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# taz.de -- Jahrestag des Erdbebens in Haiti: Leben in Trümmerhaufen
> Zwei Jahre nach dem Erdbeben vegetiert ein Großteil der Bevölkerung
> Haitis in Notunterkünften. In der Hauptstadt Port-au-Prince steigen die
> Preise.
Bild: Erst 50 Prozent der Schutthalden in Port-au-Prince sind abgetragen.
SANTO DOMINGO taz | Nur ein ungläubiges Kopfschütteln hat Stefanie
Gilleaume für die Fragen übrig, was sich seit dem schweren Erdbeben in
Haiti vor zwei Jahren für sie positiv geändert. Sie und ihre Familie
konnten gerade mal das nackte Leben retten. Seitdem leben sie in einem
Zeltlager nahe am internationalen Flughafen der Hauptstadt Port-au-Prince.
Das Wasser kommt aus einem provisorischen Tank, ein Dixieklo muss die
Abiturientin sich mit Hunderten teilen. Und nachts lebt Stefanie in der
Angst vor Männern, die sich mit Rasierklingen durch die Planen schneiden
und Frauen vergewaltigen. Ohne eigenes Grundstück gibt es keine Chance,
wieder ein richtiges Haus zu bekommen.
Bei dem "Großen Grollen" von der Stärke 7,2 am 12. Januar 2010 starben rund
316.000 Menschen, rund 250.000 Wohnungen und 30.000 Geschäfte wurden
zerstört, ungefähr 1,85 Millionen Menschen obdachlos.
Immerhin haben davon inzwischen wieder 1,3 Millionen wieder ein, wenn auch
behelfsmäßiges Dach über dem Kopf. Doch Port-au-Prince ist noch immer ein
riesiger Trümmerhaufen - erst 50 Prozent der Schutthalden sind abgetragen.
550.000 Hauptstädter leben bis heute in rund 9.800 Notunterkünften, die bei
Regen im Schlamm versinken. Sie sind auf Hilfswerke angewiesen. Nur die
wenigsten haben Arbeit.
## Goldene Nasen für Autohändler
"Die Regierung hat das Heft nicht in die Hand genommen und die Hilfe
vernünftig koordiniert", kritisiert Katja Anger von der deutschen
Kindernothilfe (KNH). "Aber bei allen Schwächen war die Hilfe erfolgreich."
Die Kindernothilfe versorgte Kinder mit Nahrungsmitteln und Wasser,
organisierte medizinische und psychosoziale Betreuung. "Wir haben
Tagesstätten eingerichtet", sagt Anger. Inzwischen baut die KNH auch in
entlegenen Regionen Schulen. 18,8 Millionen Euro deutscher Spender sind
über die Kinderhilfe nach Haiti geflossen.
Nach dem baulichen kam der politische Zusammenbruch und dann die
Begehrlichkeiten korrupter Politiker, als die Soforthilfe floss. Seitdem
explodieren in Port-au-Prince die Preise. Horrende Mieten für ausländische
Spezialisten müssen aus Hilfsgeldern finanziert werden. Autovermieter und
Autohändler verdienen sich goldene Nasen. Das Elend ist längst zu einem
Riesengeschäft und zum Beuteobjekt der politischen Elite Haitis geworden.
Liest man den Bericht des UN-Sondergesandten für Haiti kritisch, so dürften
von 1,9 Milliarden Euro Haiti-Hilfe 34 Prozent an die Geberländer
zurückgeflossen sein. Dazu kommen in manchen Ländern Vorschriften, dass
Hilfsgüter aus den Geberländern kommen müssen.
Zwar schickte die internationale Gemeinschaft die unfähige Préval-Regierung
in die Wüste, als diese sich mit Wahlbetrug weitere Jahre an den
Finanztöpfen sichern wollte. Doch statt seiner wurde mit Michel Martelly
ein politisch völlig unerfahrener Mann Präsident, der keine
parlamentarische Mehrheit besitzt. Aber das Credo des Musikers gefällt dem
Ausland: Er sieht Haitis Zukunft als Billiglohnland und Rekreationszone für
Touristen.
Dazu kommt, dass Martelly auf Berater aus dem Familienkreis von Exdiktator
Jean-Claude Duvalier hört. Ein flächendeckender Katastrophenschutz fehlt
noch immer, dafür soll die Armee wiederaufgebaut werden, die wegen ihrer
blutigen Vergangenheit vor Jahren abgeschafft worden war.
12 Jan 2012
## AUTOREN
Hans-Ulrich Dillmann
## TAGS
Haiti
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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