# taz.de -- Prozess um Reker-Attentat: „Wie eine Hinrichtung“ | |
> Vor Gericht schildert die Kölner Oberbürgermeisterin den Angriff bis ins | |
> Detail. Noch immer spüre sie deutlich die Folgen. | |
Bild: Henriette Reker im Düsseldorfer Oberlandesgericht | |
DÜSSELDORF taz | Sie saß nur wenige Meter von ihrem Attentäter entfernt, | |
würdigte ihn aber keines Blickes. Ruhig und mit teils beklemmender | |
Präzision schilderte Henriette Reker am Freitag, wie Frank S. sie am Tag | |
vor ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin im Oktober 2015 niedergestochen | |
hatte. Die Konfrontation sei für sie kein Problem, hatte Kölns Stadtchefin | |
noch vor der Verhandlung im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts | |
Düsseldorf versichert. | |
Reker war als erste Zeugin im Verfahren gegen den 44-jährigen Frank S., | |
geladen. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass dieser am 17. Oktober | |
2015 aus „heimtückischen und niedrigen Beweggründen“ die Politikerin töt… | |
wollte, um ihre Wahl zur Oberbürgermeisterin zu verhindern. Außerdem | |
verletzte er vier weitere Menschen schwer. S. droht lebenslange Haft. | |
Rekers Schilderungen deckten sich im Wesentlichen mit bereits bekannten | |
Fakten zum Tathergang. Demnach hatte sich Frank S. der Politikerin am | |
Vormittag in Köln an einem Wahlstand genähert, als sie Rosen an Passanten | |
verteilte, und ihr ein Bowiemesser in den Hals gerammt. Der Stich | |
durchtrennte ihre Luftröhre, spaltete einen Halswirbel. Reker wurde | |
lebensgefährlich verletzt, musste notoperiert werden und lag mehrere Tage | |
im künstlichen Koma. Noch sind die Folgen der Attacke spürbar: „Ich habe | |
das Gefühl, immer eine Tablette im Hals zu haben.“ | |
Auch leide sie seither unter Albträumen, sagte die 59-Jährige. Das Attentat | |
sei ihr „wie eine Hinrichtung“ vorgekommen, daher träume sie manchmal, | |
„dass mir die Kapuze über den Kopf gezogen wird“. | |
## Flüchtlingsversorgung selbstverständlich | |
Die Kölner Oberbürgermeisterin betonte zugleich, dass sie „großes Glück“ | |
gehabt habe, da weder Schlagader noch Rückenmark getroffen wurden und sie | |
auch keine Angst vor Menschenmengen entwickelt habe. Die vorsitzende | |
Richterin des OLG Düsseldorf, Barbara Havliza, fragte auch nach Rekers | |
politischer Haltung. | |
Bis zu ihrer Wahl war die parteilose Politikerin als Sozialdezernentin für | |
die Unterbringung der Flüchtlinge in Köln zuständig. Diese in der besten | |
Form zu versorgen, sei für sie „eine Selbstverständlichkeit“, und: „Ich | |
habe immer klargemacht, welche Chancen die Flüchtlinge für unsere | |
Gesellschaft sind.“ Für diese Haltung sei sie zwar auf öffentlichen | |
Veranstaltungen manchmal beschimpft, aber niemals bedroht worden. | |
Frank S. – Stirnglatze, Kinnbärtchen – nahm die Schilderungen Rekers | |
regungslos zur Kenntnis. Für die Fotografen posierte er zu | |
Verhandlungsbeginn neben seinen Anwälten, ohne das Gesicht hinter | |
Aktendeckeln zu verstecken. Vergangene Woche hatte er ein umfassendes | |
Geständnis abgelegt. Er habe mit der Attacke „ein Zeichen“ setzen wollen | |
gegen die seiner Meinung nach verfehlte Ausländerpolitik. Allerdings habe | |
er die Politikerin nicht töten, nur verletzen wollen, daher auch nicht | |
weiter auf sie eingestochen. | |
Zum Auftakt des Prozesses hatte der Angeklagte Verbindungen zur | |
Neonazi-Szene und zur 1995 verbotenen rechtsextremen Freiheitlichen | |
Deutschen Arbeiterpartei (FAP) eingeräumt, außerdem sei er bundesweit auf | |
Nazi-Aufmärschen gewesen. Er selbst bezeichnete sich aber nicht als Nazi, | |
sondern als „wertkonservativen Rebell“. | |
Verteidiger Christof Miseré sah von Fragen an die Oberbürgermeisterin ab. | |
Nach der Vernehmung aber brachte er die Bitte seines Mandanten vor, „einige | |
entschuldigende Worte“ an Reker zur richten. Die Oberbürgermeisterin wies | |
ihn ab: „Das ist noch nicht die richtige Situation.“ In der vergangenen | |
Verhandlung hatte Frank S. die Politikern als „weltfremde | |
Schickeria-Ideologin“ beschimpft. | |
29 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Claudia Hennen | |
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