| # taz.de -- Präsidentschaftswahl in Haiti: Sweet Micky gewinnt | |
| > Der Karnevalssänger Michel Martelly hat nach vorläufigem Wahlergebnis mit | |
| > 67 Prozent die Wahl zum Präsidenten gewonnen. Zu verdanken hat er das vor | |
| > allem seinen jugendlichen Fans. | |
| Bild: Die acht war Martellys Nummer auf den Wahllisten: Anhänger in Port-au-Pr… | |
| PORT-AU-PRINCE/BERLIN afp/taz | Der vor allem bei der Jugend populäre | |
| Sänger Michel Martelly, auch bekannt als "Sweet Micky", hat die | |
| Präsidentschaftswahl in Haiti gewonnen. Laut dem am Montag von der | |
| Wahlkommission in Port-au-Prince veröffentlichten vorläufigen Ergebnis kam | |
| der 50-Jährige auf 67,6 Prozent der Stimmen. Als neuer Präsident steht er | |
| vor der schwierigen Aufgabe, das nach dem Erdbeben vor mehr als einem Jahr | |
| noch immer schwer verwüstete Land wieder aufzubauen. | |
| Gegen den populären Sänger hatte in der Stichwahl am 20. März die ehemalige | |
| First Lady Mirlande Manigat kandidiert. Für sie votierten dem vorläufigen | |
| Ergebnis zufolge 31,7 Prozent der Wähler. | |
| Ob die Wahl von "Sweet Micky" die politische Instabilität der letzten Jahre | |
| beendet, darf bezweifelt werden. Der Karnevalssänger, der sich gern mit | |
| bizarren Kostümen schmückt und bei Konzerten die offizielle Politik mit | |
| bösem Spott überschüttete, hat keine politische Erfahrung. Und die Probleme | |
| im Armenhaus Lateinamerikas sind groß. Seit dem schweren Erdbeben im Januar | |
| 2010 sind die Aufräum- und Aufbauarbeiten noch nicht in Gang gekommen. Fast | |
| eine Million Menschen leben nach wie vor in provisorischen Lagern ohne | |
| Aussicht auf Ersatzwohnungen. Durch eine Cholera-Epidemie sind bisher fast | |
| 5.000 Infizierte gestorben. | |
| Für den Wahlkampf tauschte der Politik-Neuling seine Bühnen-Kostüme gegen | |
| maßgeschneiderte Anzüge ein und versprach, der Korruption und dem Versagen | |
| der Behörden den Kampf anzusagen. Außerdem will der 50-Jährige die | |
| Abhängigkeit des ärmsten Staates des amerikanischen Kontinents von | |
| ausländischen Hilfsorganisationen verringern. | |
| Derzeit kann Haiti ohne Hilfe von außen de facto nicht existieren. Noch | |
| immer sind überall die Spuren des verheerenden Erdbebens vom Januar 2010 zu | |
| sehen, bei dem mehr als 225.000 Menschen getötet wurden. Hunderttausende | |
| Menschen leben noch immer in provisorischen Zeltstädten. | |
| ## Bildung und Tourismus | |
| Martelly, der als Chef der Partei Repons Peyizan (Bürgerreaktion) | |
| kandidierte, will angesichts von über 60 Prozent Analphabeten die | |
| staatliche Bildung verbessern und mit ausländischen Investitionen im | |
| Tourismussektor die Wirtschaft ankurbeln. Achtzig Prozent der Bevölkerung | |
| leben mit durchschnittlich weniger als einem Euro pro Tag unter der | |
| Armutsgrenze. Martelly hat einen Neuanfang versprochen, weil er noch nicht | |
| politisch aktiv gewesen sei und deshalb "saubere Hände" habe. Das nahm ihm | |
| die Mehrheit der 4,7 Millionen Stimmberechtigten ab. | |
| Aber Zweifel an seiner Redlichkeit bleiben bestehen. Fragen nach seiner | |
| Freundschaft zu Mitgliedern haitianischer Todesschwadronen, die über | |
| Jahrzehnte die Bevölkerung terrorisiert haben, und zum Diktator Jean-Claude | |
| Duvalier hat er bisher immer mit Schweigen beantwortet. Im ersten Wahlgang, | |
| als Prévals Partei versuchte, die Wahlen zu manipulieren, schickte Martelly | |
| seine Anhänger auf die Straße. Schwere Unruhen waren die Folge. | |
| ## "Hoher Grad an Betrug" | |
| Ursprünglich hatte das vorläufige Wahlergebnis bereits am vergangenen | |
| Donnerstag verkündet werden sollen. Die Wahlkommission verschob dies aber, | |
| weil ihren Angaben zufolge bei der Auswertung der Stimmen ein "hoher Grad | |
| an Betrug und Unregelmäßigkeiten diverser Art" festgestellt worden sei. | |
| Fälschungen und Betrug hatte es auch schon im ersten Wahldurchgang gegeben. | |
| Dabei landete ursprünglich nach den vorläufigen Ergebnissen Manigat auf dem | |
| ersten Platz, Martelly nur auf dem dritten. Nach monatelangem Streit und | |
| Betrugsvorwürfen entschied die Wahlkommission schließlich im Februar, dass | |
| Manigat und Martelly die Stichwahl bestreiten sollen. | |
| Das endgültige Ergebnis für die Stichwahl soll am 16. April veröffentlicht | |
| werden. Angesichts des großen Vorsprungs von Martelly im vorläufigen | |
| Ergebnis gilt aber als sicher, dass er der neue Präsident des | |
| Karibikstaates wird. Die offizielle Machtübernahme soll am 14. Mai | |
| stattfinden. Der bisherige Staatschef René Préval durfte nach zwei | |
| Amtszeiten nicht mehr zur Wahl antreten. DIL | |
| 5 Apr 2011 | |
| ## TAGS | |
| Haiti | |
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