# taz.de -- Politische Krise im Libanon: Joseph Aoun wird Präsident | |
> Nach mehr als zwei Jahren hat der Libanon wieder ein Staatsoberhaupt: | |
> Joseph Aoun war auch Favorit der USA. Der Wahl ging eine hitzige Debatte | |
> voraus. | |
Bild: Der alte Armeechef ist der neue Präsident des Libanons: Joseph Aoun vor … | |
Beirut dpa/ap | Das libanesische Parlament hat Generalstabschef Joseph Aoun | |
zum neuen Präsidenten gewählt. Aoun erhielt am Donnerstag die nötige | |
Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordnetenstimmen, nachdem er sie im | |
ersten Wahlgang noch verfehlt hatte. Damit hat das Land nach mehr als zwei | |
Jahren und zwölf vergeblichen Anläufen wieder ein Staatsoberhaupt. | |
Die einflussreiche Hisbollah-Miliz hatte Suleiman Frangieh unterstützt, den | |
Chef einer kleinen christlichen Partei mit guten Verbindungen zum | |
gestürzten syrischen Machthaber Baschar al-Assad. Am Mittwoch zog Frangieh | |
seine Kandidatur zurück und unterstützte Aoun. | |
Die Macht des Staatschefs ist begrenzt. Allerdings hat nur er das Recht, | |
einen Ministerpräsidenten und ein Kabinett zu ernennen oder zu entlassen. | |
Die geschäftsführende Regierung, die den Libanon in den letzten zwei Jahren | |
geleitet hat, verfügt über eingeschränkte Befugnisse, da sie nicht von | |
einem amtierenden Präsidenten ernannt wurde. | |
Aoun ist derzeit dafür zuständig, die im November vereinbarte Waffenruhe | |
zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel zu überwachen. Er galt als | |
bevorzugter Kandidat der Vereinigten Staaten und Saudi-Arabiens, deren | |
Unterstützung der Libanon benötigt, um sicherzustellen, dass Israel seine | |
Streitkräfte wie im Waffenstillstandsabkommen mit der libanesischen | |
Hisbollah-Miliz vorgesehen, aus dem Südlibanon abzieht, und um den | |
Wiederaufbau nach dem Krieg zu finanzieren. | |
## Durch den Krieg mit geschäftsführender Regierung | |
Im Parlament gab es vor der Abstimmung eine hitzige Debatte. Einige der | |
Abgeordneten weigerten sich, für Aoun zu stimmen. Sie argumentierten, dass | |
es dafür zunächst eine Verfassungsänderung geben müsste. Gemäß der | |
Verfassung dürfen Personen, die in den zwei Jahren vorher einen höheren | |
Beamtenposten innehatten, nicht zum Präsidenten gewählt zu werden. Diese | |
Regel wurde allerdings bereits bei früheren Präsidentschaftskandidaten | |
gebrochen. | |
Der Libanon steckt seit Jahren in einer tiefen politischen und | |
wirtschaftlichen Krise. [1][Das Amt des Präsidenten war mehr als zwei Jahre | |
nicht besetzt], nachdem Michel Aoun – der nicht verwandt ist mit Armeechef | |
Aoun – 2022 planmäßig aus dem Amt geschieden war. Mehr als ein Dutzend | |
Anläufe im Parlament zur Wahl eines Nachfolgers scheiterten wegen eines | |
Machtkampfs der politischen Blöcke. Die aktuelle Regierung ist ebenfalls | |
nur eingeschränkt handlungsfähig. | |
Durch den [2][Krieg] der [3][Hisbollah]-Miliz gegen Israel, in dem im | |
November eine Waffenruhe vereinbart wurde, steuerte der Libanon ohne | |
Präsident und mit einer nur geschäftsführenden Regierung. | |
Der 60-jährige Aoun wurde im März 2017 zum Armeechef ernannt und sollte | |
eigentlich im Januar 2024 in den Ruhestand treten. Doch seine Amtszeit | |
wurde während des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah zweimal | |
verlängert. Er hielt sich bedeckt, vermied Medienauftritte und gab seine | |
Kandidatur nie offiziell bekannt. | |
## Anfällig für Patt-Situationen | |
Im Rahmen der konfessionellen Machtteilung im Libanon ist der Präsident | |
immer maronischer Christ, der Regierungschef Sunnit und der | |
Parlamentspräsident Schiit. Dieses System ist anfällig für | |
Patt-Situationen, die bereits mehrfach dazu geführt haben, dass das Land | |
längere Zeit keinen Präsidenten hatte. | |
Die längste Vakanz dauerte fast zweieinhalb Jahre zwischen Mai 2014 und | |
Oktober 2016 und endete mit der Wahl Michel Aouns, der nicht mit dem jetzt | |
gewählten Präsidenten verwandt ist. | |
9 Jan 2025 | |
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