist für die Frage, ob er den ihm
zur Last gelegten Mord begangen hat, ohne Belang. Für die Suche nach dem
Motiv und möglichen Hintermännern ist sie jedoch von zentraler Bedeutung.
Denn anders als der vermeintlich unbescholtene Bauingenieur Sokolov ist
Krasikov einschlägig aktenkundig: [2][Die russischen Behörden] suchten per
internationalem Haftbefehl nach ihm wegen eines 2013 begangenen Mordes, der
dem in Berlin verübten stark ähnelt.
Doch 2015 löschten sie ohne Begründung die Fahndungsmitteilung –
möglicherweise, weil für ihn eine Verwendung gefunden wurde. Davon geht
jedenfalls die Bundesanwaltschaft aus.
## Keine Regung
Das Berliner Kammergericht grenzt an den Kleinen Tiergarten, ist also nur
wenige hundert Meter vom Tatort entfernt. Bei der Tat habe es sich „nach
unseren Erkenntnissen um einen Auftragsmord staatlicher russischer Stellen“
gehandelt, sagte Bundesanwalt Georg.
Der Angeklagte habe den Tötungsauftrag ausgeführt, „entweder, um eine in
ihrer Höhe nicht bekannte finanzielle Entlohnung zu erhalten“, oder weil er
das Motiv seiner Auftraggeber geteilt habe, mit Changoschwili „einen
politischen Gegner zu liquidieren, um Vergeltung für seine Rolle im zweiten
Tschetschenienkrieg und dessen Beteiligung an weiteren bewaffneten
Auseinandersetzungen mit der Russischen Föderation zu üben“.
Die Anklageverlesung im Hochsicherheitssaal 700 verfolgte Krasikov alias
Sokolov ohne sichtbare Regung. Zu den Vorwürfen schwieg er. Sein Mandant
werde sich derzeit „nicht zur Sache einlassen“, sagte Robert Unger, einer
der drei Verteidiger. Der Prozess ist erst einmal auf 25 Verhandlungstage
angesetzt.
7 Oct 2020
## LINKS
[1] /Politischer-Mord-in-Berlin-Tiergarten/!5716096
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## AUTOREN
Pascal Beucker
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