# taz.de -- Produktionsstopp wegen 737-Max-Debakel: Boeing am Boden | |
> Der US-Flugzeugbauer Boeing stoppt vorübergehend die Fertigung des | |
> Krisenjets 737 Max. Zuvor hatte es Spannungen mit der US-Aufsicht FAA | |
> gegeben. | |
Bild: Krise im Werk Renton: Boeing setzt die Produktion des Krisenjets 737 Max … | |
CHICAGO dpa | Die Ungewissheit um die Zukunft des Unglücksfliegers 737 Max | |
so groß, dass der US-Flugzeugbauer Boeing die Produktion ab Januar | |
vorübergehend stoppt. Der Airbus-Konkurrent entscheidet sich für eine | |
drastische Maßnahme, die die gesamte US-Wirtschaft erheblich belasten | |
dürfte. An dem Großkonzern hängen zahlreiche Zulieferer, Airlines und | |
andere Firmen, die der Fertigungsstopp in Mitleidenschaft zieht. | |
Überraschend kam die am Montag nach US-Börsenschluss von Boeing | |
bekanntgegebene Entscheidung nicht. Vorstandschef Dennis Muilenburg hatte | |
seit Juli wiederholt gewarnt, dass die 737-Produktion weiter gedrosselt | |
oder ganz ausgesetzt werden könnte, falls sich die Wiederzulassung der | |
Modellreihe länger als erwartet hinzieht. Die 737 Max ist wegen zwei | |
Abstürzen, [1][bei denen Hunderte Menschen starben,] seit Mitte März rund | |
um den Globus mit Startverboten belegt. | |
Mit dem nun angekündigten Schritt wählt Boeing eine radikale Option, die | |
nur unter massivem Druck zustande gekommen sein kann. Wann die | |
737-Produktion wieder anlaufen könnte, dazu gab der Hersteller zunächst | |
keinerlei Hinweise. „Wir werden weitere Finanzinformationen hinsichtlich | |
der Fertigungsaussetzung in Verbindung mit unserem Quartalsbericht Ende | |
Januar veröffentlichen“, hieß es lediglich. Die Ungewissheit ist also hoch | |
– doch Boeing hatte wohl nur noch eine Wahl. | |
Denn in den letzten Tagen wurde immer deutlicher, [2][wie angespannt das | |
Verhältnis zwischen dem Flugzeugbauer und der US-Luftfahrtaufsicht FAA | |
ist]. Der Geduldsfaden der Regulierer scheint arg strapaziert, vergangene | |
Woche wies FAA-Chef Steve Dickson Boeing sogar öffentlich zurecht. Er | |
äußerte nicht nur Bedenken, dass der Konzern bei der 737 Max einen | |
„unrealistischen“ Zeitplan verfolge, sondern verbat sich auch weitere | |
Statements von Boeing, die dazu angetan seien, den Druck auf seine Behörde | |
beim Wiederzulassungsverfahren zu erhöhen. | |
## Boeing-Aktien unter Druck | |
Im November noch hatte Boeing Zuversicht verbreitet, vor dem Jahreswechsel | |
grünes Licht von der FAA zu bekommen, um zumindest wieder mit den | |
Auslieferungen der 737 Max beginnen zu können. Nachdem Dickson dem eine | |
klare Absage erteilte, stieg an der Börse bereits die Nervosität. Seit | |
Tagen stehen Boeings Aktien unter Druck, auch eine stabile Dividende konnte | |
Anleger nicht versöhnen. Die 737 Max – Boeings Bestseller und Profittreiber | |
– ist momentan viel wichtiger. | |
Die Abstürze des Modells in Indonesien und Äthiopien, bei denen im Oktober | |
2018 und März 2019 insgesamt 346 Menschen ums Leben kamen, haben den | |
Flugzeugbauer in eine tiefe Krise gebracht. Boeing steht im Verdacht, die | |
Unglücksflieger überstürzt auf den Markt gebracht und dabei die Sicherheit | |
vernachlässigt zu haben. Der Hersteller weist dies zwar zurück, hat aber | |
verschiedene Fehler und Pannen eingeräumt. | |
## Überschuss von 400 Flugzeugen | |
Im Zentrum der Krise steht das für die 737 Max entwickelte | |
Steuerungsprogramm MCAS, das laut Untersuchungsberichten eine entscheidende | |
Rolle bei den Abstürzen gespielt hat. Boeing hatte bereits nach dem Unglück | |
in Indonesien versprochen, die MCAS-Probleme per Software-Update zu | |
beheben. Wenig später kam es zum Absturz in Äthiopien. Das Update hat noch | |
immer keine Zulassung der FAA, stattdessen standen die Zeichen zuletzt auf | |
Knatsch mit der Behörde. | |
Der Druck auf Boeing wurde zuletzt auch finanziell und logistisch immer | |
größer. Zwar war die 737-Produktion bereits im April von 52 auf 42 | |
Maschinen pro Monat gesenkt worden. Doch da Boeing die Maschinen bis zu | |
einer Wiederzulassung nicht ausliefern darf, entstehen hohe Kosten, denen | |
keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstehen. Laut Boeing müssen derzeit | |
rund 400 Flugzeuge zwischengelagert werden. Das führt zu Platzmangel – ein | |
sichtbares Symbol der Krise: Sogar Mitarbeiterparkplätze sind schon länger | |
voll mit 737-Max-Fliegern. | |
## Gesamte Luftfahrtindustrie ächzt | |
Doch das Debakel ist nicht nur für den Hersteller eine große Belastung, die | |
bereits immense Kosten und Imageschäden sowie Ermittlungen von | |
Aufsichtsbehörden und hohe Klagerisiken verursacht hat. Da es um Boeings | |
bestverkauftes Modell geht, für das es Tausende Bestellungen gibt, ächzt | |
die gesamte Luftfahrtindustrie unter den Problemen. US-Airlines mussten | |
wegen des Ausfalls bereits zahlreiche Flüge streichen, auch europäische | |
Kunden wie Tui sind betroffen. | |
Für die US-Wirtschaft insgesamt ist Boeings Krise eine erhebliche | |
Belastung. Die Probleme der 737 Max haben das Wachstum bereits spürbar | |
gedämpft und könnten die Konjunktur noch stärker bremsen, warnen Experten. | |
Von Boeing hängen zahlreiche andere Firmen ab, die die Schwäche des | |
Flugzeugbauers zu spüren bekommen. Vor allem die Außenhandelsbilanz der USA | |
leidet stark unter dem Auslieferungsstopp der 737 Max. Die Produktionspause | |
dürfte die Lage weiter verschärfen. | |
Boeing betonte jedoch in seiner Mitteilung, dass zunächst keine Mitarbeiter | |
aufgrund der Produktionspause entlassen oder beurlaubt würden. Vor allem | |
für die rund 12 000 Beschäftigten des 737-Hauptwerks in Renton bei Seattle | |
bleibt damit – zumindest vorerst – ein Horrorszenario aus. Die Fertigung | |
auszusetzen, sei angesichts der kritischen Gesamtsituation auch für das | |
große Zulieferernetz derzeit noch die vergleichsweise schonendste Lösung, | |
so Boeing. | |
17 Dec 2019 | |
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