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# taz.de -- Neuer Regierungschef in Haiti: Ende der politischen Krise in Sicht
> Die haitianische Regierung hat endlich einen Ministerpräsidenten. Gary
> Conille könnte frischen Wind bringen, aber die politische Krise ist noch
> nicht ganz ausgestanden.
Bild: Nach dem Erdbeben leitete Garry Conille das Büro des Sonderbeauftragten …
BERLIN taz | Eine fünfmonatige Zitterpartie scheint zu Ende. In den frühen
Abendstunden des Dienstags akzeptierte auch die Mehrheit der haitianischen
Senatsmitglieder den neuen Regierungschef Garry Conille. 17 der 30
Senatoren stimmten für den vom Staatspräsidenten Michel Martelly schon vor
fast vier Wochen nominierten 45-jährigen Kabinettschef, drei gegen ihn.
Neun Mitglieder des Oberhauses enthielten sich.
Damit endet ein Teil der haitianischen politischen Krise, die sich seit
Mitte Mai hinzieht. Nach einem turbulenten Wahlkampf und einem noch
turbulenteren Urnengang, der wegen Wahlfälschungen teilweise annulliert
werden musste, konnte sich der Musiker Michel Martelly zwar als
haitianischer Staatspräsident durchsetzen. Allerdings hat er keine
parlamentarische Mehrheit. Die von ihm gegründete und auf ihn
zugeschnittene Partei der "Bürger Antwort" verfügt lediglich über drei der
insgesamt 99 Deputiertensitze. Im Senat ist die Martelly-Partei überhaupt
nicht vertreten.
Was es heißt, gegen die Partei seines Vorgängers und schärfsten
Kontrahenten René Préval, die die Parlamentsmehrheit hat, Politik zu
machen, musste der politisch unerfahrene Karnevalsmusiker schnell lernen.
Kaum dass Martelly seinen Amtseid im beim Erdbeben zerstörten
Präsidentenpalast abgelegt hatte, verweigerten die Parlamentarier seinem
Kandidaten für das Amt des Regierungschefs die Zustimmung. So regierte die
Übergangsregierung seines Vorgängers weiter und bestimmte das politische
Tempo.
Das Land ist nach wie vor paralysiert. Seit dem schweren Erdbeben von
Januar vorigen Jahres, bei dem fast 300.000 Menschen starben und große
Teile der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince zerstört wurden, leben
nach wie vor mindestens 800.000 Menschen in einfachen Behelfszelten.
Dringend benötigte internationale Hilfsgelder für den Wiederaufbau werden
nicht freigegeben, weil zuverlässige Ansprechpartner in den Ministerien
fehlten.
Der neue Ministerpräsident Garry Conille könnte frischen Wind in das
Armenhaus Lateinamerikas bringen, in dem fast 80 Prozent der Bevölkerung
von weniger als einen Euro seinen täglichen Lebensunterhalt bestreiten
müssen. Conille stammt zwar aus einer Familie, die schon dem Diktator
Duvalier gedient hat. Seit Jahren arbeitet der Gynäkologe allerdings schon
für die Vereinten Nationen, zuletzt als Vertreter des Entwicklungsprogramms
der Vereinten Nationen (UNDP) im Niger.
Nach dem Erdbeben leitete der Vater von zwei Töchtern das Büro des
Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für Haiti, Bill Clinton, und half
zahlreiche bürokratische Hürden zu überbrücken, um Hilfe ins Land zu
bringen. Er kennt sich auf der einen Seite mit der derzeitigen Realität des
Landes aus, wird aber aufgrund seiner Tätigkeit im Ausland in der
haitianischen Öffentlichkeit als "Fremder" kritisch beäugt.
Die Zitterpartie um das Ministerpräsidentenamt ist allerdings noch nicht
ganz vorbei. Jetzt muss Conille ein Kabinett bilden, das dann die
endgültige Absolution der beiden Parlamentskammern braucht. Und da haben
die Abgeordneten der Einheitspartei "Inti", die parlamentarische
Mehrheitsfraktion, schon klare Vorgaben gemacht. Sie fordern vier Sitze in
der neuen Regierung, ein Ansinnen, das "Sweet Micky" bisher kategorisch
abgelehnt hat.
5 Oct 2011
## AUTOREN
Hans-Ulrich Dillmann
## TAGS
Haiti
Haiti
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